Möge die Zukunft über uns richten
Zum Jahrestag der Befreiung von Auschwitz sei auch an den Aufstand des jüdischen Sonderkommandos in Auschwitz-Birkenau vor 75 Jahren erinnert.
Der Eingang zum Vernichtungslager Auschwitz© ODD ANDERSSON / AFP
Das Gebiet des Holocaust folgte genau den Linien der europäischen Bühne der Kriegshandlungen. Die militärischen und polizeilichen Institutionen Deutschlands und seiner Satteliten beeilten sich ebenso wie die vielen freiwilligen Helfer der Besatzungsmächte in den weiten Räumen zwischen Lappland und Kreta sowie Amsterdam und Naltschik mit Begeisterung Juden zu ermorden. Wenn die Panzer Rommels nicht im Sand vor El Alamein stecken geblieben, sondern weiter nach Osten vorgedrungen und bis Jerusalem gekommen wären, wäre das für die Einsatzgruppen kein Problem gewesen – sie waren schon in Griechenland aufgestellt und warteten auf die Abfahrt …
Die geheime Hauptstadt dieses Imperiums des Menschenhasses war das Konzentrationslager Auschwitz, jetzt Oświęcim (auf jiddisch Oyshvits oder Osphitzin) Anus Mundi oder >Arsch der Welt< , wie es einer der nicht so sentimentalen SS-Leute wirklich nannte. Später gaben sie Auschwitz-Birkenau Namen,die für die Menschheit einen neuem Klang hatten: >Vernichtungslager<, >Fabrik des Todes<, >Todesmühle< und so weiter, und andere teilen die Geschichte sogar in zwei Teile - >vor< und >nach Auschwitz<, wobei es >nach< schon nicht mehr möglich sei, Gedichte zu schreiben.
Wenn man heute Birkenau/ Brzezinka besucht, die Technik der erhalten gebliebenen Gasöfen ansieht, die Ruinen der Krematorien und die Bäume, die alle und alles gesehen haben, dann hält man instinktiv den Atem an – als ob man aufhören würde zu atmen. Und erst wenn man die Ströme des Ein- und Aus-Atmens wieder zulässt, schließlich, inmitten der Residenz des Todes und ihrer satanischen Heiligkeit, nahe dem jüdischen Blut auf dem Boden und der Gestalt der Totschläger und Henker, fängt man unfreiwillig wieder an Atem zu holen, die Atmung wieder her zu stellen und zu sich selbst zu kommen. Wie gemütlich, wie lieblich war dagegen das alte Inferno in den Zeiten von Orpheus oder Dante!
Die vier Gaskammern arbeiteten im Akkord
Hier , in insgesamt vier Gaskammern, erstickten die SS-Leute Menschen mit Blausäure, verbrannten die Leichen, zermahlten die Knochen, welche nicht verbrannt waren, und warfen die Asche von annähernd einer Million und dreihundert Tausend Menschen in den Fluss; etwa eine Million und hundert Tausend davon waren Juden. Eine ganze Stadt mit der Bevölkerung von Nizhnij Novgorod! Jedes sechste Opfer des Holocaust kam genau hier um – auf dieser winzigen Landzunge zwischen den Flüssen Weichsel und Sola.
>Zur Unterstützung< bildeten die Nazis das Sonderkommando – Spezialbrigaden, die fast ausschließlich aus Juden bestanden, und die sie zwangen, ihnen bei diesem massenhaften Fließbandmord zu assistieren - in allen Etappen, außer dem Einwerfen der Gasbüchsen selbst. Der direkte Mörder war ein Deutscher, aber kein Mitglied des Sonderkommandos konnte seine Teilnahme an dem Vorgang leugnen.
Von jedem Menschen mit einem Gewicht zwischen 70 und 75 kg blieben im Schnitt ungefähr drei kg dunkelgraue Asche. Allerdings wurden, bevor man die Leichen in die Muffel-Öfen oder auf gigantische Holzstöße unter freiem Himmel warf, von den Leichen der Frauen die Haare abgeschnitten und alle Kiefer wurden aufgebrochen sowie auf Goldzähne untersucht, die mit Zangen herausgerissen wurden.
