Außenministerin Annalena Baerbock auf Nahost-Tour: Peinliche Missverständnisse, gewolltes Weghören und beredtes Schweigen

Während die Fatah-Partei unverdrossen gegen Israel und die Juden hetzt, spricht die Grünen-Außenministerin Annalena Baerbock lieber über das Klima und versichert dem Holocaust-Verharmloser Abbas an seiner Seite zu bleiben. Ihren Besuch in Yad Vashem kommentiert sie später auf Instagram mit „aber nun kommt endlich wieder die Sonne raus“, als müsse sie sich von den Bildern der ermordeten Juden entspannen. (JR)

Annalena Baerbock in der Jerusalimer Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem© AFP

Von Jürgen Th. Müller, Jerusalem

Bei ihrem ersten Besuch in der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem hat Annalena Baerbock die Erwartungen erfüllt. Die Betroffenheit war der Grünen-Politikerin ins Gesicht geschrieben, als sie nach der obligatorischen Kranzniederlegung vor die Presse trat. „Als Mutter zweier Töchter stockt mir der Atem, wenn ich an die Millionen jüdischer Kinder denke, die ermordet wurden, ihren Eltern entrissen, allein gelassen, voll Schmerz und Angst vor dem Ungewissen. … Der Gedanke an den Schmerz jedes einzelnen Kindes, jeder einzelnen Mutter, jedes einzelnen Vaters ist kaum zu ertragen.“ Ein emotionales Statement, mit dem sie in die Fußstapfen ihres Vorgängers Heiko Mass (SPD) trat, der ja bekanntermaßen, „wegen Auschwitz“ in die Politik gegangen sei.

Der Pflichtbesuch in Yad Vashem hätte ein gelungener Auftakt ihrer Antrittsreise im Nahen Osten sein können – wenn sie ihn durch einen unsensiblen Post auf Instagram nicht gleich wieder zunichte gemacht hätte. „Ich bin noch tief berührt von meinem Besuch in Yad Vashem“, schrieb sie da, „aber nun kommt endlich wieder die Sonne raus.“ Zwei Fotos: Strand und Meer. Sonne, Wellen und Palmen als Entspannung vom Judenmord? Kopfschütteln und Sprachlosigkeit, das Auswärtige Amt entschuldigte sich, dieser Teil der missratenen Instagram-Story wurde rasch gelöscht.

Die Jung-Ministerin hatte große Ansprüche im Gepäck. Auf allen Stationen ihrer Reise wolle sie nach Möglichkeiten zur stärkeren Zusammenarbeit in der Klima- und Energiepolitik suchen, hieß es in einer vorab veröffentlichten Pressemitteilung des Auswärtigen Amtes. Nun ist die Klimapolitik aber kein Thema, das die Israelis nachts um den Schlaf bringt. Selbst wenn der jüdische Staat mit seinen gerade einmal 9,2 Millionen Einwohnern sämtliche Emissionen sofort auf null herunterfahren würde, hätte das keine spürbaren Auswirkungen auf das Weltklima. In den vergangenen Jahren hat es in Israel mehr geregnet als zuvor, somit kein Grund zur Besorgnis. Aber es geht Baerbock wohl vor allem um Symbolpolitik. Ein sinnvolles Symbol wäre gewesen, die Gaza-Araber dazu zu bewegen, auf das regelmäßige Verbrennen von Tausenden Autoreifen an der Grenze zu verzichten. Der Rauch stinkt den Bewohnern in Südisrael, die dazu noch regelmäßig mit Raketen beschossen werden, ganz gewaltig. Aber die deutsche Außenpolitik hat bekanntlich andere Prioritäten.

 

Fahrlässiges Appeasement

Die israelischen Siedlungen sind völkerrechtswidrig, die Zwei-Staaten-Lösung ist die einzige Lösung für den Nahost-Konflikt. Deutschlands Haltung zum „völkerrechtswidrigen israelischen Siedlungsbau“ ist klar. Diese Mantras der deutschen Politik trug Baerbock bei ihrem Treffen mit Außenminister Yair Lapid vor. Deutschland weiß eben, wie Nahost-Frieden geht. Lapid ist als ehemaliger Fernsehmoderator den Umgang mit schwierigen Persönlichkeiten gewohnt – und ließ Baerbock freundlich, aber bestimmt abblitzen: Israel baue keine Siedlungen, die eine Zwei-Staaten-Lösung beeinträchtigten, und in den Siedlungen gebe es eben ein natürliches Bevölkerungswachstum, basta! Lapid sprach ebenso wie später Regierungschef Naftali Bennett viel lieber über das drängende Thema seiner Regierung, die Bedrohung durch das Mullah-Regime in Teheran. Und so wurde viel geredet und wenig zugehört, jeder hatte sein eigenes Publikum vor Augen. Kaum überraschend, dass Baerbock vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Deutschland für ihre „Kritik unter Freunden“ gelobt wurde.

