Hitlers Überfall auf Polen war der Beginn eines Weltenbrands

Radioansprache von Adolf Hitler vom Reichstag in Berlin am 1. September 1939 (erster Tag der Invasion Polens). © AFPi
Vor 85 Jahren, am 1. September 1939, marschierten deutsche Truppen unter Vorspiegelung falscher Tatsachen in Polen ein. In ihrer Propaganda stellten die Nationalsozialisten den Krieg u.a. auch als Entscheidungsschlacht zwischen der „arischen Rasse“ und „den Juden“ dar. So kamen mit den deutschen Truppen auch der Terror und das Morden jüdischer Menschen nach Polen, die sofort und ohne Verzug von den deutschen Okkupanten enteignet, vertrieben, gedemütigt und schließlich industriell ermordet wurden. Jüdische Geschäfte wurden zuvor mit dem Davidstern gekennzeichnet und Synagogen niedergebrannt. Der größte Teil der osteuropäischen Judenheit lebte vor dem Weltkrieg II in Polen und ist mit den anderen europäischen Juden in den folgenden Jahren als Opfer der Shoah fast vollständig vernichtet worden. (JR)
Am 1. September 1939 marschierten deutsche Truppen unter Vorspiegelung falscher Tatsachen in Polen ein. Großbritannien und Frankreich wollten - oder konnten - Hitlers Treiben nicht länger zusehen. Zwei Tage später erklärten sie Nazi-Deutschland den Krieg. So markiert der Überfall auf Polen den Beginn des Zweiten Weltkrieges, bei genauerem Hinsehen jedoch weit mehr: Mit seinem Überraschungsangriff leitete das NS-Regime den Zusammenbruch fast aller Illusionen ein, in denen sich Europa in den dreißiger Jahren wiegte. Wache Zeitgenossen und wichtige Arbeiten der historischen Forschung belegen, dass man es hätte besser wissen können. Überdies hat Hitler seine eigentlichen Ziele nie verheimlicht.
Besonders verhängnisvoll war der Irrglaube, Adolf Hitler mit einer Appeasement-Politik besänftigen zu können. In den ersten Septembertagen des Jahres 1939 wurde er endgültig als Illusion entlarvt. Damit starb auch die Hoffnung, dass Europa nach dem verheerenden Ersten Weltkrieg ein weiterer, noch schrecklicherer Weltkrieg erspart bleiben könnte.
Frankreich und Großbritannien: Unzufriedenheit mit dem Versailler Vertrag, unzureichende Vorbereitung auf einen Krieg mit Hitler-Deutschland
Ab Mitte der 1930er Jahre versuchten Frankreich und Großbritannien, den Frieden in Europa durch eine Politik der Beschwichtigung und begrenzter Zugeständnisse an die deutschen Forderungen zu erhalten. Dabei spielte der schlechte Ruf des Versailler Friedensvertrages – nicht nur in Deutschland, sondern auch bei den Westmächten – eine nicht unwesentliche Rolle. Die öffentliche Meinung in Großbritannien befürwortete sogar die Korrektur einiger territorialer Bestimmungen. Davon profitierte Hitler, der schon in der Weimarer Republik den Versailler Vertrag – neben den Juden – zum Sündenbock für alle Miseren des Landes gemacht hatte. Diese Propaganda wirkte bis heute. Noch Jahrzehnte nach dem Zweiten Weltkrieg meinten selbst Historiker, der „dumme und demütigende Straffrieden“ (George F. Kennan) sei die Hauptursache für den Aufstieg des Nationalsozialismus gewesen.
In Wirklichkeit waren die ständigen Angriffe der Nationalsozialisten auf Versailles nichts anderes als wirksamer Populismus, um die Zerstörung der Demokratie und die eigene Machtergreifung voranzutreiben. Keine Frage: Die im Vertrag festgelegten Gebietsabtretungen und Reparationszahlungen trafen Deutschland hart. Aber die Vorwürfe waren maßlos übertrieben. Der Versailler Vertrag ermöglichte Deutschland sehr wohl den Wiederaufstieg zur Großmacht, er war weder schuld an der deutschen Hyperinflation von 1923 noch an der Weltwirtschaftskrise von 1929. Auch ohne die Rückgewinnung der an Polen abgetretenen Gebiete erreichte die deutsche Industrieproduktion bereits 1927 wieder das Vorkriegsniveau. Ab Mitte der 1920er Jahre übertraf der deutsche Außenhandel den des Kaiserreichs.