Im Mai-Juni 1944, als auf der Rampe täglich 3-4 Züge aus Ungarn und der Slowakei ankamen, konnten die Vierergruppe von Krematorien in Birkenau, diese Öfen-Monster, zusammen mit zwei offenen Brandgruben, etwa 10.000 oder 15.000 Menschen täglich >verzehren<, welche die Selektion nicht überstanden hatten. Die hinter Bäumen versteckte Zone der Krematorien und Gaskammern Birkenaus war in Wirklichkeit eine Fabrik des Todes, die auf die Produktion von 40 – 45 Tonnen menschlicher Asche je 24 Stunden berechnet war! Vorzügliche Fabrik, ausgebaute Infrastruktur, qualifiziertes Management, geschultes Personal! Hitler und Himmler waren sorgfältige Wirtschaftsherren, wie Krupp, und die Juden waren billige Schwarzarbeiter und zugleich preiswerter Rohstoff (ob lokal oder importiert – das war nicht wichtig: bei den Transporten sparte man nicht!)
Die ehrenwerten Bundesgenossen der Anti-Hitler-Koalition rüsteten ihre Bomber beharrlich für Bombardements von wirtschaftlichen Zielen in Monowitz aus und ihre Flugzeuge überflogen auch die >Fabrik< in Birkenau, aber keine Bombe, kein Kerosin wurde dafür bereitgestellt, um wenigstens die Zufahrtswege zu zerbomben!
Zum Roboter werden
Um ihre Funktion auszuhalten, blieb den Juden des Sonderkommandos kein anderer Ausweg als die geistige Entmenschlichung – vertieren, zum Roboter werden, den Verstand verlieren. Die ersten Schriftrollen, die nach der Befreiung des Lagers in der Erde und Asche um die Ruinen der Krematorien gefunden wurden – neun Handschriften von fünf Autoren: Salmen Gradowski, Lejb Langfus, Salmen Lewenthal, Marcel Nadjari und Herman Strasfogel – dokumentieren das in einzigartiger Vollständigkeit.
Mindestens drei mal so viele solcher Rollen verschwanden, sie wurden durch die Suche von Marodeuren – „Goldsuchern“ – zerstört. Oder sie wurden noch nicht gefunden. Und dass diese neun unversehrt blieben und gelesen wurden, das ist ein Wunder. Diese Rollen sind zweifellos zentrale Dokumente des Holocaust.
Ein noch größeres Wunder ist es, dass nicht weniger als 110 Mitglieder des Sonderkommandos selbst überlebten! Als unmittelbare Träger des großen kannibalischen Geheimnisses des Dritten Reiches waren sie für den Tod vorgesehen und dazu verdammt. Es gab keine genauen Instruktionen über ihre >Liquidierung<, aber die Drohung ermordet zu werden hing jeden Tag, jede Stunde und jede Minute über ihnen.
Dass einer von ihnen unversehrt bleibt und sogar sie überlebt, konnten die Nazis sich auch im fernsten Traum nicht vorstellen. Nach dem Krieg gingen die Überlebenden heim und verteilten sich auf der ganzen Welt – nach Israel, USA, Polen, Frankreich und Deutschland. Einige gaben in den Jahren 1960 – 2000 Historikern ausführliche Interviews.
Alle Mitglieder des Sonderkommandos träumten von Läuterung und dachten ernsthaft über Widerstand und Aufstand nach. So ernsthaft, dass eines Tages – am 7. Oktober 1944 – dieser Aufstand wirklich stattfand. Man kann sich denken, dass die Vorbereitung des Aufstands oder vielleicht nur der Gedanke daran ihnen half, der geistigen Entmenschlichung entgegen zu wirken.
