Der „jüdische Humboldt“ im Heiligen Land
Rabbi Ishtori Haparchi aus Frankreich schrieb im 14. Jahrhundert den ersten hebräischen Reiseführer über die Geografie des Landes Israel, das er ausführlich bereiste.
Die Titelseite von Haparchi's 1549 erschienenen Reiseführers.
Damals, im 14. Jahrhundert, waren die einzig verfügbaren Werke über das Land die Bibel, der Talmud und andere religiöse Werke. Der orthodoxe Rabbiner machte sich auf, um das Heilige Land zu erkunden und für Juden, die dorthin pilgern wollten, einen Reiseführer zu erstellen. Was zu einer Kontroverse führte, war sein Gebrauch wissenschaftlicher Hilfsmittel.
Rabbi Haparchi kam 1280 im Süden Frankreichs zur Welt. Er wuchs in Montpellier in einer großen und liberalen jüdischen Gemeinde auf. Es waren die frühen Tage der Renaissance, als Wissenschaft und empirisches Wissen mehr und mehr Anerkennung fanden, auch neue Philosophien, darunter höhere Bibelkritik. Die Idee, dass die Bibel keine Aufzeichnung geschichtlicher Tatsachen sei, sondern nur eine sinnbildliche Darstellung, wurde immer beliebter. Selbst Rabbis diskutierten über die Möglichkeit, dass die Thora-Gebung auf dem Berg Sinai nicht wirklich stattgefunden haben könnte, sondern lediglich symbolisch zu verstehen sei. Oder dass Abraham und Sarah nie wirklich gelebt haben, sondern nur ein lehrendes Gleichnis seien.
Diese unorthodoxen Konzepte gewannen dermaßen an Einfluss, dass einige der größten Rabbis das Studium „griechischer Weisheit“ verboten, was die modernen Wissenschaften im christlichen Europa einschloss.
Verscheucht aus Jerusalem
Haparchi setzte sich über die Mahnungen hinweg, packte Kompass und Sextanten ein und reiste nach Eretz Israel. Ausgiebig nahm er Städte, Dörfer, Flüsse, Täler, Ebenen, Wüsten und schneebedeckte Berge in Augenschein. In Jerusalem machte er sich auf die Suche nach einer Gemeinde, musste aber die Stadt gleich wieder verlassen, weil seine „ketzerische“ Ansicht, dass Wissenschaft das Verstehen der Bibel stärke, ruchbar geworden war. Der Rabbi wanderte einsam hinunter nach Beit Shean, einem kleinen Dorf im Jordantal. Dort begann er seine Pionierarbeit über Geografie und Topografie des Landes.
Den ausgetretenen Pfaden der Pilger folgte Haparchi nicht. Stattdessen war er entschlossen, alle Städte und Dörfer zu finden, die in der Bibel und dem Talmud erwähnt werden. Als Sprachkundiger übersetzte Haparchi die Namen der Orte, die er besuchte, aus dem Lateinischen und Arabischen ins Hebräische. Er war der erste, der verstand, dass die meisten biblischen Ortsnamen in den arabischen Namen, die sie von der örtlichen Bevölkerung erhalten hatten, bewahrt blieben. „Ich kann berichten, dass die Namen der Städte und Flüsse, die in den heiligen Schriften und in der jüdischen Tradition vorkommen, von den Namen, die die Ismaeliten (Araber) ihnen gegeben haben, praktisch nicht abweichen“, schrieb er. Haparchi suchte nach Überresten von Ortschaften und nach Pflanzen, die in der Schrift erwähnt sind. Er identifizierte 180 Orte, die in der Bibel und im Talmud erwähnt werden. Das Buch enthält reiche Information über das reale Leben im Land, die Teilung in Stämme, die Topografie Jerusalems, die Vegetation des Landes und seine landwirtschaftlichen Kulturen, Gewichte, Münzen der Vergangenheit und Gegenwart. „Ich verbrachte zwei Jahre in Galiläa, entdeckte und studierte das Land, weitere fünf Jahre im Rest des stämmischen Landes. Nicht eine Stunde Ruhe gönnte ich mir“, schreibt Haparchi.
Juden in Gaza
Unter seinen bedeutendsten Entdeckungen sind die Ruinen von Schilo, wo 369 Jahre lang die Bundeslade stand. „Sie sind ungefähr drei Stunden südlich von Schechem (in Samaria), ein wenig östlich, auf dem Weg nach Jerusalem“, berichtet Haparchi. Ein weiteres Beispiel ist Kfar Darom, eine Stadt in Gaza, die von jüdischen Weisen des 1. Jahrhunderts besiedelt wurde.
Rabbi Haparchis Reisebuch „Kaftor v’Perach“ (Knauf und Blume, das hebräische Idiom ist von der Beschreibung der Menora abgeleitet, vgl. 2. Mose 37,17), wurde 1322 fertig und avancierte zum maßgeblichen Handbuch für alle großen Rabbis, die das Land Israel besuchen gedachten. Haparchis Liebe nicht nur zum Judentum, sondern auch zur Wissenschaft, wurde anfänglich abgelehnt. Viele Jahre später kam es zu einem Wandel im jüdischen Verständnis: Die Wahrnehmung der Umwelt kann unsere Liebe zu Gott und seine Anbetung sehr wohl fördern.
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