Das eher zweifelhafte Verhältnis des CDU-Politikers Norbert Röttgen zu Israel
Das Zitat „Eine Anti-BDS-Politik könnte Kritik an Israels Regierung erschweren“ belegt die fehlende Distanz Röttgens zu Israel-Diffamierungsaktivisten
Norbert Röttgen, CDU-Politiker aus dem Rheinland und Anwärter auf den Parteivorsitz.© Odd ANDERSEN , AFP
„Der ‚#Friedensplan‘ geht zulasten der Palästinenser & stellt einen Rückschritt im Nahost-Konflikt dar. Er dient vor allem #USA & #Israel in Zeiten der Wahlkämpfe & innenpolitischen Krisen.“
So twitterte Norbert Röttgen am 29. Januar dieses Jahres. Wer ist dieser Außenbeauftrage der Bundesregierung, der offenbar genau zu wissen meint, was für den Nahen Osten gut ist?
Norbert Röttgen wurde 1965 in Meckenheim geboren und wuchs im benachbarten Rheinbach auf – zwei gemütliche Kleinstädte südwestlich von Bonn. Die Gegend ist katholisch und die Mehrheit der Bevölkerung wählt CDU. Dass der junge Norbert schon in der Schulzeit in die Junge Union eintritt, scheint nur logisch. Fleißig, strebsam, ehrgeizig. Er studiert Jura in Bonn, promoviert dort, macht sich einen Namen als Jurist in Köln und arbeitet sich parallel dazu in der Partei nach oben, ohne die heimische Umgebung zu verlassen. Bis 2012 geht alles glatt bergauf. Er hat den Landesvorsitz der CDU in NRW, den Bundesvorsitz der CDU und ist Minister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit. Und dann, 2012 in der Landtagswahl die krachende Niederlage!
Legendär auch seine öffentlichen Schnitzer im Vorfeld dieser Entscheidung:
„Bedauerlicherweise entscheidet nicht alleine die CDU darüber, sondern die Wähler entscheiden darüber.“
Ein sichtlich nervöser Röttgen kann die öffentliche Meinung nicht von sich überzeugen und verliert die Landtagswahl gegen Hannelore Kraft von der SPD. Die CDU rutscht dabei um 8,3 % ab und landet auf ihrem schlechtesten Ergebnis in Nordrhein-Westfalen überhaupt seit 1947. Der anschließende Absturz ist gewaltig. Röttgen weigert sich anschließend in die Opposition zu gehen, wird nach seiner Entlassung durch Merkel dann trotzdem seinen Posten als Minister los, tritt als CDU-Landeschef von NRW zurück und ist fortan nur noch einfacher Abgeordneter.
Röttgen bleibt nicht auf der Hinterbank. Aus ihm wird ein gefragter Außenpolitiker. Mit deutlicher Unterstützung von Ruprecht Polenz, dem Leiter des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, der ihn seitdem protegiert und dem er im Januar 2014 auch im Amt folgt. Von seinem jetzigen Wohnort Königswinter könnte Röttgen gemütlich an einem Nachmittag zurück ins elterliche Meckenheim radeln. Er könnte wie sein Vorbild Polenz auf dem Posten im Auswärtigen Amt bis zur Rente verharren. Doch nun bringt er sich selbst plötzlich als neuen CDU-Vorsitzenden ins Spiel, während die drei weiteren Kandidaten noch unschlüssig in den Startlöchern sitzen. Dabei spielt er sogar mit dem Gedanken, am Ende den Posten des Außenministers zu übernehmen.
„Wir neigen dazu zu unterschätzen, was Deutschland leisten kann. Es hängt in Europa sehr viel an uns, auch in Brüssel wartet man darauf, dass wir mehr Initiative zeigen“, so Röttgen in einem Interview mit der „Märkischen Oderzeitung“:
„Vielleicht haben Sie nach der nächsten Bundestagswahl Gelegenheit dazu. Ihr Fraktionschef Brinkhaus sagt, dass die CDU mal wieder den Außenminister stellen müsste.“
„Da hat er eine sehr gute Idee geäußert.“
„Es ist ja mehr als 50 Jahre her …“
„Das stimmt. Mein Parteifreund Gerhard Schröder – der übrigens später Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses war – amtierte bis 1966. Sein Ausscheiden, ein Jahr nachdem ich geboren wurde, ist verdammt lange her. Es ist an der Zeit, diesen Zustand mal einer Veränderung zu unterziehen.“
Leider ist Röttgens Bild von Israel kaum von dem seines politischen Ziehvaters Polenz zu unterscheiden. „Eine Anti-BDS-Politik könne Kritik an Israels Regierung oder die Arbeit deutscher NGOs erschweren“, ist dabei nur eine von Röttgens Sorgen. Die Jerusalem-Entscheidung von US-Präsident Trump „widerspricht der besonderen Verantwortung der USA“, sagte er, nannte die US-Botschaftsverlegung in Israel eine „Provokation“, „einen Akt, der spaltender nicht sein könnte“ und sah mit „großem Bedauern auf den Autoritätsverlust der USA“ im Nahen Osten. „Der Status quo in Israel ist keine friedliche Perspektive“, wusste Röttgen und er war sich auch sicher, wer der Verantwortliche ist. „Israel ist jetzt der stärkere Teil und der Stärkere muss Zeichen setzen, dass er eine Lösung will. Im Vordergrund steht, dass die soziale und wirtschaftliche Perspektive für die Palästinenser sichtbar werden muss. Die Situation der Hoffnungslosigkeit auf palästinensischer Seite fördert Radikalisierung und Gewalt.“ Auch Trumps Nahostplan ist für Röttgen „ein Rückschritt“.