Es war ihre Aufgabe, ihre menschliche Natur neu und im höchsten Grade zu beweisen. Das gelang ihnen. Sowohl durch den Aufstand selbst, als sie zur verabredeten Stunde die letzte Freiheit ergriffen und, selbst fast ohne Waffen, drei SS-Leute und einen Oberkapo töteten und ein Krematorium zerstörten, als auch dadurch, dass sie in der Masse und heldenhaft starben sowie zu den wichtigsten Geschichtsschreibern des Holocaust wurden.
Unabhängig vom Ausgang des Aufstands versöhnte allein schon die Vorbereitung die Mitglieder des Sonderkommandos mit dem Schrecken des Vorangegangenen. Mehr als das, schon die Vorbereitung brachte sie in den Rahmen der Normalität und Sittlichkeit zurück, gab ihnen eine Chance, Schuld zu sühnen und all das Schreckliche zu rechtfertigen, das auf ihren Gewissen lag. Und so konnte es eindeutig keinen Misserfolg geben – schon die Möglichkeit, als Mensch zu sterben, war ein Erfolg, und vielleicht sogar heroisch – im Kampf, für Menschen!
Der Widerstand war zersplittert
Um über den jüdischen Aufstand am 7. Oktober zu reden, muss man auf die schwierigen Umstände für Widerstand und Untergrund im Konzentrationslager allgemein zu sprechen kommen. Über lange Zeit war Widerstand verschieden eingefärbt und nicht vereinheitlicht, zerteilt nach nationalen Kennzeichen, und manchmal auch innerhalb von diesen in Gruppen aufgeteilt (zum Beispiel unter den Polen, wo die Kommunisten, die linken Sozialisten und Nationalisten eigene Gruppen hatten, Anhänger der Armija Krajowa, der Armija Ljudowa etc…)
Im Mai 1943 bildete sich in Auschwitz ein vereinigtes Zentrum des Widerstands, das unter dem Namen „Kampfgruppe Auschwitz“ in die Geschichte eingegangen ist. Ihren Kern bildeten polnische und österreichisch-deutsche Zellen, aber auch der Rest der anderen tendierte zu ihnen. Die Strategie der „Kampfgruppe“ bestand in einer stufenweisen Besetzung von Schlüsselpositionen. Das waren Aufgaben für sogenannte „Funktionshäftlinge“, auch die systematische Verdrängung von Gegnern und Konkurrenten innerhalb des Lagers, besonders deutscher Verbrecher. Eine andere Richtung zielte auf die Verbesserung der Bedingungen für die Mitglieder, nicht selten Einweisung von Gegnern in Einzelhaft, manchmal auch Herstellung von gefälschten Dokumenten und sogar Veränderungen der Zahlen der Insassen. Sie suchten und fanden verschiedene Wege zur Zusammenarbeit mit anderen Lagerabteilungen, und – was besonders schwierig und wichtig war – mit der Außenwelt: während der Existenz des Lagers wurden etwa 1000 Kassiber in die Freiheit übersandt! Und was vielleicht das wichtigste war, was die Aufrührer sich zu gute halten konnten – in Krakau erschien sogar eine Flugblattzeitung auf der Grundlage dieser Briefe: „Das Echo von Auschwitz“!
Zu dieser „Kampfgruppe“ kamen keine Franzosen, Belgier, Tschechen und Roma; sie gaben kleinen Gruppen, fast Grüppchen den Vorzug. Die Leute vom Sonderkommando hielten sich abseits, aber der Status der Verwundbarkeit machte sie von selbst zu einer Gruppe, die am Aufstand äußerst interessiert war – je früher, desto besser!
Nichtsdestotrotz verabredeten sich die beiden Zentren einmal und konnten sich sogar auf einen gemeinsamen Plan und ein Datum für den Aufstand einigen – Mittwoch, den 28. Juli 1944. Aber buchstäblich in der letzten Minute und einseitig stoppte die polnische Seite den Vorgang. Damit zerstörte sie nicht nur die Kampfordnung der jüdischen Seite, sondern deckte auch ihre Konspirationsstruktur auf. Das kostete das Leben des Anführers des jüdischen Stabes – des Kapo Kaminski, des Hauptorganisators des Aufstands des Sonderkommandos.
