Es ist Zeit die Delegitimierer zu delegitimieren!

Bericht von der „NGO Monitor“-Konferenz in Tel Aviv mit Nathan Scharansky und Elan Carr, dem neuen US-Sonderbeauftragten gegen Antisemitismus.

Auch Nathan Scharansky sprach bei der Konferenz© WIKIPEDIA

Von Oliver Vrankovic

Am 18. Dezember 2019 fand in Tel Aviv eine Konferenz über die Zukunft der Menschenrechte in Zeiten wachsenden Antisemitismus statt. Veranstaltet wurde die Konferenz von NGO Monitor, einem 2002 gegründeten und weltweit anerkannten Forschungsinstitut, das sich für demokratische Werte und gute Regierungsführung einsetzt.

Als bedeutender Schritt im Kampf gegen den Antisemitismus wurde die Annahme der IHRA-Antisemitismusdefinition und ihre Umsetzung (z.B. in Anti-BDS-Beschlüssen) beschrieben.

In der IHRA-Definition des Antisemitismus heißt es: „Antisemitismus ist eine bestimmte Wahrnehmung von Juden, die sich als Hass gegenüber Juden ausdrücken kann. Der Antisemitismus richtet sich in Wort oder Tat gegen jüdische oder nichtjüdische Einzelpersonen und/oder deren Eigentum sowie gegen jüdische Gemeinde-Institutionen oder religiöse Einrichtungen. Darüber hinaus kann auch der Staat Israel, der dabei als jüdisches Kollektiv verstanden wird, Ziel solcher Angriffe sein.“

 

Der israelbezogene Antisemitismus wird in vier Punkten konkretisiert.

Zum Vorwurf vieler NGOs (z.B. Human Rights Watch), dass diese Punkte die Redefreiheit beschneiden, erklärte der Präsident von NGO Monitor, Gerald Steinberg: Wer es nicht schafft, Israel zu kritisieren, ohne die Existenz des Staates in Frage zu stellen, der ist ein Antisemit. Und wer es nicht schafft, Israel zu kritisieren ohne dafür doppelte Standards zu bemühen, ist ein Antisemit. Genauso, wie derjenige, der Israel mit Nazi-Deutschland vergleicht, ein Antisemit ist.

Mehrfach wurde bei der Konferenz herausgestrichen, dass die Antisemitismusdefinition der IHRA als Referenz für die Bewertung von Antisemitismus weiter etabliert und der Gesetzgebung konsequent zu Grunde gelegt werden muss.

In einem Panel mit Carol Nuriel, Direktorin von ADL in Israel, der Journalistin Lahav Harkov und der stellvertretenden tschechischen Botschafterin, Katerina Moravceva, wurde gefordert die Aufklärung über den Antisemitismus jugendgerecht in der Erziehung zu verankern.

Als Gründe für das Erstarken des Antisemitismus wurden u.a. das Verblassen der Erinnerung an den Holocaust angeführt und die sozialen Medien, die von Antisemiten genutzt werden, um sich weltweit zu vernetzen und zu bestärken.

Bei der Konferenz wurde dargelegt, wie der Antisemitismus zunehmend von den Rändern in die Mitte der Gesellschaft drängt. Populäre soziale Bewegungen wie Umweltschutz und Feminismus werden zunehmend von pro-„palästinensischen“ Aktivisten infiltriert. Mit der ehemaligen Anführerin des „Women March“, Linda Sarsour, hat es eine Aktivistin, die mehrfach antisemitisch ausfällig wurde, in das Wahlkampfteam von Bernie Sanders geschafft. Das Desinteresse nicht-jüdischer US-Medien an diesen Zuständen wurde unter Verweis auf die jahrelange Verharmlosung des Antisemitismus in der britischen Labour-Partei problematisiert.

Sima Vaknin Gil, Generaldirektorin des Ministeriums für strategische Angelegenheiten, beschrieb den Kampf gegen die Delegitimierung Israels in der internationalen Gemeinschaft als unmittelbare Gefahr für die Sicherheit Israels. Laut Vaknin Gil ist es dringend notwendig, „die Delegitimierer zu delegitimieren“. Dazu sei es wichtig, Verbindungen zwischen NGOs, BDS, Geldgebern und auch Terrororganisationen aufzuzeigen.

Bei der Konferenz wurde wiederholt betont, dass linker und rechter Antisemitismus nicht als grundverschieden gedacht werden dürfen, da sich Rechts und Links in ihren extremen Auswüchsen wie bei einem Hufeisen annähern.

 

Elan Carr, der neue US-Sonderbeauftragte für die Bekämpfung des Antisemitismus

Elan Carr, der im Februar von US-Außenminister Mike Pompeo zum Sonderbeauftragten für die Überwachung und Bekämpfung des Antisemitismus ernannt wurde, führte aus, dass sich Antisemitismus auf Seiten der White Supremacists, der anti-zionistischen extremen Linken und des militanten Islam finden. Eigentlich drei Ideologien, deren Anhänger sich gegenseitig hassen, aber sich einig sind in ihrem Judenhass. Carr rief dazu auf, den linken Antisemitismus, der sich im akademischen Milieu und in NGOs ausbreitet, so kompromisslos zu bekämpfen wie den Antisemitismus von Rechtsradikalen.

Carr empörte sich darüber, dass der Kampf für soziale Gerechtigkeit gegen Juden gewendet wird, wo doch das Grundprinzip der sozialen Gerechtigkeit als Tikkun Olam tief im Judentum verankert ist.