Die Ablehnung pro-israelischer Politik ging so weit, dass Röttgen sogar Zweifel daran hatte, dass ein jüdischer Staat demokratisch bleiben kann. In der englischsprachigen Ausgabe des “Spiegel” vom 29. April 2016:
“’Israel’s current policies are not contributing to the country remaining Jewish and democratic,’ says Norbert Röttgen, a member of Merkel’s Christian Democratic Union and chair of the Foreign Affairs Committee in the Bundestag, Germany’s parliament. ‚We must express this concern more clearly to Israel.‘“
Der Autor Daniel Killy fasste diese Ungeheuerlichkeit damals in der „Jüdischen Allgemeine“ mit den Worten zusammen:
„Der Regierung eines befreundeten Landes zu unterstellen, sie schaffe durch ihre Politik die Demokratie ab – und nichts anderes bedeutet der Satz –, ist starker Tobak. Man wünscht sich, es würde mit derlei Verve auf wirkliche Missstände hingewiesen: in Saudi-Arabien, Iran, der Türkei et cetera. Des Weiteren aber birgt das Statement noch einen anderen, beunruhigenden Subtext: Wenn ‚ihr‘ nicht so regiert, wie ‚wir‘ das für richtig halten, dann behalten ‚wir‘ uns Schritte vor, unsere Politik ‚euch‘ gegenüber zu verändern.“
Inzwischen sind mehr als vier Jahre vergangen. Aktuell haben wir es mit der Auseinandersetzung der USA mit dem Iran zu tun, und hier sah sich Norbert Röttgen in der Talkshow „Hart aber fair“ plötzlich allein mit einer erstaunlich differenzierten Haltung. Während insbesondere Jürgen Trittin von den Grünen darauf beharrte, die Tötung des iranischen Terrorgenerals Soleimani sei ein Bruch des Völkerrechts, waren von Röttgen durchaus realistischere Töne zu hören: „In dieser verwischten Kriegssituation spielt das Völkerrecht keine Rolle. Herr Soleimani war die wandelnde Völkerrechtsverletzung.“
Und weiter sagt er: „Wir haben den brutalen völkerrechtswidrigen Krieg auch gegen amerikanische Soldaten und legen auf der anderen Seite, wie Sie gesagt haben (dies zu Trittin) aber den Maßstab vorbildlicher Rechtsstaatlichkeit an amerikanische Aktionen. Wir sagen ja: „für uns kommt das gar nicht in Frage: Das machen wir nicht, wir können es nicht, wir wollen es nicht – aber wir leben davon, dass die Amerikaner es machen. Das ist auch ein Teil der Realität; ein Dilemma, mit dem man sich beschäftigen muss – auch als Deutsche, wenn wir sagen, wollen wir in dieser Region etwas tun, oder nicht. Also es ist auch ein bisschen bequem, fast in der Nähe zur Heuchelei, dass die Robustheit des amerikanischen Einsatzes auch eine Bedingung für unsere Politik in der Region ist.“ (wörtliche Niederschrift durch mich. E.L.)
Röttgen ist sich dabei wohl bewusst, dass auch die Sicherheit Deutschlands von den USA abhängt, wenn er kurz darauf twittert:
„@Die_Gruenen Chef #Habeck schafft es, sich mit seiner Kritik an Präsident #Trump selbst zu disqualifizieren. Man muss Trump nicht mögen, aber Habeck täte gut daran, sich zu erinnern, dass Trump der demokratisch gewählte Präsident des Landes ist, das unsere Sicherheit garantiert.“
Es wäre zu wünschen, dass Norbert Röttgen künftig auch bei der Beurteilung der Situation Israels zu einer realistischen Einschätzung kommt.
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