Die Juden, um S. Lewenthal zu paraphrasieren, knirschten mit den Zähnen aber schwiegen. Aber kurz nach den Selektionen vom September 1944 verabschiedeten sich die Leute im Sonderkommando endgültig von der Perspektive der Zusammenarbeit mit den Polen. Sie hörten auf, an die „Kampfgruppe Auschwitz“ Informationen weiter zu leiten und gingen dazu über, sie in der Erde zu vergraben. Sie machten Mutter Erde zum „Kurier“. Aber das wichtigste: von jetzt an waren sie fest entschlossen, den Aufstand allein zu machen.
Nach dem Tod Kaminskis ging die Führung für die Vorbereitung des Aufstandes und für den Aufstand selbst an andere über – und bald an ein Kollektiv, unter denen Gradowski herausragte. Unter ihnen waren auch jüdische Kriegsgefangene aus der Sowjetischen Armee, vor allem Nikolaj Motin, Major oder Oberst.
Eine neue Selektionsliste war das Startsignal
Es wurde ein neuer Aufstandsplan ausgearbeitet, aber die realen Ereignisse machten ihn fast vollständig undurchführbar. Stattdessen wurde eine spontane Aktion notwendig, allerdings unter ungünstigen Umständen.
Am Samstag, den 6. Oktober 1944 versammelte der Oberscharführer der SS Ch. Busch, einer der Leiter der Krematorien IV und V, die jüdischen Kapos dieser Krematorien und befahl ihnen, im Verlauf von 24 Stunden eine Selektionsliste zu erstellen, alles in allem mit 300 Mann. Das machte den Aufstand unumgänglich.
Es haben sich einige Beschreibungen von Anfang, Verlauf und Unterdrückung des Aufstands erhalten. Wir nehmen jene als Grundversion, welche Andreas Kilian und seine Mitautoren auf der Grundlage vieler Zeugnisse in dem Buch „Zeugen aus der Todeszone. Das jüdische Sonderkommando in Auschwitz“ zeichnen und vervollständigen das Bild mit Details, die in anderen Quellen erwähnt werden, die er nicht benutzt oder unbeachtet lässt.
Sonntag-Morgen, am 7. Oktober, war sonniges, wolkenloses Wetter. Zum Frühstück beim Krematorium II, wo alle sowjetischen Kriegsgefangenen lebten und vorher Kaminski gelebt hatte, versammelte sich der Stab des Aufstands. Das stoppte der Oberkapo Karl Töpfer, der drohte, alle zu verlegen. Aber sie ergriffen ihn sofort, erschlugen ihn und warfen ihn in den Ofen.
Am Mittag, etwa um 13:25, kamen etwa 20 SS-Leute mit Busch an der Spitze auf das Territorium des Krematorium V und begannen mit der namentlichen Selektion, indem sie auf der Liste mit den hohen Nummern anfingen. Im Krematorium IV waren 170 Namen aufgeführt, im Krematorium V 154, hauptsächlich ungarische und griechische Juden.
Als am Ende der Liste ein Rest blieb, wurde klar, dass ein Teil der Leute auf der Liste in der Aufstellung fehlte. Die SS-Leute begannen sie zu suchen, und in dem Augenblick warf sich der polnische Jude Chaim Neuhof mit „Hurra“ und einem kleinen Hammer auf sie. Chaim war einer der ältesten (etwa 54 Jahre) im Sonderkommando. Andere unterstützten ihn – mit kleinen Hämmern, Beilen und Steinen. Dabei brannte schon das Krematorium IV, es war mit selbstgemachten Granaten beworfen worden, was Josel aus Bendzin machte.
