Albert Memmi: Der Mythos einer idyllischen jüdisch-arabischen Koexistenz in den muslimischen Ländern

Kurz vor seinem 100. Geburtstag ist der tunesisch-jüdische Schriftsteller gestorben, der u.a. über die Unterdrückung der Juden in moslemischen Ländern schrieb.

Der Schriftsteller Albert Memmi 2005 auf der 11. Maghrebinischen Buchmesse in Paris.
© Boyan Topaloff , AFP

Von Karl Pfeifer

Vor 30 Jahren führte ich in Paris mit dem französisch-jüdischen Schriftsteller und Soziologen Albert Memmi ein Interview. Seine Geduld mit mir, dessen Französisch nicht sehr elegant ist und seine Aussagen – Form und Inhalt – beeindruckten mich tief.

Im Dezember 2019 gratulierte ich ihm zum 99. Geburtstag und plante vor seinem 100. Geburtstag wieder ein Interview mit ihm zu führen. Dazu wird es leider nicht mehr kommen, denn am 22. Mai 2020 starb Albert Memmi in Paris.

Sein 1953 in Paris erschienenes erstes autobiographisches Buch „Die Salzsäule“ kam in deutscher Sprache erst 1963 heraus und die DDR brauchte weitere 15 Jahre, um dieses wichtige Buch nachzudrucken.

In seinem kurzen Vorwort zur ersten französischen Ausgabe der „Salzsäule“ sagte Albert Camus, dass „hier das Leben eines Menschen beschrieben wird, dem es unmöglich ist, sich als tunesischer Jude mit französischer Bildung in irgendeiner Form zu definieren: Seine Kultur ist Französisch und in seiner Klasse ist er der einzige Schüler, der Racine so versteht, wie man ihn verstehen muss.“

In der „Salzsäule“ findet man all die Themen, die Memmi auch später beschäftigten, die Frage der mehrfachen Identität, der Übergang von einer sehr einfachen und armen Welt in die der Kultur, Tunis und Frankreich, Juden und Araber.

13 Kinder im Getto von Tunis

Albert Memmi wurde am 15. Dezember 1920 in einem Viertel von armen Juden in Tunis geboren. Sein Vater war Schirrmacher und seine schöne, lustige Mutter, die sich um 13 Kinder zu kümmern hatte, war Analphabetin.

Das Getto von Tunis, so skizziert Memmi seine Geburtsstadt, „war von Armen bewohnt, die gerade so viel verdienten, um sich Brot, Öl und Oliven für den Tag zu kaufen, einmal in der Woche ein bisschen Fleisch.“ Aber eben diese armen Juden, so Memmi, „meditierten Tag für Tag über das Schicksal des Menschen, von dem sie nur das Beste hielten. Sie waren es, die mich gelehrt haben, dass es in jedem menschlichen Wesen, selbst in dem elendsten, etwas Heiliges gibt.“

Memmis Muttersprache war der von Juden gesprochene tunesische arabische Dialekt. Zuerst lernte er in einer religiösen jüdischen Schule und kam als Siebenjähriger in eine Volksschule der Alliance Israélite, die bereits seit 1878 in Tunesien Schulen für Juden betrieb, deren Unterrichtssprache natürlich französisch war. Als Zwölfjähriger gewann er ein Stipendium und die jüdische Gemeinde in Tunis erklärte sich bereit, erst das Gymnasium und dann die Universität zu bezahlen.

Am Lycée Carnot wurde ihm „erstmals schmerzlich bewusst, was es heißt Jude zu sein.“

Nach einer Prügelei mit einem Mitschüler, Sohn italienischer Einwanderer, bemerkte Memmi: „Die noch nicht lange Eingebürgerten und die Nationalgesinnten von nicht ganz eindeutiger Herkunft sind fremdenfeindlicher und rassenbewusster als die anderen.“

