„Die Asyl-Lotterie“ – Europa ist der Jackpot

In „Die Asyl-Lotterie. Eine Bilanz der Flüchtlingspolitik von 2005 bis zum Ukraine-Krieg“ rechnet der niederländische Migrationsforscher Ruud Koopmans schonungslos mit der europäischen und en détail mit der deutschen Asyl- und Integrationspolitik ab. Sachlich und nüchtern. Wissenschaftlich und faktenorientiert. Sein Fazit: Wer es bis an die Grenzen der EU schaffe, könne fast immer dort bleiben und habe damit stets den Jackpot geknackt. (JR)

Von Dr. Deborah Ryszka

Erst einmal soll ein Containerdorf für 400 Asylsuchende innerhalb des 500-Einwohner-Dorfes Upahl aufgebaut werden. Dann sollen 40 Bewohner ihre Wohnungen Flüchtlingen überlassen. Wie kommt man auf solche „grandiosen“ Ideen? Sitzen Asyl- und Integrationspolitiker am Tisch und würfeln sich diese ausgereiften Integrationskonzepte zusammen?

Das bleibt jedenfalls nicht auszuschließen – folgt man zumindest dem Migrationsforscher Ruud Koopmans. In „Die Asyl-Lotterie. Eine Bilanz der Flüchtlingspolitik von 2005 bis zum Ukraine-Krieg“ rechnet er nämlich schonungslos, en gros mit der europäischen, und en détail mit der deutschen Asyl- und Integrationspolitik ab. Sachlich und nüchtern. Wissenschaftlich und faktenorientiert. Offen und ehrlich.

 

Die Europäische Union dreht Däumchen

Dabei ist Koopmans kein Unbekannter. Bereits 2016 kritisierte der Professor für Soziologie und Migrationsforschung an der Humboldt-Universität zu Berlin die Flüchtlingspolitik der deutschen „Lotto-Fee“ Angela Merkel als „absolute Fehlleistung“. Mit „Die Asyl-Lotterie“ kann er nun seine Einschätzung endlich untermauern. Die Realität gibt ihm Recht. Sein Fazit ist hierbei erschreckend. Hatte die Europäische Union (EU) spätestens seit 2015 die Möglichkeit das Asylsystem zu reformieren, legte sie stattdessen die Hände in den Schoß und drehte Däumchen.

Die Folge: Wer es bis an die Grenzen der EU schaffe, habe stets den Jackpot geknackt. Anhand etlicher Beispiele zeigt Koopmans, dass es gängige Praxis sei, dass bereits abgelehnte Asylbewerber noch monate- und jahrelang, ohne Aufenthaltsgenehmigung, in Europa verweilen – weil die Herkunftsländer diese nicht aufnehmen möchten. Oder dass fehlende Ausweisdokumente kein Hindernis darstellten, um trotz fehlendem Identitätsnachweis in der EU bleiben zu dürfen. Seltsamerweise können sich vor allem diejenigen Flüchtlinge nicht ausweisen, die aus Ländern mit geringen Anerkennungschancen kommen.

 

Junge Männer aus wohlsituierten Verhältnissen

Von einer geregelt durchdachten europäischen Asylpolitik könne somit keine Rede sein. Das wüssten die Asylsuchenden. Deswegen nähmen sie auch, wohlwollend und hoffnungsvoll, die strapaziösen Hürden über den Seeweg in Kauf. Um in das „gelobte“ Europa zu gelangen. Meistens einfach nur, um besser zu leben. Denn die meisten Migranten seien Wirtschaftsflüchtlinge. Zumeist junge Männer aus wohlsituierten Verhältnissen. Die Schwächsten blieben hierbei außen vor und müssten in Kriegs- und Hungergebieten weiter ausharren: Arme und Alte, Frauen und Kinder.

