Erich Salomon: Der „Hoffotograf der Weimarer Republik“

Vor 75 Jahren wurde der Bankierssohn und ehemalige Soldat der kaiserlich-deutschen Armee im KZ Auschwitz ermordet.

Erich Salomon

Von Martin Stolzenau

Erich Franz Emil Salomon entstammte einem liberalen jüdischen Elternhaus, das dem Großbürgertum Berlins angehörte, machte nach vielfach wechselnden Anfangsbeschäftigungen als früher Wegbereiter des modernen Fotojournalismus Karriere und genoss dabei den Ruf eines „Hoffotografen der Weimarer Republik“. Doch diese Rolle und seine Herkunft als Jude machten ihn für die Nazis zur unerwünschten Person, was den Aufsteiger in die Unwägbarkeiten des Exils zwang, wo er nach der Besetzung der Niederlande von der Gestapo verhaftet und dann ins Vernichtungslager nach Auschwitz deportiert wurde. Dort fand er vor 75 Jahren den Tod.

Doch die erhaltenen Bildschöpfungen sorgten für den „Mythos Salomon“, wurden vom überlebenden Sohn Otto Erich nach 1945 aufgearbeitet und bilden seither die Grundlage für zahlreiche internationale Fotoausstellungen und die Würdigung in kunstwissenschaftlichen Schriften.

Erich Franz Emil Salomon wurde am 28. April 1886 in Berlin geboren. Sein Vater war Emil Salomon, der als Bankier, Effektenhändler und stellvertretender Vorsitzender des Ehrenausschusses der Berliner Börse überliefert ist. Seine Mutter war eine Tochter des Berliner Bankiers Julius Schüler und verwandt mit Leopold Sonnemann, einem Frankfurter Bankier, Politiker und Stifter der „Frankfurter Handelszeitung“, und eine Cousine von Else Lasker-Schüler. Der Bankierssohn hatte noch vier Geschwister. Seine Herkunft und der Verkehr seiner Familie mit der geistigen Elite des Kaiserreiches sicherten Salomon eine behütete und bildungsintensive Jugend. Ihm standen alle Wege offen. Nach der Reifeprüfung und dem Studium des Maschinenbaus an der TH in Berlin-Charlottenburg studierte er zusätzlich noch Rechtswissenschaften mit dem Abschluss als Dr. iur. 1913.

 

Dreijährige Kriegsgefangenschaft

Zwischendurch hatte er die Tochter eines Den Haager Modehausbesitzers geheiratet. Alles schien bestens. Aber dann kam der Erste Weltkrieg mit Teilnahme an der Marneschlacht und mit einer über dreijährigen Kriegsgefangenschaft. In den folgenden Inflationsjahren nach 1918 mit dem Verlust des elterlichen Vermögens standen ihm nicht mehr alle Wege offen. Salomon versuchte sich in verschiedenen Tätigkeiten. Das reichte vom Börsenmakler über die Beteiligung an einer Klavierfabrik bis zur Mitarbeit in der Werbeabteilung des Ullstein-Verlages. Erst Ende 1926 fand Salomon nach dem Kauf einer Kamera und ersten Schnappschüssen eine Zukunftsaufgabe, die ihn ausfüllte. Er spezialisierte sich schnell auf verdeckte Aufnahmen von Gerichtsprozessen, politischen Treffen und von Prominenten. Mit Erfolg.

Mit Reichskanzler Brüning bei Mussolini

Salomon beschaffte sich die modernste Fotoausrüstung, arbeitete nun als Fotoreporter und verschaffte sich überall, wo Entscheidungen getroffen wurden, Zugang. Er war ein ständiger Begleiter der wechselnden Regierungen der Weimarer Republik, bei Staatsbesuchen oft der allein zugelassene Fotoreporter und fotografierte am Obersten Gericht in London ebenso wie im Weißen Haus, in Hollywood und beim Völkerbund in Genf. Salomon begleitete Heinrich Brüning zu Benito Mussolini, war für Fotos beim Interview mit Fridtjof Nansen zugelassen und wurde von berühmten Künstlern wie Pablo Casals sowie Igor Strawinski als Fotograf bevorzugt. Damit entwickelte er maßgeblich den modernen Bildjournalismus mit. Das Geheimnis seines Erfolges ergab sich aus „ausgewogenen Bildkompositionen“ und der Tatsache, dass er als Fotograf keine kompromittierende „Entlarvung“ um jeden Preis anstrebte. Seine Fotos waren international gefragt. Selbst in den USA galt der Bankierssohn nun als Starfotograf. Seine Gesellschaftsporträts, seine fotografischen Blicke hinter die Kulissen und auf das Alltagsleben fanden schnell zahlreiche Nachahmer. Dagegen setzte er gerichtliche Schranken. So durften seine Fotos nur mit dem Zusatz seines vollen Namens erscheinen. Dazu kam, dass seine Fotos und Fotoreportagen nur in liberalen Zeitungen erschienen. Zum rechten Rand hatte er ein sehr kritisches Verhältnis. Das galt besonders für die Nazis, die ihn ihrerseits früh auf eine schwarze Liste setzten. Mit Folgen.

 

Flucht in die Niederlande

Nach deren Machtergreifung kam Salomon dem Zugriff zuvor, indem er mit seiner Familie in die Niederlande ins Exil ging, der Heimat seiner Frau. Von dort setzte er seinen Fotojournalismus in Westeuropa fort. Er schwamm weiter auf einer Erfolgswelle. 1935 war ihm in London sogar eine Retrospektive gewidmet. Doch er unterschätzte wohl den Eroberungsdrang der Nazis. Allein sein ältester Sohn Otto Erich lebte ab 1935 in London. Das rettete ihm letztlich das Leben. Vater Salomon wurde 1940 von der schnellen Besetzung Westeuropas überrascht, kam nicht mehr weg und lebte danach im Untergrund in wechselnden Verstecken. Bis 1943. Er wurde nach Denunziation verhaftet, kam mit seiner Frau und dem jüngeren Sohn Dirk zunächst nach Theresienstadt und dann ins KZ Auschwitz, wo er mit seiner Familie am 7. Juli 1944 ermordet wurde.

Sohn Otto Erich überlebte in London unter dem Namen Hunter, arbeitete ebenfalls als Bildjournalist und erschloss nach dem Krieg das gewaltige Bildmaterial des Vaters. Das führte zu mehreren internationalen Ausstellungen und zahlreichen Veröffentlichungen über das Leben und Wirken des herausragenden Bildjournalisten. In Berlin erinnern inzwischen an Erich Salomon und seine Familie als Opfer des Holocaust Stolpersteine. In Yad Vashem wird er in der Aufzählung der Opfernamen erwähnt. Der erhaltene Nachlass gehört jetzt zum Bestand der Berlinischen Galerie. Seit 1971 wird für besondere bildjournalistische Arbeiten ein „Salomon- Preis“ vergeben.

 

Weiterführende Literatur: Erich Salomon: Berühmte Zeitgenossen in unbewachten Augenblicken. Engelhorn Nachf. Stuttgart 1931 / Nachdruck: München 1978

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