Arabischer Brief an Theodor Herzl: „Guter G‘tt, historisch betrachtet ist es wirklich Ihr Land!“

Wie sich die Nation Israel zu Beginn des 20. Jahrhunderts schon vor der offiziellen Staatsgründung heranbildete.

Die Altstadt von Jerusalem mit dem christlichen, dem moslemischen, dem jüdischen und dem (ebenfalls christlichen) armenischen Viertel.

Von Karl Pfeifer

Die Behauptung „Ein Land ohne Volk für ein Volk ohne Land“ ist zu einem antizionistischen Stehsatz geworden, der unterstellt, die Zionisten hätten nicht wahrgenommen, dass in Eretz Israel Araber lebten. Doch dieses Zitat stammt von Lord Shaftesbury, einem frommen Christen, der in den 1840er Jahren, wie viele andere britische Christen, daran glaubte, dass nach Auflösung des Osmanischen Reiches die Juden in das Land ihrer Vorfahren zurückkehren sollten. Diese Rückkehr sollte das zweite Erscheinen des christlichen Messias bewirken.

Eretz Israel war bis zur britischen Eroberung 1917 keine politisch unabhängige geografische Einheit, sondern Teil des Osmanischen Reiches. Die Juden im Lande sahen in den Arabern vor dem Ersten Weltkrieg keine separate Nation und nahmen sie nur als Muslime oder Christen wahr. Sie selbst wurden vom Osmanischen Reich ja auch nur als eine Religionsgemeinschaft von „Schutzbedürfigen“ (dhimmi) wahrgenommen. Bei der arabischen Elite führte erst das Erstarken der jüdischen Besiedlung am Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts zu Unabhängigkeitsbestrebungen. Zu dieser Elite gehörte auch Jusuf Khalidi, Vorsitzender des Stadtrates von Jerusalem, der 1899 einen privaten Brief an den Pariser Oberrabiner Zadok Kahn sandte mit der Bitte diesen an Theodor Herzl weiterzuleiten. Khalidi hatte zuvor das Buch „Der jüdische Staat“ gelesen und dessen Autor als „jüdischen Patrioten“ qualifiziert. Khalidi fand die zionistische Idee „völlig natürlich, gut und richtig“ und gab zu: „Guter Gott, historisch betrachtet ist es wirklich ihr Land“. Doch er verwies auf die mögliche Reaktion der Muslime und Christen, deshalb sei es nötig, dass die zionistische Bewegung „innehalte“.

Herzl antwortete Khalidi direkt: „Wie sie selbst sagen, haben die Juden keine Militärmacht hinter sich. Als Volk haben sie vor langer Zeit ihren Geschmack am Krieg verloren, sie sind ein durchaus friedliches Element und ganz zufrieden, wenn man sie in Ruhe lässt. Deswegen gibt es absolut keinen Grund, Angst vor ihrer Einwanderung zu haben.“ Herzl wies auch darauf hin, dass Muslime und Christen vom Zionismus profitieren würden. „Glauben Sie, dass ein Araber, der Land- oder Hauseigentümer ist, bedauern würde, wenn der Wert seines Eigentums sich auf das fünffache oder zehnfache steigert?“

Natürlich bedauerten die arabischen Landbesitzer nicht, dass sie sogar Sand- und Sumpfgebiete zu einem völlig überhöhten Preis an Juden verkaufen konnten. Doch das löste bei ihnen keine Sympathie für die Käufer aus, da es sich um von ihnen verachtete „Dhimmi“ handelte.

Der Jerusalemer Stadtrat wurde nur von einem engen Kreis gewählt, die meisten Räte waren Angehörige prominenter Notabelnfamilien, wie den Alamis, Husseinis, Asalis, Khalidis und Dajanis. Die Muslime waren immer in der Mehrheit, aber der Druck der Konsuln führte dazu, dass auch einige christliche und jüdische Räte zugelassen wurden. Ein türkischer Beamter in Jerusalem schilderte 1906 in einem Schreiben an den Großwesir in Konstantinopel die Verhältnisse: „In einem Land, in dem mehr als die Hälfte seiner Bewohner fremde Staatsangehörige sind, ist es in städtischen Angelegenheiten unmöglich, die Ausländer als nicht-existent zu betrachten. Das ist der Grund dafür, weshalb die Konsuln danach streben, in den Angelegenheiten der Stadtverwaltung vor allem in der Praxis beteiligt zu sein.“

 

