Jüdische Abgeordnete im Deutschen Bundestag: Jeanette Wolff (Teil 3)

Grab von Jeanette Wolff auf dem Jüdischer Friedhof Heerstraße. Ehrengrab© WIKIPEDIA/Z thomas - Eigenes Werk

Die jüdische SPD-Abgeordnete und Holocaustüberlebende Jeanette Wolff war von 1952 bis 1961 im Deutschen Bundestag. Ihr Hauptaugenmerk galt dem Einsatz für eine individuelle und moralische Wiedergutmachung des nationalsozialistischen Unrechts. Das Verhältnis der Deutschen zu den Juden war und blieb für sie der Prüfstein der Demokratie. Sie selbst ist in Vorträgen und Referaten immer wieder auf die besondere soziale Ethik des Judentums eingegangen. In ihren Augen war die jüdische Religion überaus diesseitig, woraus sich für sie die Pflicht ergab, das Leben selbständig und aktiv zu gestalten. Jeanette Wolff war eine der wichtigsten Stimmen, die auf ein Wiedererstarken antisemitischer und neonazistischer Tendenzen hinwiesen, auch wenn sie sich mit ihren Warnungen selbst in der eigenen Partei nicht immer Freunde machen konnte. Dieses Thema war damals nicht populär – und ist es auch danach nie geworden. Jeanette Wolff verstarb 1976 im Alter von 88 Jahren ohne den desaströsen Wandel der heute woken und Islam-affinen SPD, den explosionsartigen, vor allem Islam-bedingten Anstieg des Juden-Hasses und die schon wieder nahezu unerträglich gewordene Situation jüdischer Menschen in Deutschland, erleben zu müssen. (JR)

Von L. Joseph Heid

Jeanette Wolff wurde am 22. Juni 1888 als älteste Tochter des Ehepaars Dina und Isaac Cohen in Bocholt geboren, einer Stadt an der Grenze zwischen Westfalen, Rheinland und Holland. Ihre Eltern waren überzeugte Sozialisten und zugleich religiöse Juden. Seit 1905 war sie Mitglied zuerst der sozialistischen Jugend, danach der SPD, der sie bis zu ihrem Lebensende treu blieb.

Anders, als von den Frühsozialisten propagiert und von der Partei in der Nachfolge weitgehend verinnerlicht, sah Jeanette Wolff weder einen Widerspruch noch einen Antagonismus zwischen sozialistischer und religiöser Überzeugung, wie sie es programmatisch in ihrer – leider Fragment gebliebenen – Autobiographie „Mit Bibel und Bebel“ formuliert hat. Ihre parteipolitische Karriere begann sie 1919, 31-jährig, als Stadtverordnete in Bocholt und als Gründungsmitglied der örtlichen Arbeiterwohlfahrt.

 

„Ein neues Deutschland“

„Ein neues Deutschland mit Menschen, die geistig und seelisch erneuert werden müssen, ein Deutschland der Demokratie, des Friedens und der Zufriedenheit muss aufgebaut werden.“ Diese alles in allem optimistischen Worte stellte Jeanette Wolff ihren Erinnerungen voran, mit denen sie sich nach einer 12-jährigen Verfolgungszeit im Jahre 1946 in die Freiheit zurückmeldete und sogleich der SPD zur Verfügung stellte.

Die Gründe für ihre Rückkehr fasste sie in die einfachen Worte: „Wir [Jeanette Wolff und die einzig überlebende Tochter Edith] blieben bis zum Ende des Jahres 1945 in Polen, doch die Sehnsucht nach den Angehörigen und das Heimweh trieben uns zurück. Am 2. Januar 1946 trafen wir in Berlin ein; hier begann ich gleich mit meinen Aufzeichnungen, um dem deutschen Volk einen kleinen Aufklärungsbeitrag zu geben.“

Der Leidensweg der Jeanette Wolffs während der nationalsozialistischen Herrschaft, der im März 1933 einsetzte und erst im Dezember 1944 endete, erscheint nachgerade idealtypisch, um den geplanten und durchgeführten Judenmord der Nationalsozialisten aufzuzeigen.

