Juden in Südafrika – Geschichte und Zukunft
Die „Alte“ oder „Paul Kruger Street Synagogue“ in Pretoria.© Cvanrooyen, WIKIPEDIA
Die Geschichte des südafrikanischen Judentums beginnt im Wesentlichen mit der Einwanderung in die holländische Kolonie am Südkap Afrikas. Religionsfreiheit wurde den „nichtchristlichen“ Einwanderern allerdings erst unter britischer Herrschaft Anfang des 19. Jahrhunderts gewährt. Die Ursache für die hohen Einwanderungszahlen jüdischer Menschen, nicht nur in Südafrika, sondern auch in den Vereinigten Staaten, waren die Pogrome nach der in St. Petersburg im Jahre 1881 erfolgen Ermordung von Zar Alexander II.. Die Pogrome wurden vor allem im westlichen Bereich des Zarenreiches verübt und dort, neben Litauen und Weißrussland, bezeichnenderweise an ganz erster Stelle in der Ukraine, wo die Judenverfolgungen mit massivster Brutalität stattgefunden haben und viele Juden ihres Lebens und die Überlebenden zum großen Teil ihrer Heimat beraubt wurden. (JR)
Im ethnisch und religiös sehr diversen Südafrika spielen auch die Juden schon lange eine sichtbare Rolle. Vermutlich gab es schon kurz nach der Gründung der Niederländischen Kapkolonie im Jahr 1652 auch Jüdische Ansiedler, allerdings mussten diese zum Protestantismus übertreten. Im frühen 19. Jahrhundert, nachdem Religionsfreiheit gewährt wurde, gab es nun genug bekennende Juden, um in Kapstadt eine eigene Gemeinde gründen zu können.
Im Zuge des Britischen Imperialismus des späten 19. Jahrhunderts, vor allem nach der Entdeckung von unermesslich reichen Vorkommen an Diamanten und Gold, kamen zahlreiche Juden zusammen mit anderen Europäern in das Pionierland Südafrika. Bekannt ist der exzentrische jüdische Magnat Barney Barnato, der mit dem noch bekannteren Engländer Cecil Rhodes einen Kampf um den Besitz der Diamantenfelder von Kimberley führte. Noch wichtiger war und ist die Oppenheimer-Familie im Witwatersrand (Johannesburg). Nicky Oppenheimer, Enkel des Firmengründers Ernest Oppenheimer und Sohn von Harry Oppenheimer, ist einer der reichsten Menschen Afrikas. Sein Großvater Ernest wanderte direkt nach dem Ende des Burenkriges 1902 als junger Mann aus Deutschland nach Südafrika aus und wurde durch den Diamanten- und später Goldhandel im wahrsten Sinne des Wortes steinreich. Er kaufte Rhodes die De Beers Diamantengesellschaft in Kimberley ab und gründete mit Anglo American Corporation die größte Bergbaugesellschaft des Landes, die vor allem Goldminen um Johannesburg betreibt.
Die „Burenjuden“
Allerdings waren Juden nicht nur in den Minenstädten aktiv, sondern waren über ganz Südafrika verteilt, vor allem als Betreiber von kleinen Läden. Auf dem Land, wo die Buren (die Nachfahren der Niederländer, welche sich mit Deutschen und Hugenottischen Ansiedlern vermischt hatten und sich selbst stolz „Afrikaaner“ nennen) anders als die Engländer in den Städten, tonangebend waren, gab es ein recht gutes Verhältnis. Nicht wenige Juden integrierten sich in die burische Mehrheit, konvertierten zum Christentum und wurden zu „Burenjuden“. Diese „Burenjuden“ kämpften sogar mit den Buren zusammen im Burenkrieg (1899-1902) gegen Großbritannien. Mittlerweile gibt es allerdings kaum noch Juden auf dem Land, denn die Zerstörung des Burenkrieges ließ neben den Buren auch viele ländliche Juden auf der Suche nach Arbeit in die Städte strömen. Die Rolle der örtlichen Händler wird heute zunehmend von Chinesen oder Pakistanern ausgefüllt. In den großen Städten wie Johannesburg, Kapstadt, Durban und Pretoria gab und gibt es immer noch relativ starke jüdische Gemeinschaften mit Synagogen und Vereinigungen, wobei insgesammt die Anzahl der Juden von einem Höhepunkt von vermutlich 150.000 um 1970 herum auf etwa die Hälfte geschrumpft ist. Fast alle sind von europäischer Herkunft, also Aschkenasi Juden.
Die Juden boten und bieten sich durchweg als Projektionsfläche für verschiedene Arten des Antisemitismus an, wobei es den Juden in Südafrika durchweg besser ging als in den meisten anderen Ländern wo sie leben und lebten.Von Seiten nationalistischer Buren wurden sie gerade in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts als vermeintliche Agenten des Britischen Imperialismus bezichtigt und es gab auch seitens der Regierung gewisse Beschränkungen auf die Einwanderung von Juden aus Europa. Es wurde argumentiert, dass die weiße Bevölkerung zu klein für die Integration großer Zahlen von ausländischen Juden wäre. Anders als die USA verstand sich Südafrika nie explizit als Einwanderungsland und Schmelztiegel. Trotzdem kamen etwa 6500 Juden während der Zeit des Dritten Reiches aus Deutschland nach Südafrika. Die meisten Juden wanderten allerdings in der Zwischenkriegszeit aus den baltischen Staaten, besonders aus Litauen, wo es viele Juden und auch Diskriminierung gegen sie gab, ein.