Großbritannien und Frankreich hielten Hitlers Vorwürfe jedoch teilweise für berechtigt und sahen über die rassistisch und hegemonial motivierten Expansionsbestrebungen Hitlers hinweg, um die es ihm eigentlich ging.
Zudem waren beide Staaten nur unzureichend auf einen Krieg gegen Hitler-Deutschland vorbereitet. Vor allem in Großbritannien gewannen angesichts dieser militärischen Schwäche die Appeaser die Oberhand. Dass sie Zeit gewinnen wollten, war verständlich, ihre Flucht ins Wunschdenken nicht. Ohne das Entgegenkommen der europäischen Westmächte hätte Hitler den Zweiten Weltkrieg nicht entfesseln können. Frankreich und Großbritannien duldeten, dass Deutschland 1935 die militärischen Beschränkungen des Versailler Vertrags aufhob und ein Jahr später das Rheinland remilitarisierte. Auch beim Anschluss Österreichs im März 1938, knapp eineinhalb Jahre vor dem Überfall auf Polen, blieben sie im Wesentlichen untätig.
Heimliche Akzeptanz des Anschlusses Österreichs
Erst kürzlich haben die beiden österreichischen Historiker Prof. Stefan Karner und Peter Ruggenthaler in ihrem Buch „1938 - Der ‚Anschluss‘ im internationalen Kontext“ nachgezeichnet, wie es zu den bekannten offiziellen Reaktionen in zahlreichen Ländern kam: „Nur wenige Staaten drückten ihren Missmut über die Tilgung Österreichs von der europäischen Landkarte aus.“
London und Paris formulierten halbherzige Protestnoten und akzeptierten den „Anschluss“ insgeheim. Im Gegensatz zu den USA und Frankreich erkannte Großbritannien die Annexion später sogar de jure an. Der Grazer Historiker Prof. Siegfried Beer beschreibt die Reaktion Londons als eine Mischung aus „Ohnmacht“ und „Erleichterung“, denn „Großbritannien hatte im März 1938 nicht die Mittel, weder diplomatisch noch gar militärisch, um Hitler-Deutschland von einer erzwungenen Annexion abzuhalten. … Trotzdem: eine Protestnote nach Berlin war deutlich zu wenig. Es hätte zumindest eine klare Anprangerung Hitler’scher Gewaltpolitik auch beim Völkerbund geben müssen, auch wenn dadurch in Echtzeit nicht viel bewirkt werden hätte können. Es hätte Symbolkraft gehabt.“
Der österreichisch-jüdische Ökonom Ludwig von Mises schrieb 1940 in seinen „Erinnerungen“ über Hitlers Einmarsch in Österreich: „Die ganze Welt atmete erleichtert auf. Jetzt war Hitler endlich saturiert, jetzt würde er friedlich mit den anderen Völkern verkehren. 27 Monate später war Hitler der Herr des europäischen Festlandes.“
Weder Drohungen noch Zugeständnisse beeindruckten Hitler
In den folgenden anderthalb Jahren bis zum Überfall auf Polen zeigte sich das klägliche Scheitern der Appeasement-Politik. Als Hitler drohte, der Tschechoslowakei den Krieg zu erklären, unterzeichneten die Vertreter Großbritanniens und Frankreichs im September 1938 das Münchner Abkommen. Erneut waren sie zu Zugeständnissen bereit und sprachen Deutschland das tschechische Sudetenland zu. Im Gegenzug versprach Hitler, künftige Konflikte friedlich zu lösen - nur um ein halbes Jahr später den tschechoslowakischen Staat zu zerschlagen. Großbritannien und Frankreich versprachen daraufhin, die Integrität Polens zu schützen - was Adolf Hitler wiederum nicht beeindruckte.
So ging es Schlag auf Schlag: Am 28. April 1939 kündigte Hitler den Nichtangriffspakt mit Polen, den er fünf Jahre zuvor kurz nach seinem Amtsantritt zur Enttäuschung vieler Deutscher unterzeichnet hatte. Nun wurde klar, worum es ihm wirklich ging: Hitler hatte keine Sekunde daran gedacht, auf die Provinzen Westpreußen, Posen und Oberschlesien zu verzichten, die Polen - zum Ärger vieler Deutscher - im Versailler Vertrag zugesprochen worden waren. Die deutsch-polnische Erklärung diente ihm als Täuschung: Hitler wollte verhindern, dass sich Frankreich und Polen militärisch gegen Deutschland verbündeten. Zunächst wollte er Deutschland wieder aufrüsten und in dieser Phase die Bildung einer militärischen Allianz gegen das NS-Regime verhindern.