„Sadismus oder Wahnsinn. Erlebnisse in den deutschen Konzentrationslagern im Osten“ hat Jeanette Wolff ihre Überlebensgeschichte betitelt, die 1946 erschien. Damit hatte sie für sich zugleich programmatisch angezeigt, wohin ihr politischer Weg sie führen sollte.

Gleich zu Beginn ihrer Aufzeichnung spricht sie von neuer Menschlichkeit, von „Völkerversöhnung“ und „Weltfrieden“. Doch das war nicht von selbst zu erreichen: Die durch den Nazismus „vergifteten Seelen“ konnten nur mit dem „Gegengift restloser Aufklärung“ wieder entgiftet werden. Nicht Verdrängung über das Geschehene, die sich unmittelbar nach dem 8. Mai 1945 in Deutschland breit machte, sondern einzig schonungslose Aufklärung war vonnöten, wenn all das Leid „der Besten unseres Volks“ nicht umsonst gewesen sein sollte. Das waren keine leeren Worte, das war eben das, was sie wirklich meinte und wollte und was für ihre politische Arbeit bei der Errichtung der zweiten deutschen Demokratie in Deutschland fortan konstitutiv wurde - und blieb.

In ihrer autobiographischen Skizze mit dem treffenden alliterierenden Titel „Mit Bibel und Bebel“ schreibt sie: „Wenn man Demokrat ist, dann muss man misstrauisch sein; denn Misstrauen ist nach dem Erleben, das wir in Deutschland gehabt haben, die erste Tugend des Demokraten.“ Das Verhältnis der Deutschen zu den Juden war und blieb für sie der Prüfstein der Demokratie. Und in diese Überzeugung zog sie ihre Partei mit ein: „Wir Sozialdemokraten haben als Prüfstein der Demokratie die Wiedergutmachung an den Opfern des Nationalsozialismus betrachtet“, sagte sie auf dem SPD-Bundesparteitag 1956 in München.

 

Soziale Ethik des Judentums

Die Pflicht zum Engagement entsprang aber nicht allein ihrer ungebrochenen Verbundenheit mit Deutschland, sondern beruhte in großem Maße auf ihrem tiefen Zugehörigkeitsgefühl zur jüdischen Religion. Sie selbst ist in Vorträgen und Referaten immer wieder auf die besondere soziale Ethik des Judentums eingegangen. In ihren Augen war die jüdische Religion diesseitig, woraus sich für sie die Pflicht ergab, das Leben selbständig und aktiv zu gestalten. Sie führte dazu aus: „Wo beginnt im Judentum die soziale Ethik? Dort, wo die Lebensbejahung ihren Anfang nimmt. In der Schöpfungsgeschichte heißt es, Gott schuf den Menschen in seinem Ebenbild. Das bedeutet, dass vor Gott alle Menschen gleich sind, dass sie Kinder Gottes sind und im Sinne dieser Gotteskindschaft Brüder und Schwestern, Glieder einer Familie mit gleichen Rechten und mit gleichen Pflichten sind. [...] Ein Wort wird in der Bibel oft und eindringlich betont und wiederholt, das Wort ‚Leben‘.“

Unter Berufung auf Rabbiner Leo Baeck, den letzten Repräsentanten des deutschen Judentums, redete sie immer wieder dem Wort „Leben“ das Wort und handelte nach seinem Satz, das Leid anderer zu sehen, damit das eigene kleiner werde. Ja zum Leben zu sagen, sei die große Aufgabe des Menschen, Leben umfasse alle Gebote, alle Verheißung. Jeanette Wolffs Denken war durch und durch beeinflusst von der Ethik und Tradition des Judentums.

Sie gehörte zu den wenigen Jüdinnen und Juden, die sich uneingeschränkt für jüdische Interessen einsetzten, weil es für sie allgemeine Interessen waren, Menschheitsinteressen. Damit unterschied sie sich von der Mehrzahl jener in der Arbeiterbewegung Engagierter, für die Herkunft (und Religion) unbedeutend waren, die überzeugt waren, Judentum stelle allein eine Konfession dar, die mit der Verwirklichung des Sozialismus ohnehin bedeutungslos würde.