Eine Nation bildet sich

Bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts konnte man feststellen, dass während der vergangenen 20 Jahre eine neue Generation in Eretz Israel herangewachsen war. Die Erziehung dieser gründete auf der neuen zionistischen Ideologie, auf dem Benutzen der hebräischen Sprache, der Entwicklung einer neuen zionistischen nationalen Kultur. Es waren Personen aus dem alten Jischuv, wie Elieser Ben-Yehuda, der Erneuerer der hebräischen Sprache und andere, die dafür die Initiative ergriffen. Überall in Eretz Israel wurden öffentliche hebräische Büchereien, Schulen und Kindergärten eröffnet. Die hebräischsprachigen Lehrer gründeten eine Lehrergewerkschaft und wanderten mit ihren Schülern im Land, um die Liebe zum Land zu wecken.

In seiner Autobiographie vermerkte der erste Präsident Israels, Chaim Weizmann, die Differenzen der russischen Juden – die sich für die sofortige Einwanderung nach Eretz Israel aussprachen – mit dem politischen Zionismus von Theodor Herzl, für den der praktische Zionismus fremd war.

„Heute verstehe ich das Wiener Milieu, in dem Herzl aufwuchs – so fern von all unseren Schwierigkeiten – insbesondere wenn ich ihn mit anderen Wiener jüdischen Intellektuellen seiner Zeit oder knapp nachher vergleiche, Schnitzler, Von Hofmannsthal, Stefan Zweig – all diese talentierten Männer – bin ich erstaunt über die Größe von Herzl, über die Tiefe seiner Intuition, welche ihn befähigte so viel von unserer Welt zu verstehen… Mit all den Begrenzungen und seinen großartigen Fähigkeiten und seiner kompletten Hingabe, hat er der Sache unberechenbaren Dienst geleistet.“

Während des sechsten zionistischen Kongresses 1903 wurden zwei wichtige Beschlüsse über den Beginn der Tätigkeit der zionistischen Bewegung in Eretz Israel gefasst:

1.) Der jüdische Nationalfonds sollte sofort beginnen Land zu kaufen und es wurde ein kleines Budget für Forschung bereitgestellt.

2.) Die Anglo Palestine Company in Jaffa sollte die zionistische Organisation in Erez Israel vertreten.

Nach dem frühen Tod von Theodor Herzl folgte David Wolffsohn als Präsident der zionistischen Bewegung. Er versuchte wie Herzl von der osmanischen Regierung eine Charta zu erlangen, was ihm nicht gelang. Der politische Zionist Wolffsohn versuchte eine Brücke zu bauen zu den praktischen Zionisten. Der achte zionistische Kongress 1907 bestätigte die Entscheidung von Wolffsohn den deutsch-jüdischen Rechtsanwalt und Soziologen Dr. Arthur Ruppin (1876 – 1943) ins Land zu senden. Ruppin hat nach seiner Reise im Mai 1907 einen detaillierten Bericht präsentiert, in dem er den Plan skizzierte, ein N-förmiges von Juden dicht besiedeltes Gebiet zwischen Jaffa und dem See Genezareth zu schaffen.

Ruppin schilderte in seiner Autobiographie die furchtbare Armut seiner Kindheit in Rawitsch bei Posen. Er wurde als 15-jähriger Lehrling in einer Getreidehandelsfirma und hatte beschlossen genug Geld zu verdienen, um an der Universität Volkswirtschaft, Philosophie und Rechtswissenschaft zu studieren. Später begann er sich für die Soziologie und Demographie des Judentums zu interessieren. Er veröffentlichte eine Reihe von Untersuchungen, die viele Jahre als Standardwerke galten.

1908 wurde der damals 31-jährige Ruppin zum Leiter der zionistischen Organisation in Eretz Israel mit Sitz in Jaffa, und nicht in Jerusalem gemacht. In Jaffa kamen die jüdischen Einwanderer an und deshalb wählte später auch der neue Jischuv diese Stadt als vorläufiges Zentrum. „Was kann getan werden?“, fragte Ruppin nach seinem ersten Besuch Jerusalems und antwortete selbst: „Wir müssen das Chalukka-System, von dem die meisten Juden immer noch leben, abschaffen und durch Arbeit ersetzen.“

 

