Leseempfehlung: „Durchs irre Germanistan: Notizen aus der Ampel-Republik“

Das neue Buch von Henryk M. Broder und Reinhard Mohr resümiert mit viel Humor, was in diesem merkwürdigen Land vorgeht und viele ratlos oder wütend zurücklässt: ein größenwahnsinniger falsch verstandener Moralismus, suizidal-fahrlässiger Einlass gewalttätiger islamischer Judenhasser, realitätsferne Illusionen, Angst vor einer wirklichen Gedanken-Freiheit, dazu eine Vollkasko-Mentalität mit einer kräftigen Portion Geschichtsvergessenheit, die sich abstruserweise auch noch als „Lehre aus der Geschichte“ tarnt. (JR)

Von Filip Gašpar

Die Publizisten Henryk M. Broder und Reinhard Mohr haben gemeinsam einen in Anekdotenform verfassten Zustandsbericht über das aktuelle Deutschland herausgebracht.

Mit Henryk M. Broder, Jahrgang 1946, und Reinhard Mohr, Jahrgang 1955, haben nicht nur die zwei Richtigen zueinander gefunden, sondern sie haben mit ihrer Analyse der „Bullerbü-Republik“ auch ins Schwarze getroffen. Insbesondere sind sie bekannt für ihre frühere und aktuelle journalistische Tätigkeit, die sie unter anderem bei SPIEGEL, STERN, FAZ, WELT und der „Achse des Guten“, bei der Henryk M. Broder Mitherausgeber ist, ausgeübt haben, sowie für ihre zahlreichen veröffentlichten Bücher.

Das Buch beginnt mit der seit Dezember 2021 aus SPD, Grünen und FDP bestehenden Ampel-Koalition. Daher passt der Titel auch wie die Faust aufs Auge: „Durchs irre Germanistan. Notizen aus der Ampel-Republik.“. Das Buch ist in drei Hauptkapitel aufgeteilt, die da lauten: „Schöne Illusionen oder die Realitätsblindheit der Bullerbü-Republik“ – „Moralismus als neue Gratis-Tugend – die gute Absicht zählt“ – „Die deutsche Apokalypseverliebtheit oder Untergang ist immer.“ In den folgenden drei Kapiteln und dem Epilog finden sich insgesamt 62 „Notizen“, die zu ehrlichen und scharf formulierten Diagnosen sowie treffenden, bissigen Kommentaren geworden sind. Dabei so zugleich lustige wie teilweise bittere Überschriften wie „Herr Steinmeier und die Märchen aus 1001 Nacht“, „Gedöns war früher – heute ist Zusammenhalt!“, „Nie wieder Bücherverbrennung? Warum nicht?“, „Nie wieder Bücherverbrennung? Warum nicht?“, „Antisemitismus – ein ganz neues Phänomen“ oder „Unfassbar: Die Militarisierung der Bundeswehr schreitet immer weiter voran!“, um nur ein paar zu nennen.

 

Breites Themenspektrum

Folglich ist Broder und Mohrs Buch zu einem äußerst unterhaltsamen Lesevergnügen geworden, das mehr als sechzig Mal zum Schmunzeln oder wahlweise zum Weinen anregt. Ein stringenter roter Faden ist nicht vorhanden, was angesichts des mangelnden Zusammenhangs in der politischen Diskussion kaum verwunderlich ist – abgesehen von der gemeinsamen Absicht, Deutschland bis zur Unkenntlichkeit zu verändern und im Grunde genommen abzuschaffen. Man muss das Buch nicht von vorne bis hinten lesen, sondern kann sich einzelne Kapitel nach Interesse herauspicken. Es ist für jeden Optimisten etwas dabei, was ihn danach an seinem Optimismus stark zweifeln lässt.

Das Themenspektrum geht von der desaströsen Bildungssituation, der Migrations- und Energiepolitik, dem Gender-Irrsinn und der „Entwaffnung“ der Bundeswehr bzw. vom dem, was es da noch zu entwaffnen gab.

Es handelt sich bei den einzelnen Kapiteln nicht nur um Zustandsbeschreibungen der aktuellen politischen und sozialen Lage, sondern um bittere Analyse nicht des „besten Deutschland, das es jemals gegeben hat“, wie es der Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier genannt hat, sondern eher um das demotivierteste, dekonstruierteste und deindustrialisierte, um nicht zu sagen, das heruntergewirtschafteste Deutschland aller Zeiten, denn da ist, leider noch Luft nach oben. Auch wenn der Wirtschaftsminister Robert Habeck bei der Vorstellung seiner Herbstprognose sagte: „Wir haben eine Bodenbildung erreicht, wir verlassen das Tal und dann geht es wieder aufwärts“. Schwer zu glauben, wenn währenddessen Wirtschaftsexperten kontinuierlich ihre Prognosen für Deutschland, sowohl für das Jahr 2023 als auch für das Jahr 2024, korrigieren, und zwar nach unten.

