Antisemitische Ausschreitungen in Frankreich
Eine sogenannte Pro-Palästinensische Demo in Frankreich.© FIORA GARENZI Hans Lucas Hans Lucas via AFP
Mit geschätzt 770.000 Menschen hat Frankreich nach Israel und den USA die drittgrößte jüdische Gemeinde. Die Zahl judenfeindlicher Angriffe stieg 2022 im Vergleich zum Vorjahr um 75 Prozent – fast dreimal so stark wie in Deutschland, wo ebenfalls bereits verheerende Zustände herrschen. Seit den Terrorangriffen der Hamas auf Zivilisten in Israel hat sich die Lage noch mehr zugespitzt, die Situation für Juden wird zunehmend unhaltbar. (JR)
Es kracht in Frankreich. Hassdemonstrationen gegen Israel und Juden gibt es vor allem in den Großstädten. Die Spannung wächst – und auch die Angst vor Anschlägen wie den auf das Bataclan oder auf Charlie Hebdo.
Wahrscheinlich hat kein anderes Land Europas eine größere, wenn auch sehr heterogene muslimische Gemeinschaft als Frankreich. Die Zahlen schwanken je nach Quelle zwischen 4 und 10 Millionen – also zwischen 5,9 und 14,9 Prozent der Gesamtbevölkerung. Demgegenüber machen Juden in Frankreich nur ein Prozent der Gesamtbevölkerung aus – doch es ist mit geschätzt 770.000 Menschen nach Israel und den USA die drittgrößte jüdische Gemeinde.
Die Zahl judenfeindlicher Angriffe stieg 2022 im Vergleich zum Vorjahr um 75 Prozent – fast dreimal so stark wie in Deutschland. 73 Prozent aller Straftaten mit religiös motiviertem Hintergrund wurden gegen Juden verübt. Bei der muslimischen Bevölkerung scheint über die Hälfte der Befragten zu glauben, dass Juden einen zu großen Einfluss auf Medien hätten. Bei über 50-jährigen Muslimen und denen, die wöchentlich die Moschee besuchen, erreicht dieser Wert über 60 Prozent.
Seit den Terrorangriffen der Hamas auf Zivilisten in Israel spitzt sich die Lage zu. Die Stimmung ist angespannt. Alarm in Lille, Lyon und Toulouse: Gleich mehrere französische Flughäfen mussten nach Drohungen evakuiert werden. In Nizza sorgte ein unbegleiteter Koffer für einen Polizeieinsatz. Nach Bombenalarm wurden Schulen, der Louvre, Schloss Versailles und der Bahnhof Gare de Lyon geräumt.
Von einem „Genozid“ kann keine Rede sein
In Frankreich gilt die höchste Terrorwarnstufe, nachdem ein radikalisierter tschetschenischer 20-Jähriger in einer Schule in Arras einen Lehrer erstach und drei weitere Menschen verletzte. Der Angreifer bekannte sich zum Islamischen Staat (IS). Er wurde von der Polizei überwältigt und festgenommen. Der Mann und seine Familie hätten bereits 2014 abgeschoben werden müssen. Der Innenminister sieht einen Zusammenhang zwischen den Ereignissen im Nahen Osten und der Tat. Man erinnert sich in Frankreich noch allzu gut an den vor drei Jahren ermordeten Geschichtslehrer Samuel Paty. Der 47-Jährige war am 16. Oktober 2020 in einem Pariser Vorort von einem Angreifer getötet und dann enthauptet worden.
Was tun? In Frankreich ist die Polizeipräsenz größer als in Deutschland, vor allem tritt man hier weit martialischer auf, die MPi stets bereit. Auch soll ein neues Einwanderungsgesetz dafür sorgen, dass radikalisierte Gefährder ihre Aufenthaltsgenehmigung verlieren und in ihre Herkunftsländer zurückgeschickt werden können. Doch das Projekt wird seit über einem Jahr verschleppt, weil der Regierung die Mehrheit im Parlament fehlt. Vor allem die Konservativen von Les Républicians blockieren das Gesetzesprojekt, weil es ihnen nicht scharf genug ist.
Wer nimmt sie auf?
In der Tat ist nicht einzusehen, warum in Frankreich leben soll, wer sich mit dem Land und seinen Auffassungen vom Zusammenleben nicht identifiziert. Doch wohin sollen sie gehen beziehungsweise wer nimmt sie auf? Die Glaubensgenossen der „Palästinenser“ weigern sich standhaft, ihnen auch nur kurzfristig einen Schutzraum zu geben. Ägypten hat den Grenzübergang bei Rafah geschlossen. Man fürchtet, dass Flüchtlinge womöglich nicht mehr nach Gaza zurückkehren wollen und auf dem Sinai permanente „palästinensische“ Flüchtlingslager wie im Libanon, Syrien oder Jordanien entstehen könnten. Schon deshalb will man in Jordanien den bereits 2 Millionen keine weiteren hinzufügen. Man weiß halt, was man sich mit vielen „Palästinensern“ einhandeln würde, nicht nur mit den Terroristen der Hamas: einen ewigen Unruheherd. Denn die ursprünglichen „Palästinenser“ haben sich mittlerweile erheblich vermehrt, von einem „Genozid“ durch Israel kann nicht die Rede sein.
Doch vor allem möchte man den Gazastreifen nicht Israel überlassen. Das alles ist für Deutschland bedeutend, nicht nur wegen der ständigen Rede von der „Staatsräson“, auf Israels Seite zu sein. Auch unter dem Gesichtspunkt, dass die noch immer nicht beendete „Willkommenskultur“ jeden Anreiz für geflüchtete „Palästinenser“ bietet, auch für die Terroristen der Hamas. Der derzeitigen Regierung ist nicht zuzutrauen, dass sie dagegen wirkungsvolle Maßnahmen ergreift. Die Außenministerin zögerte ja sogar dabei, die Zahlungen an die „Palästinenser“ einzustellen. Wahrlich, wir leben in interessanten Zeiten.
Cora Stephan ist Publizistin und Schriftstellerin. Viele ihrer Romane und Sachbücher wurden Bestseller. Soeben ist ihr neuer Roman „Über alle Gräben hinweg. Roman einer Freundschaft“ erschienen.
Dieser Artikel erschien zuerst bei Achgut.com
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