Israels Polizisten hoch zu Ross

Die Reiterstaffel der israelischen Polizei ist nicht veraltet, sondern erfüllt Aufgaben, die niemand sonst leisten kann

Eine Reiterstaffel in Tel Aviv© SVEN NACKSTRAND, AFP

Von Peter Lukimson

Zuweilen sind sie in den Fernsehnachrichten zu sehen, diese Jungs im Bravourritt auf ihren hochgewachsenen Rappen, drohend überragen sie die Menschenmasse, die Teilnehmer irgendeiner Demonstration. Heutzutage, wo der Polizei etliche Mittel zur Bekämpfung von Massenunruhen zur Verfügung stehen, könnte man sie als antiquiert betrachten, ein Tribut an die alte Vorstellung, ein berittener Polizist verbreite allein durch sein Erscheinen Respekt und Achtung.

 

Atavismus? Keineswegs!

Noam Baschari, Polizist der Reiterstaffel, ist überzeugt:

„Wir und die Pferde – unsere Partner – haben eine Arbeit zu erledigen, die niemand sonst machen kann, ohne uns wäre es viel, viel schwieriger. Denken Sie nur an den Sommer, als die äthiopischen Juden in Tel Aviv vor dem Einkaufszentrum „Asrieli“ demonstrierten. Jemand hat ein Auto angezündet, es galt, das Feuer schnellstmöglich zu löschen, sonst wären die Folgen unabsehbar gewesen. Die Feuerwehr kam jedoch an das brennende Auto nicht heran – zu dicht war die Menschenmenge. Nicht, dass die Leute etwas gegen die Löscharbeiten gehabt hätten: Die einen wussten nicht, was dort geschah, die anderen wussten nicht, was von ihnen erwartet wurde. Nicht einmal die Polizisten eines SEK konnten den Gang für die Feuerwehr freiräumen; dann aber kamen wir ins Spiel. Es genügte das Erscheinen der berittenen Polizei: Leute traten auseinander, der Weg für die Feuerwehr wurde frei.

Oder neulich ein anderer Fall: Ein älterer kranker Mann wurde vermisst, er verschwand von Zuhause und an der Suche nach ihm waren auch wir beteiligt. Er wurde schließlich in einem Moorgebiet entdeckt. Für seine Rettung wären Fachleute mit speziellen Rettungsgeräten erforderlich – das hätte Stunden gedauert. Als Reiter war ich in ein paar Minuten bei ihm.“

Die Suche nach vermissten Kindern und älteren Menschen ist eine der wichtigsten Komponenten der Arbeit einer polizeilichen Ritterstaffel, insbesondere wenn es sich um die Bevölkerung auf dem Lande handelt.

Dana Chasan, die Koordinatorin der Truppe, erzählt:

„Es gibt eine ganze Reihe von Gründen, warum gerade Reiterstaffeln für die Suche nach Vermissten eingesetzt werden. Zum einen können wir in der Tat problemlos dorthin gelangen, wo weder ein Auto noch ein Motorrad hinkommt. Zum anderen hätte man, wenn die Suche auf Motorrädern ablaufen würde, wegen des lärmenden Motors keine Hilferufe hören können! Ein berittener Polizist hingegen führt eine Suche weitgehend geräuschlos durch. Ganz zu schweigen davon, dass man als Reiter das Gelände wunderbar einsehen kann.

Über unseren Demo-Dienst hat man nicht selten falsche Vorstellungen. Menschen zu verscheuchen, mit Knüppeln auf sie einzuschlagen – das tun wir nie! Unsere Aufgabe ist es, warnend und vorbeugend zu agieren. Dabei lautet die Anweisung: Den unmittelbaren Kontakt mit den Demonstranten zu meiden – was aber nicht immer gelingt. Außerdem patrouillieren wir auf vielen Massenveranstaltungen wie beispielsweise in Stadien während der Fußballspiele: Wenn plötzlich Pferde erscheinen, hilft es sofort, die Menschenmassen zu organisieren und ein Gedränge zu verhindern.“

 

Pferde helfen kranken Kindern

Dana Chasan fing schon als Teenager an zu reiten, Pferde sind ihre große Liebe, sie bestimmten ihr Schicksal: In der Reiterstaffel der Polizei dient sie bereits seit knapp 20 Jahren, eigentlich schon seit ihrer Einberufung. Äußerlich ist sie ein typischer Jockey aus den Romanen von Dick Francis: Kleingewachsen, schmal – kaum zu glauben, dass sie schon so viele Dienstjahre hinter sich hat und die Mutter zweier Schülerinnen ist.