1939 legte Memmi die Reifeprüfung ab und gewann den höchsten Philosophiepreis des Landes. Er inskribierte an der Universität von Algier, aber nach Beginn des Krieges wurde er aus Algerien ausgewiesen und musste nach Tunis zurückkehren. Memmi begeisterte sich für die französische Kultur und die Prinzipien der Französischen Republik. Er vergaß für eine Weile seinen Zionismus und sah die Lösung aller Probleme im Sozialismus. Bald musste er während der Herrschaft der Vichy-Regierung erkennen, dass den meisten Franzosen und Muslimen das Leiden der Juden gleichgültig war. 1943 erlebten die Juden sechs schreckliche Monate der deutschen Besatzung. Junge Juden im Alter von 18 bis 28 Jahren wurden zu Zwangsarbeitern in Lagern. Memmi, der einen ärztlichen Attest hatte, meldete sich freiwillig in ein Lager und ist dann geflüchtet. Einzelne Juden wurden in die europäischen Vernichtungslager deportiert und es gab auch willkürliche Hinrichtungen in Tunesien.

Kommunist zu sein, ist eine Wahl – Jude nicht.

Memmis Glaube an den westlichen Humanismus wurde erschüttert: „Das Europa, das wir bewunderten, respektierten und liebten, nahm seltsame Gesichter an, sogar das demokratische, brüderliche Frankreich lieh sich das Gesicht von Vichy… Ich lernte die harte Lektion, dass mein Schicksal [als Jude] nicht notwendigerweise übereinstimmt mit dem Schicksal Europas…. Geschichte wird ohne uns gemacht, Vichy hatte prompt seine Juden ausgefolgt. Sagen Sie mir nicht, dass es auch die Kommunisten und Freimaurer aufgab! Kommunist zu sein ist eine Wahl, die man frei trifft.“ 1962 drückte er diesen Gedanken so aus: „Jude zu sein … ist keine Wahl, es ist vor allem Schicksal.“

Nach dem Krieg studierte er wieder an der Universität in Algier und beendete sein Studium der Philosophie an der Sorbonne in Paris. Auch dort spürte er, als Nordafrikaner und Jude, nicht ganz dazuzugehören.

1949 zog ihn die tunesische Unabhängigkeitsbewegung zurück in sein Heimatland, vom Universalisten wurde er graduell zum tunesischen Nationalisten und zum Mitbegründer des Magazins „Jeune Afrique“, dessen Kulturrubrik er mehrere Jahre redigierte. Doch seine Liebe für sein Heimatland wurde nicht erwidert.

Nach der Unabhängigkeit 1956 wurde sehr bald der Islam offizielle Staatsreligion, das Erziehungssystem arabisiert und man ließ die Juden wissen, dass sie nicht erwünscht sind. Obwohl „wir da waren vor dem Christentum, und lange vor dem Islam“ protestierte Memmi, wurden sie nicht als echte Tunesier betrachtet. In dem neuen Staat machte eine Serie von antijüdischen Verordnungen den armen Juden die Existenz fast unmöglich. Memmis Hoffnungen auf eine laizistische, multikulturelle Republik gleicher Bürger wurden zerstört. Das hat ihn tief verwundet: „Der Grund, dachten wir, ist fest, doch er wurde uns unter den Füßen weggezogen.“ Er brachte es so auf den Punkt: „[Tunesiens Präsident] Burgiba war vielleicht niemals judenfeindlich, aber seine Polizei kam immer zu spät, wenn die Geschäfte der Juden geplündert wurden.“

Exodus der unerwünschten tunesischen Juden

Memmi und andere jüdische Intellektuelle mussten erkennen, dass sie sich geirrt hatten und die einfachen – zumeist religiösen Juden – Recht gehabt hatten. Der Fehler der Intellektuellen, argumentierte er, war ihr Beharren darauf, dass sie nur Tunesier seien und ihr Vertrauen, dass ihre muslimischen Mitbürger sie als solche anerkennen werden.

Es kam zu einem Exodus der tunesischen Juden, die meisten gingen nach Israel, einige nach Frankreich, und noch mehr verließen das Land nach 1967. Albert Memmi ging 1956 nach Paris, wo er als Professor an der Sorbonne, Romanschriftsteller und Publizist bis an sein Lebensende wirkte.

1958 veröffentlichte Memmi sein Buch „Das koloniale Problem und die Linke“ und er zeigte bereits damals auf, was ein großer und einflussreicher Teil der Linken in Westeuropa und den USA in den darauffolgenden Jahrzehnten praktizierte. Eine bipolare Haltung zu den früher kolonisierten Ländern und zum Nationalismus. Sie lobten die vermeintliche Revolution arabischer Diktaturen. Dabei hatten sie da ein Problem. Diese Regime waren rabiat nationalistisch und die Linke hatte in den hundert Jahren zuvor eine prinzipielle, antinationalistische Position eingenommen.

