Carlebach-Synagoge in Lübeck wiedereröffnet: Schusters Ablenkung und die Gemeinde als Zaungast

Es war kaum noch eine Feier für Juden zu nennen. Die Lübecker Gemeinde, in der unsere Autorin aufgewachsen ist, war mehr Zuschauer als Teilnehmer. Selbst einige Gemeindemitglieder, die den Holocaust überlebt haben, mussten außen vor bleiben. Wie üblich redete Zentralratschef Josef Schuster bei den Feierlichkeiten um den heißen Brei und vermied es entgegen allen objektiven und erlebten Erfahrungen den Islam als die Hauptursache des gegenwärtigen hiesigen Antisemitismus klar zu benennen (JR).

Die renovierte Carlebach-Synagoge in der Ostsee-Stadt Lübeck© WIKIPEDIA

Von Michal Kornblum

Am 12. August wurde die Lübecker Carlebach-Synagoge mit einem Festakt nach langjährigen Sanierungs- und Restaurierungsarbeiten wiedereröffnet. Die ursprünglich im maurischen Stil und mit Kuppel erbaute Synagoge wurde erstmals im Jahre 1880 eröffnet und blieb während der Pogromnacht 1938 vor einer kompletten Zerstörung verschont, wurde jedoch geschändet und verwüstet. Bekannt wurde die Lübecker Synagoge erneut in den 90er Jahren, als es 1994 und 1995 Brandanschläge mit Molotowcocktails auf das Synagogengebäude gab, die die ersten Brandanschläge auf eine Synagoge in Deutschland seit der Nazizeit darstellten.

Die denkmalgeschützte Synagoge war im Laufe der Zeit stark baufällig geworden, einige Gebäudeteile drohten einzustürzen. Deswegen wurde 2014 mit den Bauarbeiten an der Synagoge begonnen. Die gesamte Sanierung der Synagoge kostete 8,4 Mio. €, die von Bund, Land und Stiftungen sowie Spendern getragen wurden, und dauerte sechs Jahre.

Die Feier zur Wiedereröffnung der Synagoge konnte zunächst aufgrund der Corona-Maßnahmen nicht wie geplant im Jahre 2020 stattfinden und wurde nun nachgeholt. Unter den geladenen Gästen waren neben bekannten Persönlichkeiten der Stadt Lübeck u.a. Dr. Josef Schuster (Präsident des Zentralrats der Juden), Prof. Monika Grütters (Kulturstaatsministerin), Daniel Günther (Ministerpräsident Schleswig-Holstein), der Landesrabbiner Dov-Levi Barsilay und einige Bundes- und Landtagsabgeordnete. Auch angereist sind Nachfahren von Rabbiner Carlebach, der der erste Rabbiner der Lübecker Synagoge war, und dessen Namen sie heute trägt.

Hochsicherheits-Festakt

Die umfangreichen Sicherheitsmaßnahmen zum Festakt begannen bereits damit, dass die gesamte Straße für PKWs gesperrt wurde und auch Fußgänger nur mit triftigem Grund die Straße passieren durften, es wurden zahlreiche Polizeibeamte und auch Sprengstoffspürhunde eingesetzt.

Nach dem feierlichen Einlass der Gäste und dem Anbringen der Mesusot an den Eingängen der Synagoge, fand die Veranstaltung im prachtvollen Gebetssaal statt. Einige der Ehrengäste hielten Reden, die sich inhaltlich sehr ähnelten und neben der Freude über die Eröffnung der Synagoge den erstarkenden Antisemitismus in Deutschland thematisierten und daraus die Notwendigkeit eines stärkeren Einsatzes gegen Rechtsextremismus ableiteten. Hervorzuheben ist die Rede des Landesrabbiners Dov-Levi Barsilay, der über das Priestertum im Judentum sprach und die Bedeutung der Erziehung und Bildung nachfolgender Generationen betonte.