Um 13:50 ging die allgemeine Lager-Sirene los. Da schossen die SS-Leute, die aus den Kasernen Unterstützung erhalten hatten, schon aus gesicherten Unterständen; viele von denen, die sich im Hof von Krematorium V aufhielten, starben. Aber Teile der Aufständischen – unter ihnen die Mehrheit der sowjetischen Kriegsgefangenen - waren schon in das nahegelegene Wäldchen geflohen und bereitete sich auf den Kampf vor. Ein Teil schnitt den Stacheldraht durch (der nicht unter Spannung stand) und entkam zur Seite „Kanada“, einer floh sogar in die Sortierbaracke Nr. 14, wurde aber von der Torwache gefasst.
Nachdem sie die Lage im Krematorium IV unter Kontrolle gebracht hatten, trieben die SS-Leute alle, die sich dort noch befanden, in das Krematorium V und zwangen die Mitglieder des Sonderkommandos, sich mit dem Gesicht nach unten hin zu legen. Danach erschossen sie jeden dritten derer, die dort lagen. Nur 44 der insgesamt 324 Mann der beiden kleinen Krematorien blieben am Leben. Die SS-Leute kreisten das brennende Krematorium ein und begannen das Wäldchen zu beschießen, wo sich ein Teil der Aufständischen versteckt hielt.
Bei den beiden anderen Krematorien geschah praktisch nichts. Teilweise deswegen, weil der Aufstand am Krematorium IV so spontan war, dass die übrigen Krematorien nicht vorbereitet waren, teilweise deswegen, weil die SS-Leute schnell waren und im Verlauf einer halben Stunde die Kontrolle errungen hatten.
Nachdem sie das brennende Krematorium von weitem gesehen hatten und die Schüsse gehört hatten, entschieden die Mitglieder des Sonderkommandos am Krematorium II– vor allem Kriegsgefangene – dass der allgemeine Aufstand begonnen habe. Sie rissen den SS-Wachmann nieder und warfen ihn in den brennenden Ofen, unmittelbar zu dem verhassten Töpfer.
Danach gab es für niemanden einen Weg zurück. Es gelang ihnen nicht, ihr Krematorium an zu stecken, vielleicht war das Pulver nass geworden. Sie rissen den zweiten Wachmann nieder, zerschnitten den Stacheldraht und flohen auf dem Weg, der zum Frauenlager führte. Sie zerschnitten den Stacheldraht auch dort, aber keine der Häftlingsfrauen verstand, was geschah. Die Flüchtlinge setzten den Weg fort und fassten auf dem Weg einen der Insassen des Kommando, der mit Reinigungsmaschinen arbeitete – den Bruder des Kapo Lemke Plischko.
Zu dieser Zeit drangen die SS-Leute zum großen Krematorium vor. Sie schnitten denen, welchen die Flucht aus dem Krematorium II gelungen war (etwa 100 Leute) den Weg in Rajsko ab. Diese entschlossen sich zum Widerstand und verbarrikadierten sich im Pferdestall. Daraufhin warfen die SS-Leute Granaten und verbrannten den Stall. Die Mehrheit darin starb.
Es waren aber aus Krematorium II nicht alle geflohen: vier Ärzte mit M. Nyszli an der Spitze, außerdem einige andere Häftlinge. Drei (an der Spitze Elusz Malinka), versuchten, das Krematorium zu zerstören. Nachdem Mengele sich eingemischt hatte blieben zwar „seine“ jüdischen Ärzte am Leben; alle übrigen Mitglieder des Sonderkommandos für dieses Krematorium – 171, sowohl Teilnehmer am Aufstand wie solche, welche die Teilnahme abgelehnt hatten – starben entweder im Kampf oder wurden erschossen.
Im Lauf des Aufstandes starben alle Organisatoren, außer Ja. Handelsmann. Er blickte auf den Verlauf der Ereignisse aus dem Krematorium III zusammen mit S. Lewenthal, L. Langfus, M. Buki, Sch. Venezia und anderen.