Plötzlich wurde Israels Existenz nützlich. Der jüdische Staat ermöglichte es den Linken ihre heftige Kritik am Nationalismus auszudrücken. „Allerdings nur im Fall eines kleinen Staates, während sie vor der antiimperialistischen und schrillen nationalistischen Rhetorik der Dritten Welt katzbuckelten. Das erklärt ihre Begeisterung für den kubanischen, vietnamesischen, chinesischen, algerischen und palästinensischen Nationalismus, während sie den Zionismus hassten.“

Memmi rief ein Jahrzehnt vor dem Sechstagekrieg zu einer Neuorientierung auf, zu einer Anerkennung aller nationalen Befreiungsbewegungen inklusive des Zionismus.

Nicht-religiöse Juden, die Juden bleiben wollen

In seinem 1962 erschienenen Buch „Portrait d’un Juif“ prägte Memmi das neue Wort judéité, dass er so definierte: „Die Tatsache Jude zu sein, ein Komplex der soziologischen, psychologischen, biologischen Eigenschaften, die einen Juden ausmachen“. Das könnte in der deutschen Übersetzung Jüdischsein bedeuten, oder man müsste ein neues Wort kreieren, Judäität. Womit die zahlreichen Juden, die der Tradition und der religiösen Praxis entfernt sind, besser ihren Wunsch – Juden zu bleiben – beschreiben können. In seinem Buch Juifs et Arabes (1974) hinterfragt er den Mythos einer idyllischen Koexistenz in den muslimischen Ländern. Er erinnert daran, auch wenn die Juden da nicht dieselbe mörderische Gewalt wie im christlichen Europa erfahren haben, gibt und gab es für Minderheiten in nicht-demokratischen Ländern nur Situationen der Unterwerfung (dhimmitude) und meistens auch der Rechtslosigkeit.

Den arabischen und linken Denkern, die postulierten, die „arabischen Juden“ sollten aus Israel heimkehren, gab er in diesem Buch eine eindeutige Antwort: „Es ist jetzt zu spät für uns, arabische Juden zu werden. Nicht nur die Heime der Juden in Deutschland und Polen wurden niedergerissen und in alle vier Windrichtungen verstreut, sondern auch unsere Heime. Objektiv gesprochen, gibt es keine jüdischen Gemeinden in irgendeinem arabischen Land und sie werden nicht einen einzigen arabischen Juden [Juif-Arabe] finden, der bereit wäre in sein Geburtsland zurückzukehren.“

Nach dem Jom-Kippur-Krieg 1975 veröffentlichte er seine Essays unter dem Titel „Juden und Araber“. Obwohl er eine Koexistenz zwischen den beiden als möglich sieht, erklärt er, dass die Juden „eine sehr ernste Rechnung“ mit den Arabern offen haben. Das beinhaltete die Behandlung der Juden, als sie noch in arabischen Ländern lebten, die arabische Weigerung Israel anzuerkennen und das umstrittenste Problem, den arabisch-jüdischen Bevölkerungstransfer, den es seit 1948 gab. Dieser Transfer war eine Tatsache und die einzige Basis für einen Frieden. Er zeigte auf, dass der Wunsch der „Palästinenser“ nach Rückkehr, d.h. dass die Nachkommen derer, die 1948 geflohen waren, nach Israel zurückkehren, illusorisch und friedensfeindlich ist.

Bevölkerungsaustausch war notwendig

Memmi wagte eine Wahrheit zu artikulieren, die bis heute Tabu ist: „Wagen wir es auszusprechen, es hat einen de facto Bevölkerungsaustausch gegeben“ Zwei Bevölkerungsgruppen haben eine nakba, eine ethnische Vertreibung erfahren. Während die „palästinensische“ Situation „tragisch“ war, ist ihr Problem weder unlösbar noch eine welthistorische Katastrophe. „Wenn sie es richtig begreifen, ist das Unglück der palästinensischen Araber, dass sie 50 km versetzt wurden …. Wir [orientalische Juden] wurden tausende von Kilometer entfernt, nachdem wir auch alles verloren haben.“ Er besteht darauf, dass dieser Bevölkerungsaustauch nicht rückgängig gemacht werden kann oder soll, trotz der arabischen Weigerung, die Endgültigkeit des Ersten und die Realität des Zweiten anzuerkennen. „Israel zu zerstören, um die Palästinenser zu kompensieren, wäre mit den Mitteln eines Verbrechens einen Ausgleich zu schaffen.“