Von ihrem ersten großen Auftritt auf dem SPD-Parteitag in Heidelberg im Jahre 1925 bis zum Bundesparteitag der SPD des Jahres 1947 in Nürnberg, um zwei parteipolitische Markierungen in ihrem Leben hervorzuheben, zieht sich eine Kontinuitätslinie. Dabei wirkte ihr Auftreten in Nürnberg gleichsam wie ein Anachronismus. Auf beiden Parteitagen erhob sie ihre Stimme gegen den Antisemitismus, und doch lagen zwischen beiden Ereignissen mehr als nur 22 Jahre, es waren Welten: 1925, so bedrohlich und militant der Antisemitismus jener Weimarer Jahre auf die Parteitagsdelegierte auch gewirkt haben mochte, sein blutiger Höhepunkt war noch längst nicht erreicht und niemand hätte ihn in seiner mörderischen Dynamik voraussehen können. Auch Jeanette Wolffs persönliche leidvolle Erfahrungen lagen noch vor ihr.

 

Moralische Wiedergutmachung

1947 war ein alt-neuer Antisemitismus noch immer in der Welt, diesmal nicht trotz, vielleicht wegen Auschwitz. Sie warnte vor der Gefahr, dass die Nationalsozialisten ihre alten Positionen wieder einnehmen würden bzw. schon eingenommen hatten, das neue Deutschland hingegen die Chance für einen wirklichen demokratischen Neuanfang verpassen würde. Sie beschwor den Parteitag, aller Not in Deutschland zum Trotz, nationalsozialistisches Unrecht wiedergutzumachen. Sie forderte von ihrer Partei Unterstützung für eine wirtschaftliche Wiedergutmachung, die gesetzlich geregelt werden müsse. Doch mehr noch gehe es um eine moralische Wiedergutmachung, und hier habe die Sozialdemokratie eine wichtige Aufgabe zu leisten. Dies müsse sich die Sozialdemokratie auf ihre Fahnen schreiben, appellierte sie an die Parteigenossen, weil das „Menschheitsideal der Sozialdemokratie“, d.h. das „Menschheitsideal der Erlösung aller Menschen aus den Fesseln jeder Unterdrückung“ die Erlösung der Juden in der Welt mit einschließe.

Das Motiv ihrer vielfältigen politischen Aktivitäten nach 1945 lässt sich im Wesentlichen auf zwei Kernanliegen reduzieren: Wiedergutmachung für die NS-Opfer bei gleichzeitiger Bestrafung der Täter und Verständigung zwischen den in Deutschland verbliebenen bzw. zurückgekehrten Juden und der deutschen Gesellschaft. Jeanette Wolff war eine der wichtigsten Stimmen, die auf ein Wiedererstarken antisemitischer und neonazistischer Tendenzen hinwiesen, auch wenn sie sich mit ihren Warnungen selbst in der eigenen Partei nicht immer Freunde machen konnte. Dieses Thema war damals nicht populär – und ist es auch danach nie geworden.

Während ihrer Tätigkeiten in der Berliner Stadtverordnetenversammlung in den Jahren 1946 bis 1951 und im Deutschen Bundestag von 1952 bis 1961 galt ihr Hauptaugenmerk dem Einsatz für eine individuelle (und moralische) Wiedergutmachung des nationalsozialistischen Unrechts. In allen Organisationen, in denen sie tätig war – und das waren gewiss nicht wenige - setzte sich Jeanette Wolff für die Verständigung zwischen Juden und Nichtjuden ein und bemühte sich um die Änderung der Einstellung der Juden zum neuen Deutschland, indem sie zu aktiver Teilnahme von Juden am politischen Geschehen aufrief.

 

Gegen pauschale Verurteilungen

Aus ihrer Entscheidung, für den Fortbestand und Ausbau jüdischer Gemeinden in Deutschland zu kämpfen, zog sie auch die Konsequenz, für Deutschland zu werben. Sie wehrte sich gegen pauschale Verurteilungen des deutschen Volkes und äußerte sich 1947 auf dem Bundesparteitag der SPD mit den folgenden Worten zur Kollektivschuldthese: „Das deutsche Volk ist nicht antisemitisch, deshalb lehnen wir eine Kollektivschuld des deutschen Volkes an dem Hitlerverbrechertum ab. Wäre das deutsche Volk antisemitisch gewesen, es lebte kein Jude in Deutschland mehr. Das müssen wir auch der Welt immer und immer wieder sagen.“ Diese Aussage brachte ihr zwar den Beifall der Parteitagsdelegierten ein, gleichwohl Kritik von jüdischer Seite.