Zwischen Diskriminierung und Bewunderung
Später, etwa ab den 1950er Jahren, wurden die Juden wiederum, wegen einiger prominenter jüdischer Kommunisten die Teil des verbotenen African National Congress (ANC) waren, in bestimmten Kreisen als Umstürzler verdächtigt. Pogrome und staatliche Diskriminierung gegen Juden gab es allerdings nicht und sie wurden im Apartheidsystem als Weiße „klassifiziert“. Südafrika war auch eines der ersten Länder, welches Israel als Staat anerkannte. Es gab unter den Buren auch ein pro-Israelitisches Sentiment und eine echte Bewunderung für die Pioniersarbeit durch die Kibbutz-Siedler. Organisationen wie die Hisdraduth dienten später auch als Inspiration für diejenigen, die von dem Aufbau eines burischen Heimatlandes in der Halbwüste Karoo träumten. Golda Meirs Autobiographie „My Life“ hatte sogar einen gewissen Kultstatus in diesen Kreisen.
Ab den 1970’er Jahren gab es sogar besonders enge Beziehungen zwischen Südafrika und Israel, da beide Staaten vom globalen Süden größtenteils feindlich behandelt wurden und auch oft von den Vereinigten Nationen kritisiert wurden und sich daher miteinander solidarisierten. Dabei fand auch ein fruchtbarer Austausch von Expertise statt. Südafrikanische Ingenieure halfen beispielsweise bei Infrastrukturprojekten in Israel und Israel half bei der Modernisierung der südafrikanischen Armee.
Unnötig zu sagen, daß die allermeisten südafrikanischen Juden weder Imperialisten noch Kommunisten waren. Politisch waren und sind die meisten der liberal-demokratischen Democratic Alliance (DA, früher Democratic Party DP), mittlerweile die größte Oppositionspartei, zugeneigt, welche die Apartheid auf friedlichem Wege und unter Beibehaltung einer westlichen Rechts- und Wirtschaftsordnung, abschaffen wollte. Mehrere prominente Vertreter der DP bzw DA, Helen Suzman, Tony Leon und später Helen Zille, waren bzw. sind Juden.
ANC gegen Israel positioniert
Heute werden die südafrikanischen Juden zunehmend vom regierenden ANC und noch mehr von der linksradikalen Partei Economic Freedom Fighters (EFF) abgelehnt und sogar angegriffen, weil sie dort wiederum der antisemitischen Karikatur des „reichen, privilegierten Weißen der die Wirtschaft kontroliert“ zugeschrieben werden und weil der ANC sich im Nahostkonflikt eindeutig für die „Palestinenser“ und gegen Israel positioniert. Auch mit dem Iran und anderen Feinden Israels unterhält der ANC ein freundschaftliches Verhältnis. Die islamische Bevölkerung Südafrikas ist noch relativ gering mit etwa 2% Anteil und vor allem um Durban und Kapstadt konzentriert, steigt aber an und Moslems sind im ANC relativ einflussreich.
Heute leben nach Schätzungen noch etwa zwischen 50.000 und 80.000 Juden in Südafrika, die meisten in Johannesburg, allerdings mit fallender Tendenz. Es gibt sowohl die konvertierten Juden, die sich im Englischsprachigen, anglikanen Teil Südafrikas einfügen, wie die bereits erwähnte Oppenheimer-Familie oder die Politiker Tony Leon und Helen Zille (die mit dem bekannten Berliner Zeichner entfernt verwant ist), als auch die mehr orthodox eingestellten Juden, die ihr Judentum noch stark ausleben und erhalten und für die die Synagoge ein wichtiger Bezugspunkt ist. Es gibt auch jüdische Schulen, eine landesweite Zeitung (South African Jewsih Report) und einen jüdischen Radiosender (Chai FM). Insgesamt werden die Juden Südafrikas vom South African Jewish Board of Deputies repräsentiert. Außer den bereits erwähnten Politikern der DP/DA sind der Sänger David Kramer, der Komiker Pieter-Dirk Uys und der Rugbyspieler Joel Stransky sowie die bereits verstorbene Dichterin Olga Kirsch und die Malerin Irma Stern allgemein bekannte südafrikanische Juden.
Die Auswanderungswelle, die viele Weiße betrifft, hat auch die Juden Südafrikas ergriffen, die wie andere auch wegen horrender Kriminalität, Verfall der Verwaltung und Infrastruktur und sich immer weiter verschlechternden Lebensumständen emigrieren, wobei sich Israel als Zuflucht anbietet. In Israel gibt es das Wohngebiet Savyon zwischen Tel-Aviv und Jerusalem, welches von südafrikansichen Juden bewohnt wird und im Stil eines typischen gutsituierten Vorortes von Johannesburg gebaut wurde, mit breiten, schattigen Alleen, großen Häusern und Grundstücken mit Schwimmbad. Die meisten südafrikanischen Juden emigrieren allerdings, wie auch andere Weiße, bevorzugt in Englischsprachige Länder wie die USA, Großbritannien, Australien, Neu-Seeland und Kanada.
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