Der Rabbi und der Kommissar

Michael Bergmann bringt eine neue Krimi-Reiheheraus, bei der ein jüdischer Geistlicher in Frankfurt am Main ermittelt.

© www.walterkaufmannfilm.de

Von Filip Gaspar

Mit seinem neuesten Streich betritt Bergmann nun das Genre des Krimiromans, ausgestattet mit einem Koscher-Zertifikat des Rabbiners Julian-Chaim Soussan. „Der Rabbi und der Kommissar: Du sollst nicht morden“ sind der Startschuss für eine sich jährlich fortsetzende Krimi-Reihe. Der Titel des ersten Bandes lässt vermuten, dass noch mindestens neun weitere Krimis geplant sind, deren Titel von den zehn Geboten inspiriert sein wird. Zumindest ist dies die grobe Planung des Autors mit dem Verlag. Der Heyne-Verlag wollte die deutsche Krimilandschaft nicht mit einem weiteren Hauptstadtkrimi langweilen. Deswegen verlegte Bergmann den Schauplatz in die Finanzmetropole Frankfurt am Main. Ein weiterer Vorteil für Bergmann, der dort aufgewachsen ist und die Stadt gut kennt. So erscheint es folgerichtig, dass der erste Band aus der Krimireihe sich im jüdischen Milieu von Frankfurt abspielt. Es bleibt abzuwarten, ob dies auch in den Fortsetzungen der Fall sein wird.

Die den Sohn nervende Mutter

Als Hauptfigur und Ermittler fungiert, wie der Titel bereits verrät, der Rabbi Henry Silberbaum, dessen Figur von Bergmann mit zahlreichen jüdischen Klischees besetzt wurde. Dies beschert dem Leser ein wahres Lesevergnügen. Die alles in Frage stellende Skepsis gepaart mit dem jüdischen Humor sind die perfekten Eigenschaften, um Silberbaum zum prädestinierten Ermittler zu machen. Natürlich darf da eine jüdische Mutter nicht fehlen, die sich ungefragt in das Leben ihres „Bubele“ einmischt. Da ist es mehr als nur passend, dass Bergmann erst kürzlich ein Buch mit dem Titel „Mameleben“ beendet hat. Als weitere Nebenfiguren dürfen natürlich der jüdische Arzt und der jüdische Anwalt nicht fehlen, denen Silberbaum das Leben noch zusätzlich erschwert.

Der Arbeitsplatz von Silberbaum ist ein jüdischer Seniorenstift in Frankfurt. Wenn er sich nicht um das Wohlergehen der Bewohner kümmert oder Schüler unterrichtet, hält er sich mit Fahrradfahren und Schwimmen fit, was ihm im Laufe der Ermittlungen noch entscheidend weiterhelfen wird. Als wenn es nicht schon kompliziert genug wäre, führt er außerdem eine Fernbeziehung per Chat mit seiner New Yorker Freundin, die alles andere als begeistert von seinem Vorschlag ist, zu ihm ins „Täterland“ Deutschland zu ziehen oder auch bloß dort zu besuchen.

Bergmann schafft es gekonnt jüdische Klischees mit den Rezepten für einen guten Krimi zu vermischen, ohne dabei die Handlung vorhersehbar zu machen, oder gar schlimmer, den Leser zu langweilen. Das Gegenteil ist der Fall: Liebhaber von Krimis werden das eine oder andere Mal in die Irre geführt, nur um beim nächsten Plot Twist vergnügt den Kopf zu schütteln, bloß um dann wieder auf eine falsche Fährte gelockt zu werden. Es war weder der Gärtner und anders als bei Inspektor Colombo wird der Täter auch nicht sofort am Anfang enthüllt, sondern man muss sich bis zum Ende des Buches gedulden.