Diese europäische Asylpolitik beinhalte auch sicherheitspolitische Risiken. Islamistische Kräfte nutzen die löchrige Asylpolitik, um Fuß auf europäischen Boden zu setzen. Seit der Flüchtlingskrise 2015/2016 nahmen islamistisch motivierte Taten europaweit zu. Auch in Kriminalitätsstatistiken seien besonders Marokkaner und Algerier überrepräsentiert - im Vergleich zu ihrem Bevölkerungsanteil. Auffällig ist, dass grundsätzlich abgelehnte Asylbewerber und solche mit offenem Asylverfahren straffällig werden. Siehe etwa Anis Amri, der Breitscheidplatz-Attentäter von 2016. Auf anerkannte Flüchtlinge hingegen treffe das nicht zu.

Weiterhin räumt Koopmans mit der links-grünen Mär von Flüchtlingen als treibenden Wirtschaftsmotor auf. Passagenweise lesen sich die von Koopmans ausgewählten Wunschfantasien, aus Politik und Wirtschaft, wie feinste Realsatire. Wie etwa diejenige des damaligen Daimler-Chefs Dieter Zetsche: „‚Im besten Fall kann es auch eine Grundlage für das nächste deutsche Wirtschaftswunder werden - […]. Natürlich ist nicht jeder Flüchtling ein brillanter Ingenieur, Mechaniker oder Unternehmer, sicher nicht. Aber viele sind top ausgebildet.'“

Besser konnte Koopmans die Unwissenheit vieler Politiker, Unternehmer und Journalisten über die tatsächlichen Lebensbedingungen der zu 100 Prozent muslimischen Flüchtlingen und der hieraus kulturellen Differenzen nicht darlegen. Ende 2020 waren etwa Zwei-Drittel der Flüchtlinge auf Sozialleistungen angewiesen.

Konsequenzen für Europa und für die innere Sicherheit

Das hätte man aber schon damals wissen können. Einerseits, weil die meisten muslimischen Flüchtlingen noch in alten, patriarchalischen Denkmuster gefangen seien („importierte Macho-Kultur“). Frauen dürften dort nur selten einer Beschäftigung nachgehen. Andererseits sei das Bildungsniveau in den meisten muslimischen Ländern ein anderes. So verfügten 35 Prozent der hier lebenden Flüchtlinge über keine Bildung, die über das Grundschulniveau hinaus gehe. Nur die wenigsten würden eine fachspezifisch abgeschlossene Berufsausbildung besitzen.

Das alles und noch viel mehr untermauert Koopmans nicht nur mit Statistiken und Fakten, sondern auch mit konkreten Fallbeispielen. Die sieben Buchkapitel, verteilt auf etwas über 270 Seiten, vergehen dabei wie im Fluge. Nicht nur verweist der Migrationsforscher hierbei versiert auf die fatalen Fehler im Asylsystem. Zumeist hausgemacht und vermeidbar. Er zeigt auch auf die hieraus entstehenden Konsequenzen: für Europa und für die innere Sicherheit, für die Wirtschaft und die Abhängigkeit Europas von Autokraten. Zudem bietet er Lösungen aus diesem Asylchaos an. Dabei weiß er: das größte Hindernis für eine Asylreform stellen parteiideologische Grabenkämpfe dar.

Allem in allem: Friede-Freude-Eierkuchen-Integrations-Enthusiasten brauchen starke Nerven. Denn Koopmans lässt sich nicht in die Wunsch-Ecke drängen, die da wäre: Nicht sehen, was ist. Aber sehen, was man sehen möchte. Stattdessen rechnet er kenntnisreich mit der desaströsen europäischen und deutschen Asylpolitik ab. Deswegen ist „Die Asyl-Lotterie“ auch das, was sie ist: Eine sechs im Lotto.

 

Koopmans, Ruud (2023). „Die Asyl-Lotterie. Eine Bilanz der Flüchtlingspolitik von 2015 bis zum Ukraine-Krieg“. München: C.H. Beck.

 

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