Auf die religiösen Juden Jerusalems blickten die modernen Juden herab

Die frühen zionistischen Einwanderer und vor allem die Sozialisten, die mit der Zweiten Alija in großer Anzahl nach 1904 ins Land kamen, blickten auf Jerusalem herab. Besonders verachteten sie, was sie als das Parasitentum der strenggläubigen Jerusalemer Juden ansahen, nämlich deren Abhängigkeit von der Wohltätigkeit der Juden in Europa und Nordamerika. In der hebräischen Literatur gab es während der letzten zwei Jahrzehnte des 19. Jahrhunderts viel Liebe zu Zion und Jerusalem. Die modernen Dichter und Romanschriftsteller jedoch, die Anfang des 20. Jahrhunderts wirkten, wie Chaim Nachman Bialik, Josef Chaim Brenner, Nathan Alterman und Avraham Schlonsky hatten nichts übrig für Jerusalem. David Ben Gurion, der erste Ministerpräsident von Israel besuchte erst drei Jahre nach seiner Alija, die Stadt, die er ein paar Jahrzehnte später zur Hauptstadt Israels machte.

Der osmanische Gouverneur und die Eifersüchteleien unter Christen

Erst 1995 wurden die Depeschen und Dokumente von Ali Ekrem veröffentlicht, der zwischen 1906 und 1908 als osmanischer Gouverneur in Jerusalem amtierte. Er schilderte wie er in der ersten Woche seines Aufenthaltes in Jerusalem zur Schlichtung eines Streits gerufen wurde. Der griechisch-orthodoxe Patriarch schenkte dem muslimischen Schlüsselbewahrer der Grabeskirche ein neues Kissen, worüber sich der lateinische (katholische) Patriarch beim Gouverneur beschwerte. Wenn lediglich der griechisch-orthodoxe Patriarch das Recht hat neue Kissen zu schenken, dann würde das heikle Gleichgewicht zwischen den Religionsgemeinschaften verändert. Nachdem Ekrem mehrmals mit beiden Würdenträgern gesprochen hatte, bestimmte er an welchen Feiertagen wer ein Kissen schenken dürfe.

Als er eines der größeren Dörfer in der Umgebung aufsuchte, wurde er eingeladen in jedem der drei dort befindlichen Klöster zu Mittag zu essen. Um keinen Streit zwischen dem griechischen, katholischen und armenischen Kloster aufkommen zu lassen, beschloss Ekrem alle Einladungen anzunehmen, aber nur wenig zu essen.

In der französischsprachigen Broschüre „Unser Programm“ war der Text einer hebräischsprachigen Rede von Menachem Ussischkin enthalten. Dieser zionistische Führer beschrieb die Lage in Eretz Israel als Konkurrenz zwischen Juden und Arabern. Der Sieg wird an diejenigen gehen, die mehr Geld investieren und eine gut funktionierende Infrastruktur schaffen. Er resümierte „Die Juden müssen siegen“.

Das Technion, die weltberühmte Technische Universität Israels mit Sitz in Haifa. Erste Unterrichtssprache war Deutsch.

Nachdem Ekrem diese gelesen hatte, berichtete er darüber an den Palast. Seine Vorgesetzten verstanden nicht, wieso so viele Juden, die ihre Pässe in Jaffa den Behörden übergeben mussten und im Land blieben, nicht von der Polizei gefunden werden konnten. In Jaffa zählte man im Hafenbüro 2.373 Pässe. Ekrem schrieb seinen Vorgesetzten: „Die Juden in Jerusalem sind stärker als irgendeine unserer Schätzungen.“ Er erklärte, wenn ein Jude nach Jerusalem kommt, „dann ist er in seinem Land, in seiner Heimat in seinem Heim.“ Die Polizei kann ihn nicht finden, weil seine Freunde ihn beherbergen. Er wandert von Haus zu Haus und bleibt nirgendwo lange. Es macht ihm nichts aus, dass er keine fixe Adresse hat, so lange er in Jerusalem leben kann. Ekrem bat um mehr Polizeistationen und um mehr Polizisten und sogar um ein Polizeiboot für den Hafen von Jaffa, der verhindern sollte, dass Menschen ohne Kontrolle an Land gehen. Doch dafür gab es kein Geld.

Die Araber verachtete Ekrem aber noch mehr als die Juden. Er beschrieb sie als Insekten und Hunde. Manchmal erwähnte er die Familien, die ihn verärgerten in einem langen Wort „Khalidi-Naschaschibi-Husseini“, aber er nannte sie auch kurz und bündig „die Korrupten“. In seinen Berichten an den Palast schrieb er über seine Schwierigkeiten „mit den Juden und den Korrupten“.