Im Sommer 1939 schloss Hitler den Nichtangriffspakt mit Stalin, dessen geheimes Zusatzprotokoll die Aufteilung Polens vorsah. Damit war die „Bahn frei“ für den Angriff auf Polen. Im Falle eines Angriffs musste Deutschland keine Intervention der Sowjetunion mehr befürchten.
Tatsächlich hatte Hitler sein wahres Gesicht schon viel früher gezeigt
Viele Entscheidungsträger hatten den Charakter Adolf Hitlers jahrelang falsch eingeschätzt. Sie hatten noch immer nicht begriffen, wie skrupellos dieser Mann seine Ziele verfolgte. Für ihn war jedes Abkommen nur ein Stück Papier, das er bei der ersten sich bietenden Gelegenheit entsorgte. Das bisherige „Wirken“ des deutschen Führers hätte den Westmächten eigentlich die Augen öffnen müssen. Sie hatten die totale Umgestaltung Deutschlands durch Hitler, seine gnadenlose Verfolgung politischer Gegner, die erbarmungslose Zurückdrängung jüdischen Lebens, die später in den Massenmord an den europäischen Juden mündete, und den blutigen Röhm-Putsch von 1934, mit dem Adolf Hitler die damalige Krise seines Reiches beendete, verfolgt - doch sie verharrten stets in Appeasement.
Die Morde an Röhm und an den Führern der SA-Sturmabteilung hatten das Hitler-Regime bereits vollends entlarvt, bemerkte der deutsche Schriftsteller Thomas Mann. „Nun, immerhin, nach etwas mehr als einem Jahr, beginnt sich der Hitlerismus als das zu erweisen, als was man ihn immer gesehen, erkannt, durchdringend empfunden hat: als der letzte Tiefpunkt entarteter Dummheit und blutiger Schmach - es wird klar, dass er sich sicher und unfehlbar weiter so bewähren wird“, schrieb Mann in seinem Tagebuch. Die Forschung hat sich erst sehr spät mit dem Blutbad von Ende Juni und Anfang Juli 1934 beschäftigt. Im Frühjahr 2024 erschienen dazu neue Monographien von Sven-Felix Kellerhoff und Peter Longerich.
Hitler-Deutschland beginnt seine seit Jahren angekündigte Ausbeutungs- und Vernichtungspolitik im Osten
Mit dem Beginn des Zweiten Weltkrieges fielen weitere Wunschbilder von Europa wie ein Kartenhaus in sich zusammen. Viele Zeitgenossen wollten den durch und durch teuflischen Kern der nationalsozialistischen Weltanschauung nicht wahrhaben, der mit dem Angriff auf Polen offen zutage trat. Nicht zuletzt dank der skrupellosen Kriegsführung wurden die polnischen Streitkräfte innerhalb weniger Wochen besiegt. Beim deutschen Überraschungsangriff am 1. September 1939 waren mehr als 2000 Panzer, fast 900 Bomber, über 400 Kampfflugzeuge und fast 1,5 Millionen Soldaten der Wehrmacht im Einsatz. Als am 17. September auch die Sowjetunion von Osten her einmarschierte, geriet Polen in einen Zweifrontenkrieg, die polnische Regierung floh noch am selben Tag außer Landes. Die letzte operative Einheit der Polen kapitulierte am 6. Oktober.
Doch der Polenfeldzug war nur der Auftakt zu Schlimmerem. Das NS-Regime errichtete eine Militärverwaltung, annektierte die westlichen Teile Polens und überführte den Rest in ein „Generalgouvernement für die besetzten polnischen Gebiete“. Schon zu Beginn des Angriffs auf Polen hatte Hitler von der „völkischen Flurbereinigung“ gesprochen. Sie richtete sich gegen Juden und die polnische Intelligenz und wurde nun von SS, Polizei und Volksdeutschen in die Tat umgesetzt. Innerhalb weniger Monate wurden Tausende ermordet.