Für jüdische Kommunisten war jüdische Identität ein egoistischer Hinterhof, jüdischer Nationalismus reaktionär. Von jüdischen Linken erwartete man, dass sie für andere kämpfen, unbedingten Altruismus, um in und von der sozialistischen Gemeinschaft akzeptiert zu werden. Er bemerkte dazu sarkastisch: „Niemand kann ihn irgendwie verdächtigen, er würde an sich und sein Volk denken. Er kämpft bedingungslos für die ganze Menschheit… Juden auf der Seite der Linken haben oft dankbar diese Bedingung akzeptiert, trotz ihrer offensichtlichen Torheit…Gibt es eine dümmere oder künstlichere Politik als jemand aufzufordern nur gegen solche Ungerechtigkeit zu kämpfen, deren Opfer er nicht ist?“

Memmi argumentierte, dass diese (Selbst)Verstümmelung Bestandteil der marxistischen

Analyse sei und deswegen, „das Scheitern der europäischen Linken bezugnehmend auf das jüdische Problem, kein Zufall war.“ Er betonte, dass das wesentliche Prinzip eine Lösung des arabisch-israelischen Konflikts die Gegenseitigkeit ist. „… Der ernste Maßstab [für die Beurteilung der Linken] ist, ob sie wirklich eine Vereinbarung wünschen, die gerecht wird der Existenz, der Freiheit und den Interessen beider Seiten“.

Sein 2004 publiziertes Buch „Entkolonialisierung und die Entkolonialisierten“ ist hauptsächlich gegen politische und militärische Führer („kriminelle Idioten“), ängstliche Intellektuelle und religiöse Fanatiker gerichtet. Er kritisiert die weitverbreitete Fixierung auf „ein archaisches goldene Zeitalter und eine leuchtende Zukunft“. Ein Phänomen, das insbesondere in der muslimischen Welt grassiert, um die machtlose Masse ruhig zu stellen.

Die postkolonialen Probleme sind ernüchternd: Hunger, Extreme der Armut und des Reichtums, ständige Kriege, Unterdrückung von Frauen, Verfolgung von Minderheiten, religiöser Fanatismus, reaktionäre Erziehungssysteme und Gewohnheiten, Vermischung von Politik und Religion, unterdrücktes intellektuelles Leben und der Mangel an demokratischen Freiheiten. „Es scheint die eitrigen Wunden, die diese jungen Nationen schwächen, sind endlos.“

Schuld wird giftig, wenn sie zur Blindheit führt

Memmi versteht das Schuldbewusstsein europäischer Linken, welche er als Nordafrikaner nicht teilt, aber er warnt: „Schuld wird giftig, wenn sie zur Blindheit führt“. Er beschreibt diejenigen, „die nicht länger kolonisiert sind“, jedoch „manchmal glauben es zu sein.“

In diesem Buch kritisierte er arabische Intellektuelle, insbesondere diejenigen, die im Westen leben und die das „sinnlose Phänomen der Selbstmordattentate“ ignorieren, selten ein Wort über die Lage der Frauen verlieren, und nichts über die Lage der Minderheiten sagen. Fast niemand wagte offen dem Taliban-Regime entgegenzutreten, und keiner wagte öffentlich Saddam Hussein zu verurteilen. Doch glücklicherweise gibt es ein Thema für tapfere Erklärungen: „Fast alle hatten eine Meinung über Israels Recht auf Existenz“.