Im August 1908, einen Monat nach der Machtergreifung junger Armeeoffiziere, die sich Jungtürken nannten, gab es eine Feier in Jerusalem und Ekrem begann seinen Bericht pathetisch „Die Stimmen des Glücks der Stadt Jerusalem, für die es kein Beispiel gibt in der ganzen Welt…“ um sich dann über Gerüchtemacher zu beschweren.

Ekrem schrieb kurz danach einen Bericht an den Innenminister, in dem er diesen über neue arabische Schulen und Klubs informiert. „Die Erklärung einer Verfassung und ihre Durchführung haben allmählich Unabhängigkeitsgefühle unter den Arabern erweckt…Diese Idee ist gegenwärtig geheim, aber man kann fühlen, dass das Volk in diese Richtung tendiert.“

Er bat Konstantinopel etwas dagegen zu tun. „Es ist meine Meinung, dass das Konzept der Freiheit hier zum bedauerlichen Missbrauch führen wird…Die korrupten Banden der Vornehmen, welche die analphabetische lokale Bevölkerung als ihre Beute sehen, werden die Idee der Freiheit als ein wichtiges Mittel des Ungehorsams und der Revolte betrachten.“ Er schlug vor, für hohe Posten in Jerusalem nur Türken und keine Araber zu ernennen. Die Araber waren dagegen, das Türkisch die offizielle Sprache des Staates war und forderten das Recht, die offiziellen Schreiben und Petitionen auch in arabischer Sprache schreiben zu dürfen. Sie missbilligten, dass sie im Gericht einen türkischen Übersetzer anheuern mussten, wenn sie ihr Begehren nicht in türkischer Sprache vorbringen konnten.

Die Einwanderer der zweiten Alija hatten viele Probleme zu bewältigen. Ein Problem der Siedlungen waren die arabischen Wachleute, die verdächtigt wurden, oft mit arabischen Dieben gemeinsame Sache zu machen. Damals zur Zeit der Pogrome in Russland entwickelte sich die Idee der Selbstverteidigung unter den osteuropäischen Juden, die von den Juden in Eretz Israel an die lokalen Bedingungen adaptiert wurde. Im April 1909 wurde der „Haschomer“ (Die Wache) gegründet und bald wurden die Felder, das Eigentum der jüdischen Siedler und auch ihr Leben von jüdischen Wachleuten verteidigt. Was von den türkischen Behörden und den Arabern nicht gerne gesehen wurde.

Auch in Jerusalem entstand eine zionistische Gemeinschaft, die Hebräisch sprach, eine hebräischsprachige Bibliothek, moderne Schulen und Kindergärten, eine Akademie für Lehrer und die Bezalel-Kunstschule betrieb. 1909 wurde das zweite hebräische Gymnasium eröffnet. Viele Sefardim gehörten diesem aufgeklärten Teil der jüdischen Gemeinschaft an.

Jüdische Firmen wurden in Jerusalem gegründet, die Bücher und Zeitungen druckten und auch die Leichtindustrie entwickelte sich sowie der Bausektor, Geschäfte, Handel und sogar Beherbergungsunternehmen für Touristen. Doch es gab noch immer das Chalukka-System in der Stadt. Vor dem Ersten Weltkrieg waren von den 70.000 Einwohnern 45.000 Juden. Doch war es klar, falls eines Tages schwere Zeiten kommen sollten, die Juden Jerusalems diese nicht durchstehen könnten.

 

Der Balkan steht auf gegen das Osmanische Reich

Ab 1912 hatte das Osmanische Reich mehrere politische Konflikte zu bewältigen. Serbien, Bulgarien und Griechenland gründeten eine Balkan-Liga. Im Oktober 1912 erklärte der König von Montenegro dem Sultan den Krieg und eine Woche später haben sich die anderen drei Balkan-Länder angeschlossen. Sie forderten ethnische Autonomie in den von den Osmanen kontrollierten europäischen Provinzen. Die osmanische Armee wurde mobilisiert, doch angesichts der schweren Verluste gab das Osmanische Reich nach und willigte in einen Waffenstillstand und später in Friedensverhandlungen ein.

Die Jungtürken hatten aber auch zuhause Probleme. Eine liberale Partei entstand, die im Juli 1912 die Wahlen gewann. Doch im Januar 1913 putschten die Jungtürken wieder, sie drangen mit Gewalt in den Palast, erschossen den Kriegsminister und stellten die anderen Regierungsmitglieder vor die Wahl, zurückzutreten oder erschossen zu werden. Alle traten sofort zurück.