Nie machte sie einen Hehl aus ihrer Herkunft oder Überzeugung: „Ich bin Jüdin und habe meine ganze Familie, meine Kinder, meinen Mann, die Schwiegersöhne und die Enkelkinder verloren“, bekannte sie und folgerte, Ferdinand Lassalle zitierend: „Aber ich möchte hier an dieser Stelle [im Bundestag] sagen: es geht nicht an, dass diese Methoden weiterbestehen. Wir haben die Verpflichtung, der Freiheit eine Gasse zu schlagen. Meine Herren von der KPD und alle die, die das System der Konzentrationslager heute noch gutheißen, was haben Sie denn getan, um den Nazigeist zu bekämpfen? Wenn man dieselben Maßnahmen gutheißt, dann kann man die anderen nicht verurteilen!“

Von 1947 bis 1956 war sie eine der Vertreterinnen der Berliner Landesorganisation auf den Bundesparteitagen der SPD. Als nun auf dem Parteitag von 1948 einer der rheinischen Delegierten den scharfen Abgrenzungskurs der Parteiführung gegenüber der „Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes“ (VVN) kritisierte, meldete sich Jeanette Wolff zu Wort. Eindringlich mahnte sie die Genossen in den westlichen Besatzungszonen, nicht auf die angebliche Überparteilichkeit der VVN, die nichts anderes sei als eine „Auffangorganisation für die tagtäglich mehr ihre Plattform verlierende SED“, hereinzufallen. Vor allem warf sie der VVN vor, dass sie sich niemals gegen die neuen KZs in der Ostzone gewandt habe. Wörtlich fügte sie hinzu: „Wer solche KZs duldet, der macht sich schuldig an der deutschen Bevölkerung, die nach dem Zusammenbruch einer zwölfjährigen Diktatur sich bemüht, eine demokratische Plattform für einen neuen sozialistischen und demokratischen Staat zu schaffen.“

Im Deutschen Bundestag gehörte sie als ordentliches Mitglied einer Reihe von Ausschüssen an. Eines ihrer Hauptarbeitsgebiete während der zweiten Legislaturperiode des Deutschen Bundestages lag im Wiedergutmachungsausschuss bei der Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts.

Auf dem Höhepunkt ihrer Tätigkeit im Wiedergutmachungsausschuss wandten sich etwa 20 Anspruchsberechtigte pro Woche an sie, deren Angelegenheit sie, wenn möglich, selbst bearbeitete. Sie half konkret, ansonsten erteilte sie Rat, gab Antwort. In ihrer ersten Legislaturperiode brachte sie es allein an Ablage auf acht große Leitz-Ordner voll an Korrespondenz auf diesem Gebiet. Die Bewältigung konnte sie nur dadurch erreichen, dass sie in Bonn eine Sekretärin eigens für diese Arbeit ständig beschäftigte.

 

Gegen die restaurative Personalpolitik

Immer, wenn es um die wirkliche oder scheinbare Begünstigung ehemaliger Nazis ging, meldete sich Jeanette Wolff streitbar zu Wort. Die Adenauer‘sche restaurative Personalpolitik war ihr geradezu zuwider – und dies tat sie auch drastisch kund. Das galt ebenso für das Messen mit zweierlei Maß, das die Bonner Regierung gegenüber Links- und Rechtsextremen anlegte: „Ich habe bei der Regierung Adenauer das unangenehme Gefühl“, empörte sie sich, „als ob ihre Rechtszensuren mit dem Glacéhandschuh und die Linkszensuren mit dem Boxhandschuh geschrieben würden. [...] Ich möchte mir die bescheidene Frage erlauben, ob denn der Westen so arm an Kräften ist, dass er die Entbräunten zuerst in die Ämter einstellen muss?“ In der Auseinandersetzung um die zwölf Jahre Nationalsozialismus hatte Jeanette Wolff zwei unverrückbare Positionen: Kein Vergessen, aber Versöhnung!