 

Bittere Ironie

Somit ist zum Beispiel das Kapitel: „Herr Habeck vertritt deutsche Interessen“ mit bitterer Ironie zu lesen, wenn Habeck in der Sendung von Sandra Maischberger sagt, dass Deutschland in hohem Maße vom Import fossiler Energie abhängig sei, man aber trotzdem am Ausstieg aus der Atomenergie festhalten wolle, es gleichzeitig aber anderen Ländern zugesteht. So geschehen im Falle der Ukraine, über die Habeck in einem WELT TV Interview meinte: „Die Ukraine wird an der Atomkraft festhalten. Das ist völlig klar – und das ist auch in Ordnung, solange die Dinger sicher laufen. Sie sind ja gebaut.“ Es könnte wie Hohn in den Ohren deutscher Bürger klingen, wenn sie lesen, dass Anderen zugestanden wird, was ihnen selbst verwehrt werden soll. Welche Reaktionen diese Aussage hatte, ist im genannten Kapitel nachzulesen.

Das Buch kann auch als ein Nachschlagewerk der Personen, die in der aktuellen politischen und medialen Welt als sogenannte „Elite“ angesehen werden, gelesen werden. Im Epilog steht: „In einem Land, in dem Minderleister wie Claudia Roth, Frank-Walter Steinmeier und Manuela Schwesig politische Karrieren machen konnten, Richard David Precht als Philosoph gilt und Robert Habeck den Ludwig-Börne-Preis bekommt, in einem solchen Land ist etwas schiefgelaufen, irreversibel.“ Doch es bleibt nicht bei dieser Aussage, oder auf gut Deutsch: Jeder bekommt sein Fett weg. Im Buch werden immer wieder die „staatstragenden“ Leistungen von Personen wie der Außenministerin Annalena Baerbock, Wirtschaftsminister Robert Habeck, Lisa Paus, der „Gesundheitsminister der Herzen“ Karl Lauterbach darf natürlich nicht fehlen, Entwicklungsministerin Svenja Schulze, der mittlerweile ehemaligen Verteidigungsministerin Christine Lambrecht und der Umweltministerin Steffi Lemke, „eine Grüne, die ihre Ernennung zur Bundesumweltministerin demselben Geheimcode verdankt, der schon Christine Lambrecht in das Verteidigungsministerium gespült hat“ herausgehoben.

Ihre besondere Freude scheint beiden mit dem „Staatsoberhaupt“ überhaupt, nämlich dem Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier, gehabt zu haben. Über ihn heißt es: „Klar, dass man von Steinmeier nichts erwarten kann, aber mit allem rechnen muss.“

 

Erstarken des Antisemitismus

Das Buch ist vor dem Terrorangriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober erschienen und somit lesen sich manche Bezüge zu Israel und zum jüdischen Leben in Deutschland mit einer noch bitteren Klarheit. Allen voran das Kapitel „Herr Schuster ruft eine Bildungsoffensive aus“, in der Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, den wieder erstarkten Antisemitismus in Deutschland mit Bildung, Bildung und nochmals Bildung bekämpfen will. Wie wenig diese Bildungsoffensive gebracht hat, kann man neuerdings nicht nur auf den Straßen in Berlin sehen. Im Buch wird die Frage gestellt: „Und woher kommt die »Enthemmung«, die »wir« heute beobachten? Ich weiß es, Josef Schuster weiß es, alle wissen es. Es ist der berühmte weiße Elefant im Raum, den alle sehen, aber keiner bemerken will: die Zuwanderung aus Ländern mit einer ausgeprägten antisemitischen Kultur.“

Jedes der einzelnen von insgesamt sechzig Einzelkapitel, mit einer Länge von mal zwei, mal sechs Seiten, stellt eine gründlich formulierte Diagnose des heutigen Deutschlands dar. Der Anspruch auf Vollständigkeit ist nicht zu haben, und gerne hätte man auch pointierte Sachen über die AfD, die FDP, die SED-Nachfolgepartei Die Linke oder die CDU/CSU gelesen, aber man kann ja nicht alles haben.

 

Henryk M. Broder, Reinhard Mohr: Durchs irre Germanistan. Notizen aus der Ampel-Republik. Europa Verlag, München 2023. 224 Seiten, 20 Euro.

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