Das Triumvirat Ismail Enver, Mehmed Talaat und Ahmed Dschemal regierten das Osmanische Reich bis zur Niederlage am Ende des Ersten Weltkriegs. Eine der ersten Aktionen der neuen Regierung war den Kampf gegen die Balkan-Liga wieder aufzunehmen, um verlorene Gebiete zurückzuerobern. Doch im März 1913 sahen sich die osmanischen Truppen in Adrianopel (Edirne) gezwungen, sich der bulgarisch-serbischen Armee zu ergeben. Ismail Enver gelang es Adrianopel zurückzuerobern, doch im Londoner Friedensvertrag vom Mai 1913 hatte das Osmanische Reich mit Ausnahme eines kleinen Gebiets rund um Konstantinopel alle europäischen Besitzungen verloren und damit den größten Teil seiner christlichen Bevölkerung.

Ruppin sah in dieser Entwicklung eine Bedrohung des zionistischen Aufbauwerkes, denn das Osmanische Reich wurde nunmehr in der großen Mehrheit muslimisch. Er meinte entweder werde das Regime alle Zeichen des Nationalismus unterdrücken oder aber würde es den Arabern entgegenkommen. Ruppin folgerte, die Regierung würde sich noch stärker gegen die Einwanderung von Juden und gegen deren Landerwerb stellen. In einem Memorandum vom Januar 1913, über die Ergebnisse der letzten zwei Jahren brachte er es auf den Punkt: „Die Araber werden von dieser … Krise gestärkt herauskommen.“ Doch seine Bilanz war positiv, „ein beträchtliches Gebiet“ wurde in dieser kurzen Zeit erworben, fast 50.000 Dunam (ein Dunam = knapp 1000 m2) im ganzen Land. In den Städten, so auch in Jerusalem gab es Landkäufe. Diese waren notwendig „um uns für die zu erwartenden schweren Zeiten zu bestärken“.

Doch natürlich hatten die Juden nicht genug Land. Um weiteres zu erwerben war es notwendig dieses von arabischen Besitzern zu erwerben. Doch „wenn das arabische Nationalbewusstsein bestärkt wird“, kam der Bericht zum Schluss, „dann werden wir einen Widerstand erleben, der vielleicht mit Geld nicht mehr beseitigt werden kann… sollten die Araber den Verkauf ihres Landes an Juden als ein nationales Unglück und als Verrat betrachten, dann wird die Situation für uns beträchtlich schwieriger.“

Ruppin nahm neben der Erstarkung des Jischuv auch die Tatsache wahr, dass die Araber in Eretz Israel begannen sich von der Loyalität zum Osmanischen Reich abzusetzen, was die zionistischen Ziele bedrohte. „Bislang sind die Araber nicht organisiert und nicht stark genug, um sie gegenwärtig als Bedrohung zu empfinden.“ Doch das könnte sich sehr schnell ändern, meinte er bei einem privaten Gespräch. „Wir müssen mit einem Feind rechnen, der sehr ernstgenommen werden muss in naher Zukunft“.

1913 waren sich die führenden zionistischen Persönlichkeiten einig, dass Hebräisch die Sprache im Gelobten Land werden wird. Ruppin hatte jahrelang versucht die Sprache zu erlernen. In diesem Jahr zog S.Y. Agnon, der bedeutende hebräische Schriftsteller und spätere Nobelpreisträger in Ruppins Haus, um ihm in seiner Freizeit die Sprache beizubringen. Doch auch er war erfolglos. Ruppin machte sich Sorgen, ein schlechtes Beispiel abzugeben. In seinem Tagebuch merkte er an, Hebräisch muss die Sprache des Jischuv werden, denn sonst kommt es zum Streit zwischen den Befürwortern von Arabisch, Deutsch und Französisch.

Zunächst war damals am Technion (TU) in Haifa die Unterrichtssprache Deutsch, doch bald sollte sich das ändern und auch dort wurde wie in den meisten jüdischen Schulen Hebräisch die Unterrichtssprache. Die arabische Zeitung „Filastin“ qualifizierte das Hebräische als „nutzlos für die Welt“ in einem Leitartikel, „ausgenommen als Waffe des Zionismus.“

Hebräisch war nicht nur die Sprache der Bibel, sondern wurde während der nächsten Jahrzehnte zu einer lebendigen Sprache des Jischuvs und später des Staates Israel.

Auch die moderne hebräische Literatur hat die Weltliteratur bereichert und heute gibt es in den meisten arabischen Staaten an den Universitäten Lehrstühle für Hebräisch.

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