Man kann die Welt nicht verbessern ohne Antisemitismus zu bekämpfen, erklärte Carr und lobte die Ernennung des Antisemitismusbeauftragten Felix Klein und die Verabschiedung des Anti-BDS-Beschlusses im Bundestag. Als weitere „good news” führte Carr den Wahlkampf in der Ukraine an, wo ein jüdischer Präsident gewählt wurde, ohne dass es im Wahlkampf eine Rolle gespielt hat, dass er Jude ist. Als bahnbrechend bezeichnete Carr die Annahme der IHRA-Definition von Antisemitismus in Frankreich und den UN-Bericht „Bekämpfung von Antisemitismus zur Beseitigung von Diskriminierung und Intoleranz aufgrund von Religion oder Glauben“ des Sonderberichterstatters für Religions- oder Glaubensfreiheit, Ahmed Shaheed, der eine Verbindung zwischen der Kritik an Israel, BDS und Antisemitismus zieht.

Und in den USA, so Carr, hat sich Präsident Trump in nie dagewesener Weise dem Kampf gegen Antisemitismus verpflichtet. Dazu gehörten die Verlegung der israelischen Botschaft nach Jerusalem, die Anerkennung des Golan als israelisches Territorium, die Neubewertung der Siedlungspolitik, die Schließung der PLO-Vertretung in Washington, der Geldentzug für die UNRWA und die Annullierung des Iran-Deals.

Carr lobte die AIPAC-Rede Trumps als „philosemitischste Rede aller Zeiten” und führte weiter aus, dass sich das vom Präsidenten erlassene Dekret gegen Antisemitismus an Universitäten als „Game Changer” herausstellen werde. US-Hochschulen müssen fortan mit der Streichung von staatlichen Mitteln rechnen, wenn sie Antisemitismus nicht konsequent bekämpfen.

 

1.700 Jahre jüdische Geschichte in Deutschland

Carr lobte das jüdische Museum in Warschau und forderte die Beiträge der Juden für einzelne Gesellschaften auch in anderen Ländern zu betonen. Gerade in Deutschland würde sich das Jubiläumsjahr 2021, das 1.700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland markiert, als Aufhänger anbieten.

Für den Vorsitzenden der Jewish Agency, Isaac Herzog, bedarf es für eine erfolgreiche Bekämpfung des Antisemitismus einer grundlegenden gesellschaftlichen Änderung, die nur mit Bildung erreicht werden kann.

Irwin Cotler, Gründer und Vorsitzender des Raoul-Wallenberg-Zentrum für Menschenrechte, einer Nichtregierungsorganisation, die sich der Verfolgung von Gerechtigkeit durch den Schutz und die Förderung der Menschenrechte verschrieben hat, betonte die Notwendigkeit der Prävention und Bekämpfung von Antisemitismus und benannte die UN als eine Quelle des Antisemitismus unserer Zeit. Als ehemaliges Vorstandsmitglied der NGO „UN Watch“ wusste Cotler ein Dutzend Beispiele für die Dämonisierung Israels durch die UN darzulegen.

Cotler erläuterte, dass auch in der aktuellen Sitzungsperiode Israel um ein Vielfaches öfters verurteilt wird als alle anderen Staaten der Erde zusammen.

Die Delegitimierung zeige sich schon in der Sprache. Wer Israel als „Apartheidsstaat“ bezeichne, so Cotler, sage damit aus, dass Israel ein krimineller Staat sei, der von der Weltgemeinschaft bekämpft und abgeschafft gehöre.

Wer Israel als Siedlerstaat bezeichne, missachte, dass die Juden die Ureinwohner des Landes seien.

Cotler verlangte auf eine grundlegende Reform der UN zu drängen. Denn eine Weltgemeinschaft, die den Antisemitismus nicht bekämpft, verrate ihre Prinzipien.

Letzter Redner der Konferenz war Natan Scharansky, dem Tage zuvor der Genesis-Preis verliehen wurde. Scharansky war Anführer des zionistischen Ausreisekampfs der Juden in der UdSSR und deshalb acht Jahre in einem Gulag interniert. Scharansky blickte in seiner Rede auf das Jahr 1975 zurück, als eine UN-Resolution verabschiedet wurde, in der Zionismus als Rassismus bezeichnet wurde. Dies, so Scharansky, sei ein herber Rückschlag für den zionistischen Ausreisekampf gewesen. Allerdings, so Scharansky weiter, konnte man sich damit beruhigen, dass die meisten freien Länder nicht dafür gestimmt haben. Heute dagegen finde sich Antisemitismus auch in sogenannten „progressiven“ Kreisen.

Kopfschüttelnd kommentierte Scharansky die Diskussion darüber, ob Juden als Religion oder als Nation definiert werden sollten. Scharansky stellte klar, dass Antisemiten die Juden für das hassen, womit diese sich identifizieren, sei es ihre Religion oder das jüdische Volk oder Israel und erweiterte damit quasi noch die Aussage von Carr, dass es dem Antisemiten nie darum gehe, was der Jude tut, sondern was er ist.

Sehr geehrte Leser!

Die alte Website unserer Zeitung mit allen alten Abos finden Sie hier:

alte Website der Zeitung.


Und hier können Sie:

unsere Zeitung abonnieren,
die aktuelle oder alte Ausgaben bestellen
sowie eine Probeausgabe bekommen

in der Druck- oder Onlineform

Unterstützen Sie die einzige unabhängige jüdische Zeitung in Deutschland mit Ihrer Spende!

Werbung


Alle Artikel
Diese Webseite verwendet Cookies, um bestimmte Funktionen zu ermöglichen und das Angebot zu verbessern. Indem Sie hier fortfahren, stimmen Sie der Nutzung von Cookies zu. Mehr dazu..
Verstanden