Staatskonform bis zur Selbstaufgabe: Zentralratschef Josef Schuster

Der Präsident des Zentralrats der Juden, Dr. Josef Schuster, äußerte, dass die Synagoge ein Schmuckstück sei. Auch in seiner Rede lag der Schwerpunkt auf dem aktuell wachsenden Antisemitismus und der Frage, was man dagegen tun könne. Die Ausschreitungen auf deutschen Straßen im Mai dieses Jahres erwähnte Dr. Schuster kurz, und auch, dass es damals Menschen mit muslimisch-arabischem Hintergrund seien. Jedoch hält er den Antisemitismus von rechts für am gefährlichsten. Er sehe große Gefahren in der AfD und in den aktuellen „Corona-Demos“. „Das gemeinsame Ziel aller Demokraten muss es zudem sein, dass die AfD wieder aus den Parlamenten verschwindet,…denn sie hat in unseren Parlamenten nichts, aber auch wirklich gar nichts verloren.“ Dies begründete der Präsident des Zentralrats der Juden damit, dass die AfD daran arbeite, die Demokratie auszuhöhlen, die politische Kultur in unserer Gesellschaft zu diskreditieren und Minderheiten wie Muslime und Asylbewerber ächtet. Dr. Schuster befürwortet stark das „Demokratiefördergesetz“, um zivilgesellschaftliche Organisationen (finanziell) zu unterstützen. Abschließend wünschte sich Dr. Schuster, dass solche Veranstaltungen und auch das tägliche Gemeindeleben vielleicht in der Zukunft ohne Polizeischutz möglich seien.

Untermalt wurde der Festakt mit Gesang und Klezmermusik.

 

Gemeindeälteste – darunter Schoah-Überlebende – waren nicht eingeladen

Als Mitglied der jüdischen Gemeinde Lübeck, das wortwörtlich seine ersten Schritte in dieser Synagoge gemacht hat, erlaube ich mir eine persönliche Meinung:

Zunächst freue mich mich sehr, dass die wirklich wunderschöne Synagoge nach Jahren von Gebeten in Kellerräumen wieder für Gebete und Gemeindeveranstaltungen zur Verfügung steht. Als eine der wenigen, nicht während der Nazizeit komplett zerstörten Synagogen in Deutschland erstrahlt sie nun in alter Schönheit mit neuem Glanz. Jedoch halte ich es für schade und falsch – Corona-Abstandsregelung hin oder her –, dass bei der Eröffnungsfeier kaum Gemeindemitglieder eingeladen waren. Es war mehr eine Feier der politischen und gesellschaftlichen Akteure, als dass die jüdische Gemeinschaft Lübecks einbezogen und willkommen war. Insbesondere hätten aus Respekt die Gemeindeältesten – viele von Ihnen sind auch Schoah-Überlebende – und Kinder und Jugendliche als Zeichen der Zukunft eingeladen werden müssen. Es war weniger eine Feier für Juden als mehr eine über Juden.

Auch missfallen hat mir der rote Faden des Rechtsextremismus als Ursache des Antisemitismus bis hin zu der Hetze gegen Parteien und politische Einstellungen. Zum einen ist dies weder Ort noch Zeit, um seine politische Agenda durchzudrücken und immer und immer wieder das stärkere notwendige (finanzielle) Engagement im Kampf gegen Rechts zu betonen, zum anderen ist es im besten Fall Augenwischerei und im schlechtesten eine dreiste Lüge vom gefährlichsten Antisemitismus von rechts zu sprechen, wenn die Zahlen des AJC beispielsweise 31 % islamistische und 14 % rechtsextreme antisemitische Vorfälle zeigen.

Wenn wir in dieser Debatte nicht anfangen Tacheles zu reden, werden wir nicht weniger – wie es sich der Präsident des Zentralrats der Juden wünscht – sondern immer mehr Polizeischutz für jüdisches Leben in Deutschland brauchen.

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