Die nationalsozialistische Ausbeutungs- und Vernichtungspolitik in Polen gegen jüdische und polnische Bürger konnte niemanden überraschen, der Hitlers bisherige politische Karriere verfolgt hatte. Die Gewinnung von „Lebensraum im Osten“ für das deutsche Volk war seit 1933 eine der außenpolitischen Säulen des Dritten Reiches. Der Überfall auf Polen sollte nur der erste Schritt sein. Schon in „Mein Kampf“ hatte Hitler seine Ziele unmissverständlich formuliert. Im Gegensatz zur Politik Preußens gehe es der nationalsozialistischen Bewegung nicht um eine „Germanisierung“, etwa durch die Durchsetzung der allgemeinen Verwendung der deutschen Sprache. Ein völkischer Staat dürfe „unter gar keinen Umständen Polen mit der Absicht annektieren, aus ihnen eines Tages Deutsche machen zu wollen“, sondern müsse die Polen „kurzerhand entfernen und den dadurch freigewordenen Grund und Boden den eigenen Volksgenossen überweisen“.
Die NS-Ideologie fiel nicht vom Himmel: Einige ihrer Ziele waren nicht neu
Die Nationalsozialisten verfolgten ihre Ziele mit besonderer Härte und Konsequenz. Ihr Streben nach Lebensraum im Osten, verbunden mit einer rassenbiologischen Siedlungs- und Ordnungspolitik, war charakteristisch für sie - aber sie waren weder die einzigen noch die ersten, die davon sprachen. Bereits im Kaiserreich forderten Alldeutsche und Anhänger der völkischen Bewegung eine „allgermanische“ Siedlungspolitik im Osten. Paul de Lagarde, ein prominenter Vertreter des modernen Antisemitismus, entwarf schon 1875 die Vision eines deutschen Reiches, dessen Grenzen „im Westen von Luxemburg bis Belfort, im Osten von Memel bis zum alten Gotenlande am Schwarzen Meer zu gehen, im Süden jedenfalls Triest einzuschließen haben“.
In der Zwischenkriegszeit griffen auch Stimmen aus anderen Parteien solche Gedanken auf, oft aus wirtschaftspolitischen Motiven. So klagte der Stahlhelm, ein Wehrverband der Weimarer Republik, 1927: „Die wirtschaftliche und soziale Not unseres Volkes ist verursacht durch den Mangel an Lebens- und Arbeitsraum.“ Auch Reichskanzler Heinrich Brüning meinte 1930, in einer „gerechten und dauerhaften Ordnung Europas“ müsse „Deutschland seinen ausreichenden natürlichen Lebensraum haben“.
Ein wirtschaftlich autarkes Deutschland musste seine Grenzen und seinen Einflussbereich erweitern. Schließlich war es eine Industrienation, die Rohstoffe und Nahrungsmittel importierte. Auf sich allein gestellt konnte allenfalls Russland bzw. die Sowjetunion als großes, dünn besiedeltes und rohstoffreiches Land überleben. In der Zwischenkriegszeit fehlten deutsche Stimmen, die für Freihandel plädierten. So konnten sich die Nationalsozialisten nicht zuletzt deshalb durchsetzen, weil sie Ideen, die auch andere vertraten, besonders konsequent verfolgten.
Auch die Rassenideologie war keine Erfindung des Nationalsozialismus. Bis heute ist umstritten, ob die Versklavung der Völker Osteuropas primär rassistisch motiviert war oder in Wahrheit der Gewinnung von Rohstoffen und Absatzmärkten diente. Tatsache ist, dass die Nationalsozialisten mit Beginn des Zweiten Weltkrieges jene „rassische“ Umgestaltung Europas betrieben, von der sie eigentlich schon immer gesprochen hatten. Am verheerendsten war sie für die Juden. Mit dem Zweiten Weltkrieg zerbrach somit eine weitere Illusion, der leider auch Juden zunächst anhingen. Es war der Glaube, dass unter der nationalsozialistischen Herrschaft zumindest einige Juden ihres Lebens sicher sein könnten.
Der Holocaust war im Antisemitismus bereits angelegt, wenn auch noch nicht ausformuliert
Einer, der das Unheil kommen sah, war der österreichisch-jüdische Komponist Arnold Schönberg. Im Oktober 1938, elf Monate vor Hitlers Überfall auf Polen, verfasste er ein prophetisch anmutendes „Vier-Punkte-Programm für das Judentum“. Darin fragte er offen, wo in der Welt noch Platz für die Millionen europäischer Juden sei. „Sind sie zur Verdammnis verurteilt? Werden sie ausgelöscht werden? Ausgehungert? Geschlachtet?“ Nun sei Amerika „in vielerlei Hinsicht das gelobte Land, insbesondere bezüglich der Hoffnungen des Judentums“ – zumindest vorerst. Der vierte und letzte Punkt von Schönbergs Programm lautet: „Es müssen Wege gefunden werden, einen Platz zu erlangen, um einen unabhängigen jüdischen Staat zu errichten.“ Doch den gab es noch nicht.
