Israels neue Eisenbahnlinie und die Beziehungen zu Saudi-Arabien

Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat Erfahrungen mit Großprojekten – wirtschaftlich und politisch. 
© WIN MCNAMEE GETTY IMAGES NORTH AMERICA Getty Images via AFP

Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat Ende Juli einen grandiosen Infrastrukturplan vorgestellt, der unter anderem eine Hochgeschwindigkeits-Eisenbahnlinie von der nördlichen Stadt Kiryat Shemona nach Eilat im äußersten Süden Israels vorsieht. Der Premierminister äußerte sich ferner zu einer künftigen Verlängerung der Hochgeschwindigkeitsstrecke nach Saudi-Arabien. Dies könnte ein Hinweis auf eine Normalisierung der Beziehungen zwischen Saudi-Arabien und Israel sein. Die Politik der Annäherung wird auch durch die gerade erfolgte Eröffnung der israelischen Botschaft in Bahrain sichtbar. Schon jetzt gibt es einen „Wirtschaftsfrieden“ zwischen den beiden Ländern. Israelische Start-up-Unternehmen sind Berichten zufolge schon seit einiger Zeit in Saudi-Arabien aktiv. Einige sind auch am Bau der riesigen futuristischen Stadt NEOM an der arabischen Küste des Roten Meeres beteiligt. (JR)

Von Yochanan Visser

Am Sonntag, den 30. Juli, stellte der israelische Premierminister Benjamin Netanjahu einen grandiosen Infrastrukturplan vor, der unter anderem eine Hochgeschwindigkeits-Eisenbahnlinie von der nördlichen Stadt Kiryat Shemona nach Eilat im äußersten Süden Israels vorsieht.

Der israelische Premierminister äußerte sich ferner zu einer künftigen Verlängerung der Hochgeschwindigkeitsstrecke nach Saudi-Arabien, nachdem die Verbindung zwischen Kiryat Shemona und Eilat fertiggestellt ist. An sich war dies keine neue Idee, da Israel Katz in seiner früheren Funktion als Verkehrsminister diesen Plan bereits 2018 auf einer regionalen Konferenz im Oman vorgestellt hatte. Die Kosten für das gesamte Infrastrukturprojekt werden auf 104 Milliarden Schekel (ca. 30 Milliarden Euro) geschätzt, und es wurde ein Regierungsausschuss gebildet, um die Finanzierung des Plans unabhängig vom Zweijahreshaushalt des Staates Israel zu regeln.

Kritiker behaupteten, der Plan bleibe wegen seiner enormen Kosten ein Wunschtraum, aber Netanjahu hat schon früher bewiesen, dass er die Mittel für solche Großprojekte aufbringen kann.

Beispiele dafür sind die Hochgeschwindigkeitsstrecke von Jerusalem nach Tel Aviv und Israels erfolgreiche Erschließung seiner verschiedenen Erdgasvorkommen vor der Küste. Bevor wir die Bemerkung des Premierministers über die Verlängerung der Bahnlinie nach Saudi-Arabien analysieren, sollten wir uns die Einzelheiten des gesamten Infrastrukturplans ansehen.

 

Der Plan in groben Zügen

Der Plan wird als dringend notwendig erachtet, da Israel seit Jahren unter schweren Verkehrsstaus leidet und die Bevölkerung des jüdischen Staates schnell wächst.

Der vom Kabinett gebilligte Plan sieht ein fünftes und sechstes Gleis entlang der Ayalon-Autobahn vor, die durch Tel Aviv führt. Die Bahnlinie an der Küste soll verdoppelt, die Strecke nach Haifa elektrifiziert und ein Tunnel unter der Stadt gegraben werden. Außerdem wird es eine Zugverbindung zwischen Jerusalem und Beer Sheva geben, die die Hauptstadt mit der größten Stadt im Süden Israels verbindet. Andere bestehende Bahnlinien werden besser angebunden, sodass man schneller reisen kann, da alle Züge elektrifiziert werden sollen.

Netanjahu zufolge werden die Menschen mit einem TGV, der bis zu 250 Stundenkilometer schnell sein wird, in zwei Stunden von Kiryat Shemona nach Eilat fahren können. Derzeit dauert eine Autofahrt vom äußersten Norden Israels nach Eilat durchschnittlich sechs bis sieben Stunden.

Umweltaktivisten

Die in der Society for the Protection of Nature in Israel (SPNI) zusammengeschlossenen Umweltaktivisten lehnen das Projekt entschieden ab.

SPNI behauptet, dass eine von Experten des Shasha-Zentrums für strategische Studien an der Hebräischen Universität Jerusalem durchgeführte Studie das Vorhaben als undurchführbar eingestuft hat. Die Gesellschaft behauptet ferner, dass alle geostrategischen, logistischen, ökologischen und wirtschaftlichen Ziele der (Eilat-)Eisenbahn nicht erreicht werden können und dass der Bau der Eisenbahn erhebliche Umweltschäden verursachen wird.