Wie im ersten Band: Die wohlhabende und herzkranke Bewohnerin des Seniorenstifts verstirbt vollkommen unerwartet und hinterlässt einen tief trauernden und zehn Jahre jüngeren Goj. Aus diesem wird das Testament bald einen reichen Witwer – Baruch Dayan HaEmet – machen, der natürlich daran interessiert ist, dass seine religiöse Frau schnell nach jüdischem Ritus beigesetzt wird. Da kommt so ein nerviger Rabbi, der nicht an eine natürliche Todesursache glauben will und von Mord ausgeht, sehr ungelegen. Die Verstorbene hatte ihm kurz vor ihrem Ableben erzählt, dass sie glaube, ihr Ehemann betrüge sie mit einer Schickse, die zufällig auch noch ihre Vermögensverwalterin und von Anfang an sowieso nur an ihrem Vermögen interessiert sei. Aus diesem Grund habe sie beschlossen, ihn zu verlassen und zu ihrer Tochter nach Israel zu ziehen. Dafür müsse sie nur noch das Testament ändern lassen.

Für alle Beteiligten scheint Herzversagen als Todesursache schnell festzustehen, und man könnte den Fall schnell zu den Akten legen, wenn da nicht der wachsame Rabbiner wäre. Dessen geschulten Augen fällt der zerbrochene Teller auf, auf dem ein Apfel gelegen hat und den die Frau bei ihrer Herzattacke umgestoßen hat. Einzig die aus Israel angereiste Tochter unterstützt ohne Bedenken die Ermittlungen des Rabbis, wozu auch eine Autopsie gehört, die im Judentum alles andere als erwünscht ist.

 

Nachts aus dem Friedhof

Natürlich weiß der geschulte Krimileser, dass zu einem guten Ermittler auch immer ein Partner gehört, der charakterlich das genaue Gegenteil ist, ihn aber gut ergänzt. So einen findet Silberbaum im Kommissar Robert Berking. Ihr erstes Kennenlernen ist mehr als nur unkonventionell, denn Berking nimmt ihn nachts auf dem jüdischen Friedhof fest. Dorthin hatte es Silberbaum mit seiner reizenden Arbeitskollegin verschlagen, die – obwohl sie eine jüdische Mutter hat – trotzdem zum Judentum konvertieren möchte. Wer wissen möchte, was die beiden nachts mit einer Urne auf dem jüdischen Friedhof trieben, der muss zum Buch greifen.

Mit ein wenig Zeit und viel Überzeugungsarbeit findet das Team zueinander. Berking ist mürrisch und eher zurückhaltend, und somit in vielerlei Hinsicht das genaue Gegenteil von Silberbaum. Trotzdem brillieren die beide nach Startschwierigkeiten. Doch nicht nur der Kommissar behindert die Ermittlungen zu Beginn, sondern auch der Vorsitzende der Gemeinde, der Silberbaum mit der Kündigung droht, sollte dieser nicht unverzüglich von seinen Ermittlungen Abstand nehmen. Doch es wäre nicht das erste Mal, dass der Gemeinde Kopfzerbrechen durch ihren Rabbi bereitet wird. Gleich zu Beginn erleben wir ihn nämlich in seiner nicht natürlichen Umgebung. Nämlich auf der Pferderennbahn, wohin er auf Bitte eines Bewohners gegangen ist.

Bevor sich das neue Ermittlerduo versieht, ist es bereits mitten dabei einem mörderischen Komplott auf die Schliche zu kommen. Um den Täter sein Handwerk zu legen, geht Silberbaum buchstäblich baden und nimmt es mit dem weltlichen und dem jüdischen Gesetz nicht immer so genau. Nebenbei nimmt er zur Begeisterung seiner Mutter noch einen Hund zuhause auf.

Es bleibt zu hoffen, dass Bergmanns Krimireihe es auch ins Fernsehen schafft und uns einen jüdischen „Tatort“ beschert. Als Drehbuchschreiber ist das Handwerkszeug allemal da und mit seinem Rabbi Henry Silberbaum ein toller Ermittler.

 

Michel Bergmann: „Der Rabbi und der Kommissar: Du sollst nicht morden“. Heyne, München 2021, 288 S., 11 €

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