Tour de France 2020: Erstmals ist ein israelisches Team dabei

Ein jüdischer Unternehmer sponsert den Rennstall „Israel Start-Up Nation“.

Der kanadisch-israelische Unternehmer Sylvan Adams (rechts im weißen Hemd) präsentiert sein Tour de France-Team.© JACK GUEZ, AFP

Von Dr. Manfred Schwarz

Große Dinge passieren oft in Israel. So auch im Dezember 2019 – hoch über den Dächern von Tel Aviv. Der israelisch-kanadische Milliardär Sylvan Adams hatte zu einer internationalen Pressekonferenz auf einer großen Dachterrasse eingeladen. Adams – selbst ein begeisterter Hobby-Radrennfahrer und zweifacher Straßenweltmeister der Senioren – präsentierte den Journalisten aus aller Welt mehrere Dutzend Profi-Radsportler aus Europa, Nordamerika und Israel.

Die Profis, so schrieb die „taz“ verwundert, „bekamen Trikots überreicht, auf denen ‚Friedensbotschafter‘ stand, und andere, auf denen der Schriftzug ‚Israel Start-Up Nation‘ zu lesen war“. Eine radsportliche Sensation für den weltweiten Profi-Radrennsport: Der Deutschlandfunk berichtete – auch eher verdutzt – über „das erste Profi-Team des Landes“, das „den Radsport in Israel populär machen und wenn möglich bei der Tour de France eine Etappe gewinnen“ soll.

Der Titel „Friedensbotschafter“ war der Mannschaft bereits zwei Jahre zuvor vom „Peres Center for Peace“ (Jaffa) verliehen worden, als das Team noch den Namen „Israel Cycling Academy“ trug und in der „zweiten Klasse“ des internationalen Radsports fuhr. Begründung für die Verleihung des Ehrentitels: Die Mannschaft baue „Brücken zwischen verschiedenen Nationen und Religionen“.

 

Wie kam es zu dem Rennstall-Namen „Israel Start-Up Nation“?

Namensgeber des neuen israelischen Teams, das nun in der aktuellen Saison in der „Champions League“ des Radsport, in der WorldTour, fährt, ist der israelische Co-Sponsor „Start-Up Nation Central“, ein „Inkubator“ für junge israelische Technologieunternehmen – ein Gründerzentrum also, das Starthilfe für Jungunternehmen leisten will. Jetzt, in der Ersten Klasse der „Ritter der Landstraße“, geht es um hochgesteckte Ziele. Nun werden spektakuläre Erfolge nicht nur bei der diesjährigen legendären 108. Tour de France angepeilt – die am 29. August starten soll –, sondern auch beim Giro d’Italia, der Spanien-Rundfahrt (Vuelta) sowie bei etlichen Eintages-Rennen wie dem Klassiker Paris-Roubaix.

Der 62-jährige Teameigner Sylvan Adams hat lange darauf hingearbeitet, dass seine Pedaleure – auf den Renntrikots unübersehbar geschmückt mit dem großen israelischen Logo – jetzt bei dem drittgrößten Sportspektakel der Welt, der Tour de France, für Israel Flagge zeigen werden. Nur die Olympischen Spiele und die Fußball-Weltmeisterschaften machen noch mehr Schlagzeilen als die Tour.

Erstmals soll bei der geschichtsträchtigen Tour der Leiden auch ein jüdischer Radsportler aus Israel dabei sein, wenn es in Paris – nach 3.470 Renn-Kilometern über 21 Tages-Etappen – rund um den Arc de Triomphe de l'Étoile darum geht, dem krönenden Endspurt auf der Avenue des Champs-Élysées entgegenzurasen.

Wie ist Adams‘ Mannschaft in die „Champions League“ aufgestiegen?

Sylvan Adams, dessen rumänische Eltern Holocaust-Überlebende sind, hatte kurz vor dem Presse-Event in Tel Aviv die Renn-Lizenz für die erstklassige WorldTour vom russisch finanzierten Rennstall Katusha übernommen. Mit der teuren Lizenz übernahm der umtriebige Adams gleich auch einige international erfolgreiche Fahrer wie André Greipel, Nils Politt und Rick Zabel, den Sohn des legendären Rundfahrt-Spezialisten Erik Zabel, dem es gleich sechsmal gelang, das begehrte Grüne Trikot des Tour-Punktbesten zu gewinnen. In der nächsten Saison 2021 wird das Team „Israel Start-Up Nation“ durch den viermaligen, britisch-kenianischen Tour-Sieger Chris Froome komplettiert. Der Rennstall ist angekommen – bei der Crème de la Crème des internationalen Radsports.