Eine der Tragödien, die er erläutert, ist die Gewalt, welche die Kluft der Abwesenheit von zivilen Institutionen füllt. Ohne Rechtsstaat, wird die Macht durch das Gewehr und die Bombe vermittelt. Er weist darauf hin, dass die ehemals Kolonisierten ein Ende der Gewalt und des Terrors wünschen und er verurteilt den Verrat an diesem Wunsch. „Nach Jahrzehnten der Unabhängigkeit werden in Algerien noch immer die Kehlen durchschnitten, wird in Kuba noch immer gefoltert und werden nicht verschleierte Frauen im Iran und in Algerien noch immer verurteilt. Im Irak wurden Massengräber entdeckt, die vor einem Massaker flüchtenden zählen Hundertausende [seither Millionen], in Schwarzafrika werden ganze ethnische Gruppen massakriert… In Algerien hat die Armee die Herrschaft des Terrors eingeführt.“

Franko-Araber als „Zombies“

Ein Jahrzehnt vor den „Charlie Hebdo“- und „Bataclan“-Terrorangriffen in Paris analysierte Memmi das Dilemma von muslimischen französischen Staatsbürgern, insbesondere denjenigen, die in Frankreich von nordafrikanischen Eltern geboren wurden. Während die Generation der Eltern oft versuchte eine Assimilation anzustreben, rebelliert die jüngere Generation dagegen, ohne aber eine nachhaltige Alternative zu formulieren. Und er spricht aus, was tabuisiert ist:

„Der Sohn eines Einwanderers ist eine Art von Zombie. Er ist französischer Staatsbürger, aber fühlt sich kein bisschen französisch. Er ist nicht ganz Araber, er spricht kaum die [arabische] Sprache…Er wäre in Verlegenheit den Koran, den er bei Demonstrationen wie eine Fahne vor sich trägt, zu lesen.“

Die vielen Metamorphosen des Antisemitismus haben Memmi verdutzt, denn dieser gedieh in der westlichen Welt, im kommunistischen Block und in der Dritten Welt. Es gab ihn in verschiedenen ökonomischen Systemen, Religionen und Kulturen. „Keine Erklärung dieser Feindschaft… kann dieses Thema erschöpfen, kann mich beruhigen.“

Im „Portrait eines Juden“ verabschiedet er sich von einem allgemeinen Universalismus und entwickelt die Idee von der Notwendigkeit der nationalen Identität. „Wirkliche Gerechtigkeit, wirkliche Toleranz und die universelle Brüderlichkeit verlangen nicht, die Differenz zwischen Menschen zu negieren, sondern deren Anerkennung und vielleicht auch Wertschätzung. Juden hatten insbesondere einen hohen Preis für abstrakten Universalismus zu bezahlen, der ihre besondere Geschichte und besonderen Bedürfnisse unterdrückte. Nun ist die Zeit gekommen, die Wahrheit anzuerkennen, die sowohl existenziell als auch politisch ist: Ich bin überzeugt, dass der Unterschied, die erforderliche Bedingung für jegliche Würde und Befreiung ist… Zu sein bedeutet, verschieden zu sein.“

Ohne Israel keine jüdische Würde

Memmi sah Israel als den Mittelpunkt der jüdischen Identität, „nur diese kollektive Autonomie gibt uns endlich den Mut und den Geschmack für Freiheit, die allein die Basis der Würde sind.“

Er erlebte, wie die europäische Linke nicht mehr auf die Schattenseiten der Dritten Welt achtete bzw. wie behauptet wurde, diese verdiene immer die Unterstützung. Das war destruktiv: denn dies „führt zu der Duldung von allen möglichen Exzessen – Terrorismus, Xenophobie und soziale Reaktion“.

Memmi erinnerte sich „Kein Mitglied irgendeiner Minderheit konnte in Frieden und Würde leben in einem überwiegend arabischen Land!“ Die Muslime wurden von den Kolonialmächten kolonisiert, aber die Juden darüber hinaus „beherrscht, gedemütigt und bedroht und gelegentlich massakriert.“ Und er stellte eine unbequeme Frage: „Und von wem? Ist es nicht Zeit, dass unsere Antwort gehört wird: von muslimischen Arabern ...Müssen wir das Hängen [von Juden] in Bagdad, die Gefängnisse und die Brände in Kairo, das Plündern und die ökonomische Erstickung im Maghreb und am Ende den Exodus akzeptieren? Zionismus war nicht die Ursache dafür, sondern das Resultat solcher Verwüstung.“

Einer der im 20. Jahrhundert bedeutendsten jüdischen Schriftsteller und Wissenschaftler ist von uns gegangen.

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