Jüdisches Sachsen. 99 besondere Geschichten

Ein neuer Kultur-Reiseführer von Henner Kotte lädt ein die weitgehend unbekannte jüdische Geschichte des Freistaates an zahlreichen Orten und Baudenkmälern zu erkunden.

Von Nikoline Hansen

2021 ist das Jahr, in dem Deutschland 1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland feiert. Auch wenn die Feier aufgrund der aktuellen Lage nicht so verläuft, wie ursprünglich vielleicht geplant – man wird doch immer wieder darauf gestoßen, wenn auch eher zaghaft. Es gibt eine Briefmarke zum „Jubiläum“ und Veranstaltungen, die immer wieder verschoben werden müssen, manchmal aber auch stattfinden. Und es gibt Projekte. Eines dieser Projekte ist ein kleines Büchlein mit dem Titel „Jüdisches Sachsen“. Wie zu erwarten: dieser Titel täuscht. Es gibt nicht viel jüdisches Leben in Sachsen. Die meisten der Geschichten verweisen auf historische Orte, die einstmals mit jüdischem Leben verbunden waren. Kein Wunder: es sollten ja 99 Geschichten werden. Und doch – es lohnt sich, in dem Buch zu stöbern, denn viele der präsentierten Geschichten sind nicht präsent und so kann es als Nachschlagewerk, Reiseführer und Denkanstoß dienen.

Wenn man in Sachsen unterwegs ist und sich für jüdische Geschichte interessiert, lohnt es sich jedenfalls, das Büchlein dabeizuhaben. Und nein, natürlich ist jüdisches Leben wie überall in Deutschland auch in Sachsen zaghaft wieder am Entstehen: insbesondere in den größeren Städten. In Dresden gibt es eine große neue Synagoge, die am 9. November 2001 eingeweiht wurde. Warum sie unter der Überschrift „Bethaus für alle Völker“ präsentiert wird, bleibt wohl ein Geheimnis des Verfassers. Auch in anderen Orten gibt es Synagogen, in denen ein neues Gemeindeleben erwacht ist. Der Leipziger Synagogalchor ist über die Landesgrenzen hinaus bekannt. Die Sanierung der Synagoge in Görlitz wurde 1991 begonnen und erst 2021 abgeschlossen – ein Beispiel, das zeigt, welch langer Atem notwendig ist, um jüdisches Leben in Deutschland wiederzubeleben. In Chemnitz gibt es nicht nur eine Synagoge, sondern auch ein jüdisches Restaurant. Das gibt es immer noch, auch wenn es manchmal bedrohliche Schlagzeilen macht. Es heißt „Schalom“ – ob es für Juden in Deutschland jemals Frieden geben wird, ist allerdings zweifelhaft.

 

Jüdischer Verlag in Sachsen

Der Verlag Hentrich & Hentrich ist von Berlin nach Leipzig gezogen – auch er ist ein Beispiel für lebendiges Judentum und wird in dem Buch erwähnt. Das Land kann sich glücklich schätzen, dass dieser Verlag sich für Leipzig als Standort entschieden hat. Leipzig beherbergt auch das Institut für Jüdische Geschichte und Kultur – Simon Dubnow, das auf Beschluss des sächsischen Landtags am 9. November 1995 ins Leben gerufen wurde. In Deutschland ist das Institut kaum bekannt. Seit 2017 wird es von der israelischen Professorin Yfaat Weiss geleitet und seit 2018 ist es als Leibniz-Institut in die deutsche Forschungslandschaft eingebunden. Es bleibt ihm zu wünschen, dass es seinem Namensträger gerecht werden kann.

Am Ende stehen die Städtepartnerschaften zwischen sächsischen und israelischen Städten – vier sind es insgesamt nach Recherchen des Autors. Das ist nicht viel für ein ganzes Bundesland. Einst bezeichnete sich die Sächsische Schweiz als eines der ersten Gebiete als „judenfrei“. Darauf ist man wahrscheinlich nicht mehr stolz, aber eine Rückkehr zur Normalität im Zusammenleben gibt es noch lange nicht. 1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland sind geprägt von einem Auf und Ab und hätten 1933 fast ein jähes Ende gefunden. Noch immer wird Jüdisches als etwas Besonderes empfunden, wie der Titel des Buches impliziert. Es ist ein Glück, dass auf das lange Abwärts nun wieder ein langsames Aufwärts folgt, das es zu pflegen gilt. Da gibt es eindeutig noch viel zu tun in Sachsen.

 

Henner Kotte: Jüdisches Sachsen. 99 besondere Geschichten. Reiseführer

Mitteldeutscher Verlag Oktober 2021

ISBN 978-3-96311-552-0

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