Selbstbewusst hat Sylvan Adams seine Ziele umrissen: „Wir wollen ein Klassiker-Monument gewinnen, bei der Tour de France einen Fahrer unter die Top 10 bringen und je eine Etappe bei den drei großen Rundfahrten gewinnen.“

Adams‘ WorldTour-Team soll auch das Image Israels verbessern. Schon 2018 hatte Adams schlagzeilenträchtig den Start des internationalen Giro d’Italia nach Jerusalem geholt. Der „Spiegel“ schrieb damals: „Dem Kampf gegen die Uhr in der Heiligen Stadt folgen zwei weitere Etappen in Israel, bevor der Giro-Tross schließlich am Montag nach Sizilien reist.“ Bei diesem Giro gelang einem jüdischen Rennfahrer ein Erfolg, der noch nie zuvor einem israelischen Sportler beschieden war: „Mit Guy Sagiv beendete auch erstmals ein israelischer Profi eine Grand Tour“ („Neue Zürcher Zeitung“).

 

Adams ist ein Patriot

Adams’ Ziel ist es, in der Welt Bilder eines „normalen“ Israels zu verbreiten. Sportjournalisten sagte er: „Sie sind jetzt hier, Sie sehen, dass wir wie normale Leute leben. Aber diese Botschaft kommt kaum durch. Die Leute denken, wir leben in einer Konfliktzone. Das dominiert das Bild von Israel, denn die Nachrichten sind sehr eindimensional.“ Ein betont friedliches israelisches Bild will nun auch der Radprofi Nils Politt vermitteln – in seiner neuen Rolle als „Friedensbotschafter“: „Jetzt mit einer Botschaft zu fahren und zu sagen, ich bin Teil eines Projekts, das die Welt besser macht, ist schon deutlich cooler als nur für einen Radhersteller oder irgendeinen Sponsor zu fahren.“

Sylvan Adams weiß, dass er mit seiner Mannschaft eine große sportpolitische Verantwortung übernommen hat. Er ist sich „der großen Fallhöhe bewusst“ („taz“). Denn was passiert, wenn einer seiner „Friedensbotschafter“ mit Dopingmitteln erwischt wird? „Das würde für unser Team ganz besonders schrecklich sein“, räumt der Radsport-Enthusiast ein. Deshalb wählten seine Sportlichen Leiter für ihr Team solche Fahrer aus, die als besonders charakterstark gelten.

 

Es gibt auch zwei arabische Teams – aber ohne Araber

In der Champions League des Radsports fahren unter den 19 Teams auch zwei arabische Mannschaften (Bahrain-Merida und UAE Team Emirates). Bisher hat es mit ihnen noch keine wesentlichen Probleme gegeben. Was daran liegen mag, dass kurioserweise mit diesen Teams keine arabischen Fahrer an den Start gehen, sondern nur Ausländer.

Aber Konflikte mit Muslimen gibt es öfter. So hatte der israelische Rennstall nur einige Monate einen muslimischen Türken unter seinen Rennfahrern. Radikale türkisch-muslimische Gruppierungen wollten jedoch nicht, dass ein Türke für Israelis Rennen fährt. Schnell war dessen Familie zu Hause massiven Repressalien ausgesetzt. Der türkische Sportler kapitulierte schließlich, um das Leben seiner Familie nicht zu gefährden: Mit großem Bedauern verließ er das israelische Team.

Auch die muslimischen Araber im Nahen Osten beäugen die israelische Mannschaft zumeist auffällig feindselig. Und bisweilen sind, so schreibt auch der „Spiegel“, die arabischen Länder ein „Problem, die regelmäßig israelischen Sportlern die Einreise verweigern oder sich grob unsportlich verhalten“. Aber das ficht Sylvan Adams kaum an. Der umtriebige Chef von „Israel Start-Up Nation“ ist fest davon überzeugt, dass sein Rennstall international Furore machen wird. Die NZZ meint: „Der Velosport hat einen neuen, äußerst ehrgeizigen Player.“ Jetzt müsse „nur noch die Leistung mit den Erwartungen mithalten“.

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