Auch innerhalb der SPD traf sie mit ihren Warnungen vor einem Wiederaufleben rechtsradikaler bzw. nationalsozialistischer Bestrebungen oftmals auf taube Ohren. In einem längeren Diskussionsbeitrag auf dem SPD-Parteitag von 1952 mahnte sie die Parteigenossen, diese Tendenzen sehr ernst zu nehmen. Dabei erwähnte sie, dass ihr vor einiger Zeit ein Genosse den Rat gegeben habe, nicht immer von diesen vergangenen Dingen zu reden. Das werde sie „unpopulär“ machen. Dazu merkte sie wörtlich an: „Liebe Genossen, es wäre ein schlechter Sozialdemokrat, der nicht, auch nicht einmal, das Odium, unpopulär zu werden, auf sich nähme, wenn es um die Wahrheit und um den Bestand der deutschen Demokratie geht.“

Auf dem Bundesparteitag der SPD im Juli 1956, an dem sie zum letzten Male als Delegierte des Berliner Landesverbandes teilnahm, wiederholte sie sehr eindringlich ihre Warnung vor dem „Neofaschismus und der Wiederkehr des Althergebrachten.“ Diese Warnung verband sie mit den beiden erwähnten anderen Schwerpunkten ihrer öffentlichen politischen Tätigkeit: Die Wiedergutmachungsgesetze müssten, so forderte sie, durch die Verwaltungen endlich in die Tat umgesetzt werden. Dabei mahnte sie die Parteigenossen und insbesondere die anwesende Presse, nicht auf die Regierungspropaganda hereinzufallen und diese Gesetze als „Verdienst“ der Bundesregierung herauszustellen.

Ohne die Sozialdemokraten als „ewige Mahner“ gäbe es noch keine einigermaßen befriedigenden Entschädigungsgesetze für die Opfer des Nationalsozialismus. Die Naziopfer warnte sie erneut davor, auf die VVN hereinzufallen, die sich nicht wirklich um ihre Interessen kümmere, sondern diese für die Ziele einer kommunistischen Diktatur instrumentalisieren wolle. Der Kommunismus müsse weiterhin mit aller Kraft bekämpft werden, denn eine Diktatur sei nicht besser als die andere. Doch müsse immer im Auge behalten werden, dass nicht alle Politiker, die gegen den Kommunismus kämpfen, „Garanten für eine wirkliche Demokratie“ seien.

 

Für eine lebendige jüdische Kultur

Als sie 1961 ihre parlamentarische Tätigkeit in Bonn aufgab, widmete sie sich ausschließlich jüdischen Angelegenheiten. Sie war seit ihrer Rückkehr nach Deutschland 1946 in nahezu allen jüdischen Organisationen führend tätig und stellte dabei auch Forderungen an die in Deutschland lebenden Juden. Sie wollte sich nicht damit abfinden, in den nach 1945 erst ganz allmählich neu entstehenden jüdischen Gemeinden bloße „Liquidationsgemeinden“ zu sehen, sondern wünschte sich eine neue lebendige, jüdische Kultur in Deutschland – die Realisierung ihres Konzepts einer neuen jüdischen „Aufbaugemeinde“.

Ihre politischen Ziele umschrieb sie so: „Ein Deutschland der wahren Demokratie, der Freiheit und des Friedens soll erwachen. Durch die Mitarbeit aller Frauen in Deutschland, die guten Willens sind, die einsehen lernten, dass nur Freiheit, Menschlichkeit und Völkerversöhnung Garanten für einen dauernden Frieden der Welt und somit für eine glückliche Menschheit sein können, wollen wir die Wiedergutmachung vollziehen an allen, an denen die Hitlerdiktatur zwölf Jahre gesündigt hat. Und wir wollen durch diese unsere Arbeit das Ansehen unseres deutschen Vaterlandes in der Welt wiederherstellen.“ Ein Angebot, für das amerikanische Magazin „Life“ in den USA zu arbeiten, schlug sie mit der Begründung aus, dass sie in Deutschland notwendiger gebraucht würde — „als Jüdin, als aufrechter Demokrat und Sozialdemokrat“.

Als nie schwankende Demokratin gab es für sie weder Stillstand noch Verzagen. Jeanette Wolff hatte überlebt, und das verpflichtete sie, im Namen der Toten und der Lebenden zur Verständigung unter den Menschen beizutragen. Aussöhnung und Wiedergutmachung waren ihre ultima ratio.

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