Diese Schäden werden sich, wenn überhaupt, wahrscheinlich auf die Strecke entlang des Toten Meeres, das zum UNESCO-Kulturerbe gehört, oder auf das Judäische Gebirge beschränken, wenn die TGV-Strecke durch die dortige Wüste führt. Der Rest der Strecke würde durch das Jordantal und die Arava verlaufen – die staubige Talsohle vom Fuß des Toten Meeres bis nach Eilat.

Durch diese Gebiete verläuft bereits eine Autobahn, die sich geografisch ideal für den Bau einer Eisenbahnlinie eignet, ohne die Umwelt wesentlich zu beeinträchtigen.

 

Neue Eisenbahnlinie und Normalisierung der Beziehungen zu Saudi-Arabien

Auf der wöchentlichen Kabinettssitzung am 30. Juli erklärte Netanjahu unter anderem: “In Zukunft werden wir in der Lage sein, Güter von Eilat zu unseren Mittelmeerhäfen per Bahn zu transportieren. Wir werden auch in der Lage sein, Israel mit Saudi-Arabien und der arabischen Halbinsel per Bahn zu verbinden. Daran arbeiten wir ebenfalls.”

Journalisten interpretierten diese Äußerung als Hinweis darauf, dass eine Normalisierung der Beziehungen zwischen Saudi-Arabien und Israel nun unmittelbar bevorstehen könnte. Verstärkt wurden diese Spekulationen durch amerikanische Medienberichte über einen kürzlichen Besuch zweier hochrangiger amerikanischer Diplomaten in der saudischen Hauptstadt Riad.

Aus Quellen des Weißen Hauses war zu erfahren, dass Jake Sullivan, der nationale Sicherheitsberater der US-Regierung, und Bret McGurk, Bidens Nahost-Beauftragter, dort unter anderem die Normalisierung der Beziehungen zwischen Israel und Saudi-Arabien erörterten. Es könnte sein, dass eine solche Normalisierung bevorsteht. Entsprechende Spekulationen kursieren bereits seit einiger Zeit. Die Erwartungen wurden jedoch durch die Haltung der saudischen Führung gedämpft.

Sie vertrat offiziell die Auffassung, dass die Normalisierung der Beziehungen zu Israel an die nationalen Bestrebungen der „Palästinenser“ geknüpft werden sollte. Da es keine Aussicht auf einen Friedensprozess mit der „palästinensischen“ Nationalbewegung gibt und die verschiedenen „palästinensischen“ politischen Bewegungen intern stark gespalten sind, scheint dies eine unrealistische Bedingung für ein solches Abkommen zu sein. Es wird jedoch angenommen, dass Präsident Biden einen außenpolitischen Erfolg braucht, um seine Wiederwahl im nächsten Jahr zu unterstützen.

Ob dieser Erfolg tatsächlich ein Abkommen mit Saudi-Arabien über die Normalisierung der Beziehungen zu Israel sein wird, so etwas wie die sogenannten Abraham-Abkommen, ist höchst fraglich. Diese Abkommen zwischen Israel und vier arabischen Ländern wurden während der Präsidentschaft von Donald Trump geschlossen. Sie schufen in drei Fällen (mit Ausnahme des Sudan) einen vollständigen Frieden zwischen Israel und diesen arabischen Staaten, aber im Fall von Saudi-Arabien könnte es anfangs eine Art “Wirtschaftsfrieden” geben.

 

Wirtschaftlicher Frieden

Wie Netanjahu betonte, arbeitet seine Regierung hinter den Kulissen an weiteren (wirtschaftlichen) Beziehungen mit dem Königreich und hat kürzlich den Mossad-Direktor David Barnea zu Gesprächen nach Washington geschickt.

Während der Bau einer Eisenbahnlinie derzeit nur ein Plan ist, bestehen bereits wirtschaftliche Kontakte. Israelische Start-up-Unternehmen sind Berichten zufolge schon seit einiger Zeit in Saudi-Arabien aktiv. Einige sind auch am Bau der riesigen futuristischen Stadt NEOM an der arabischen Küste des Roten Meeres beteiligt.

Sowohl Netanjahu als auch sein nationaler Sicherheitsberater Tzachi Hanegbi haben erklärt, die Entscheidung über eine Normalisierung der Beziehungen zu Saudi-Arabien liege bei der Führung in Riad.

Da König Salman die Normalisierung bisher offiziell blockiert hat und sein Sohn Mohammed, der Kronprinz, eine gewisse Form der Normalisierung befürwortet, könnte es zu einem wirtschaftlichen Frieden und damit zum Bau einer Eisenbahnlinie zwischen Israel und der Arabischen Halbinsel kommen.

 

Dieser Artikel erschien zuerst bei Israel Heute

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