Die endgültige Entscheidung zur Durchführung des Holocaust, der systematischen Ermordung aller Juden im deutschen Herrschaftsbereich, fiel im Sommer 1941, ab 1942 wurde dieser Massenmord auch industriell durchgeführt. Einzigartig war die Shoah aber nicht wegen ihrer Methoden, sondern weil sie der einzige Versuch ist, das unausgesprochene Endziel des Antisemitismus - die „Erlösung“ der Welt von den Juden - konsequent bis zum Ende umzusetzen. Dieser Massenmord war bereits im modernen Antisemitismus des 19. Jahrhunderts, aus dem die nationalsozialistische Ideologie hervorging, implizit angelegt, wenn auch meist nicht konkret ausformuliert und konsequent zu Ende gedacht. Wenn die Juden als Grundübel der Welt und Hauptgefahr für die Volksgemeinschaft galten, dann konnte diese vermeintliche „Bedrohung“ nur durch ihre Vernichtung gebannt werden.
In ihrer Propaganda stellten die Nationalsozialisten den Krieg als Entscheidungsschlacht zwischen der „arischen Rasse“ und „den Juden“ dar. So kam mit den deutschen Truppen auch der Terror gegen die Juden nach Polen, die sofort enteignet, vertrieben und gedemütigt wurden. Synagogen wurden niedergebrannt, jüdische Geschäfte mit dem Davidstern gekennzeichnet.
Die Nationalsozialisten fanden überall eifrige Helfer
Aber der NS-Staat hätte seine Vernichtungspolitik niemals mit solcher Akribie durchführen können, wenn er nicht überall auf willige Helfer gestoßen wäre. Der Antisemitismus war in ganz Europa verbreitet und wurde vor allem an den Universitäten gelehrt. Wie Götz Aly in seinem 2017 erschienenen Buch „Europa gegen die Juden. 1880 - 1945“ zeigt, emigrierten osteuropäische Juden bereits Jahrzehnte vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs in die USA, aber anders als Italiener, Polen und Deutsche schickten sie nicht „ihre jungen Männer voraus, damit sie die Lage erkunden und gegebenenfalls zurückkehren konnten“. Sie „machten sich mit Kind und Kegel auf den Weg ins Ungewisse, auf Nimmerwiedersehen. Denn sie wichen kollektiver Verfolgung.“
Auch in Polen wurde bereits vor dem Überfall Hitlers eine antisemitische Politik betrieben. Im Sommer 1938 „hatte die Regierung in Warschau Regularien erlassen, um schon länger im Ausland lebenden Juden die Staatsbürgerschaft zu entziehen, sie zu besonders geächteten Staatenlosen zu machen. Daraufhin verhaftete die deutsche Polizei in den letzten Oktobertagen auf einen Schlag 17.000 polnische Juden, transportierte sie an die Ostgrenze und jagte sie auf die andere Seite. Dort hieß niemand die eigenen Staatsbürger willkommen. Sie waren Juden! … Schließlich wurden sie auf polnischer Seite in hastig errichtete, streng bewachte Lager gesperrt“ – die bis zum Sommer 1939 in Betrieb blieben.
Der deutsche Historiker stellt klar: Deutsche „organisierten die Deportationen, die Massenerschießungen und Todeslager. Sie entfesselten die Gewalt gegen Juden in den besetzten und verbündeten Staaten. Keine Frage: Die Regierung Hitler übte die Tatherrschaft aus. Doch kann ein Völkermord nicht allein von den Initiatoren begangen werden. Wer die Praxis der Judenverfolgung in verschiedenen Ländern untersucht, stößt unweigerlich darauf, wie geschickt die deutschen Eroberer überall in Europa bereits vorhandene nationalistische, national-soziale und antisemitische Bestrebungen einbezogen, um ihre Ziele durchzusetzen.“
Fazit
Wenn Europa wirklich aus seinen damaligen Fehlern lernen will, muss es sich heute erneut von jeglichem Wunschdenken befreien. Es gilt, die eigene freiheitliche Ordnung zu verteidigen und neue totalitäre Ideologien sowie jede Form von Antisemitismus mit allen notwendigen Mitteln zu bekämpfen. Ist der Antisemitismus erst einmal auf dem Vormarsch, ist er nur schwer zu stoppen. Das wäre tragisch für die Juden und selbstmörderisch für Europa. Sind sich die Europäer heute dessen bewusst?
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