In der Nacht vom 8. auf den 9. Oktober blieben die Aufständischen Ja. Handelsman und Ju. Wrubel in diesem Krematorium, offensichtlich, um mit dem Sprengstoff, den sie hatten, das Krematorium zu sprengen – wahrscheinlich zusammen mit sich selbst. Erst, als ihnen das nicht gelang (möglicherweise weil sie, wie beim Krematorium II, nasses Pulver gebracht worden war) wurden sie gefangen genommen. Es waren 14 Leute. Sie wurden in den GESTAPO-Bunker im Hauptlager geworfen. Der Arrest kann nur am 9. Oktober stattgefunden haben, nicht am 10., wie überall geschrieben wird, weil der Bericht Lewenthals vom 10. Oktober von Wrubel als jemandem schreibt, der schon im Bunker sitzt, und Rosa Robota zur Zeit ihres Arrests schon wusste, dass Wrubel tot war.
Am Abend des 7. Oktober trieben sie diejenigen des Sonderkommandos, die noch lebten, auf dem Territorium des Krematoriums IV zusammen, wo sie noch 200 erschossen. Danach gingen die Krematorien II, III und V wieder an die Arbeit.
Nicht aber im Krematorium IV, den die Aufständischen funktionsunfähig gemacht hatten. Drei Unterscharführer der SS waren getötet worden (Erler, Freese und Purke), 12 SS-Leute waren verletzt. Im Ofen verbrannte Oberkapo Töpfer.
… Die letzten Opfer des Aufstands wurden Esther Weissblum, Regina Safirszrajn, Ella Gertner und Roza Robota. Die ersten drei besorgten das Pulver und die vierte übergab es Kaminski, um Granaten her zu stellen. Die Frauen wurden am 5. Januar 1945 gehenkt. Um zwei war „Schichtwechsel“; zwei wurden früh um vier getötet, die zwei anderen um 10 Uhr abends – zur Belehrung beim Schichtwechsel des Lagers. Beide Male verlas Höss vor der Vollstreckung das Urteil des höchsten Gerichts in Berlin und fügte hinzu: >so wird es allen ergehen…< (und so erging es ihm auch!)
An jenem Tag fiel Schnee, und die gefrorenen Leichen hingen für drei Tage.
Nach drei Wochen, am 27. Januar 1945, wurde das Lager durch die Rote Armee befreit.
Ein Sieg war unmöglich
Der Aufstand der Mitglieder des Sonderkommandos in Birkenau am 7. Oktober 1944 ähnelte den beiden Warschauer Aufständen: es gab keine Möglichkeit für einen Sieg, aber der militärische und moralische Geist war auf einer Höhe, die alles überragte. Der Aufstand bildete einen Höhepunkt jüdischen Widerstands in den Lagern des Todes, wie auch die Aufstände in Treblinka und Sobibor. Wie in Sobibor spielten auch hier jüdische sowjetische Kriegsgefangene eine herausragende Rolle.
Die Mitglieder des Sonderkommandos zeigten allen und sich selbst, dass sie nicht eine Rotte aus bevorzugten Stabsleuten, sondern Strafgefangene waren, und dass die Mitglieder nach Kampf strebten und darauf hofften, mit ihrem Blut jene gemeine Schande abwaschen, in welche der Feind sie ungefragt verwickelt hatte. Und sie kämpften auch darum, dass die ganze Welt nicht nur ihre Kleingläubigkeit und ihre Verbrechen kennt und anrechnet, sondern auch ihre Siege!
Wie es im „Brief an die Enkel“ von Gradowski geschrieben wurde „Möge die Zukunft über uns richten, auf der Grundlage meiner Aufzeichnungen, und möge die Welt in ihnen – und wenn auch vielleicht nur einen Tropfen – dieser schrecklichen, tragischen Todeswelt erkennen, in der wir lebten.“
Übersetzung Hans-Heinrich Nolte
Sehr geehrte Leser!
Die alte Website unserer Zeitung mit allen alten Abos finden Sie hier:
alte Website der Zeitung.
Und hier können Sie:
unsere Zeitung abonnieren,
die aktuelle oder alte Ausgaben bestellen
sowie eine Probeausgabe bekommen
in der Druck- oder Onlineform
Werbung