„Alle hier bei uns sehen jünger aus, als sie sind – wenn man mit den Pferden arbeitet, altert man langsamer. Vielleicht verfügen diese Tiere über starke übersinnliche Kräfte, die dem Menschen guttun?.. Es ist kein Zufall, dass Pferde bei der Arbeit mit kranken Kindern eingesetzt werden.“

Der Polizist Noam Baschari

Dana erzählt: „Meine Biographie ist eher eine Ausnahme hier. Wir alle sind in erster Linie Polizisten, und in die Reiterstaffel werden normalerweise nur diejenigen aufgenommen, die bereits ein paar Jahre in anderen Polizei-Truppen gearbeitet haben. Der Grund: Das Reiten kann man fast jedem beibringen, für die Polizeiarbeit ist dennoch nicht jeder geeignet – es sind besondere menschliche Eigenschaften, Kenntnisse und Lebenserfahrung erforderlich. Mit anderen Worten, aus einem Jockey einen guten berittenen Polizisten zu machen ist um einiges schwieriger, als aus einem guten Polizisten einen berittenen. Selbstverständlich landen die Neulinge zunächst in einem Spezialkurs, wo sie sich unter anderem mit Tierpsychologie beschäftigen. Nicht jeder eignet sich für unsere Arbeit, einige qualifizieren sich nicht dafür.“

Auf die Frage, ob es vorgekommen sei, dass ein Pferd dem Reiter nicht gehorcht und einfach auf die Menschen losrennt, sagt Dana, dass sie solche Fälle nicht kenne und sich sicher sei, dass so etwas auch nicht vorkommen werde.

„Weil wir unsere Polizisten sehr gut vorbereiten, es gibt ein ständiges Training. Die Pferde werden sorgfältig ausgesucht und haben entsprechende Vorbereitungsmaßnahmen hinter sich. Alle unsere Tiere sind Friesenpferde, das ist eine alte niederländische Pferderasse. Sie wurde nicht fürs Rennen gezüchtet, sondern für verschiedene landwirtschaftliche Arbeiten. Dies sind in der Regel sehr ruhige Tiere, die gehorchen und nicht ängstlich sind. Zumeist ist es nämlich Angst, die zu Ausnahmesituationen führt: Wenn das Pferd in Panik gerät, wird es unberechenbar.

Unsere Pferde für die Reiterstaffel werden direkt in Holland eingekauft, eine spezielle Delegation wird dorthin beordert: Veterinäre, Tierpsycholigen und andere Fachleute sind dabei. Sie überprüfen sorgfältig die Gesundheit jedes einzelnen Pferdes, aber auch den Charakter – ob das Tier seinem Gemüht nach für die polizeiliche Arbeit geeignet ist. Denn, wie jeder Mensch, haben auch die Tiere ihren eigenen Charakter, und es kann passieren, dass sich erst in Israel herausstellt, dass dieses oder jenes Pferd für den Dienst überhaupt nicht geeignet ist. Solche Pferde werden auf einer Auktion ausgestellt; das geschieht auch mit jenen Tieren, welche bereits ausgedient haben.“

Dieses Gespräch findet in Beer Ya’akov statt, auf der Reiterstaffel-Basis der Polizei des Zentralbezirks Israels, das ist das neue Zuhause der Truppe. Die geräumigen, sehr gepflegten Pferdeställe beherbergen etwa 20 von insgesamt 70 Pferden, die die berittene Polizei in Israel besitzt.

Es fällt einem sehr schwer, dem Wunsch nicht nachzugeben, diese prächtigen schwarzen Geschöpfe zu streicheln… Sie sind wunderschön, als würden sie von berühmten Skizzen von Rubens und der alten holländischen Meister stammen.

 

Steinwürfe auf Pferde

Wie reagieren sie, wenn Demonstranten Steine werfen? Kam es in der Vergangenheit dazu, dass die Pferde während der Ausschreitungen verletzt wurden? Noam Baschari schüttelt den Kopf: „Wie gesagt, unsere Pferde sind darauf trainiert, in jeder Situation Ruhe zu bewahren. Hier hängt sehr viel vom Menschen ab, denn das Pferd ist extrem empfänglich für die feinsten Veränderungen in der emotionalen Lage des Reiters. Und wir sind immer ruhig: Was auch immer geschieht, wir wissen, dass es lediglich unsere Arbeit ist, welche es auf beste Art und Weise zu erledigen gilt. Was die Steine und andere Gefahren angeht, so passiert so etwas erstens extrem selten, und zweitens tragen unsere Schutzbefohlenen eine spezielle Ausrüstung, die nicht nur vor Steinen einen zuverlässigen Schutz bietet.“

Dana Chasan fügt hinzu: „Pferde sind erstaunlich kluge, empathische Wesen mit einem hervorragenden Erinnerungsvermögen, jedes ist ein Individuum. Es ist nie langweilig mit ihnen. Und treue Freunde sind sie auch. Meistens ist es so, dass jeder Polizist ein ‚eigenes‘ Pferd hat, das er auch pflegt. Es entsteht eine innige Beziehung. Aber trainiert sind die Tiere so, dass jedes von ihnen auch jedem Polizisten gehorchen würde.“

Zum Abschied komme ich zu einem der Pferde, um es zu berühren, mit der Hand über den Pferdenacken zu fahren und mein Gesicht an seine liebe Schnauze zu drücken. Ja, offenbar existiert sie, diese metaphysische Verbindung zwischen Mensch und Pferd, weil wir uns zueinander hingezogen fühlen…

 

Übersetzung aus dem Russischen von Irina Korotkina

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