„Die neue Bundesregierung lässt in ihrem Einsatz für Frieden und Sicherheit für die Menschen in der Region nicht nach. Dazu gehört nach unserer Überzeugung untrennbar der Schutz der Menschenrechte, denn Stabilität gibt es auf Dauer nur dort, wo Menschen Sicherheit und die Chance zur friedlichen Partizipation haben“, so die offizielle Mitteilung von Baerbocks Ministerium. Wer unter diesen Vorzeichen zur „Palästinensischen“ Autonomiebehörde nach Ramallah reist, muss eine lange Liste von Themen im Gepäck haben. Die Fatah-Partei hetzt unverdrossen gegen Israel, legitimiert Gewalt gegen Juden. Schulbücher (zu wesentlichen Teilen von der EU finanziert) strotzen nur so vor Antisemitismus und Judenhass. Schulen und Sporthallen werden nach „Märtyrern“ benannt - je mehr tote Juden ein Terrorist auf dem Konto hat, umso höher die Anerkennung. Familienangehörige von inhaftierten Terroristen bekommen von der Autonomiebehörde ein hohes monatliches Gehalt: „Sozialhilfe“ als Terror-Anreiz.

An der Spitze der Bewegung steht Mahmoud Abbas (86), ein Holocaust-Verharmloser, der die Existenz von Gaskammern ebenso in Frage stellt wie die Zahl von sechs Millionen ermordeten Juden. Die Amtszeit von Abbas ist 2009 abgelaufen, seither hat er keine Wahlen zugelassen. Angehörige der rivalisierenden Hamas-Partei bekommen schon mal einen Schuss ins Knie (die Hamas ist ihrerseits nicht weniger zimperlich), Pressefreiheit gibt es nicht, Homosexuelle werden verfolgt, potenzielle Gegenkandidaten von Abbas verschwinden plötzlich im Gefängnis oder ganz von der Bildfläche. Welche Herausforderungen für eine deutsche Außenministerin, die nach eigener Aussage für Frieden, Sicherheit und Menschenrechte kämpft!

 

Zu Besuch bei Freunden

Doch Baerbock twitterte nach ihrem Besuch (im Original in englischer Sprache): „Vielen Dank, Präsident Abbas, für Ihren herzlichen Empfang in #Ramallah. Bei meinem ersten Besuch im Nahen Osten ist es mir wichtig, dass wir uns persönlich begegnen. Sie können sicher sein: Die Situation des palästinensischen Volkes steht ganz oben auf unserer Tagesordnung. Wir bleiben als zuverlässiger Partner an Ihrer Seite.“ So sieht die „wertegeleitete Außenpolitik“ der deutschen Regierung also in der Praxis aus. Immerhin, so wurde gemeldet, habe Baerbock darauf hingewiesen, dass auch Wahlen notwendig seien.

Deutschland werde alles dafür tun, dass „die israelischen und palästinensischen Vertreter wieder an den Dialogtisch kommen“, unterstrich Baerbock bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit ihrem „palästinensischen“ Kollegen Rijad al-Maliki. Sie warb einmal mehr für die Zwei-Staaten-Lösung als „einzige Option“ für Frieden und Sicherheit in der Region. Al-Maliki, ein 66-jähriger Politik-Haudegen, nutzte die Gunst der Stunde, um sich lautstark darüber zu beschweren, „dass Ministerpräsident Bennett nicht über eine Zwei-Staaten-Lösung“ verhandeln will. Dass die „Palästinenser“ sich seit Jahren weigern, mit den Israelis an einen Tisch zu sitzen – Bennetts Vorgänger Netanjahu hatte dies immer wieder angeboten – war kein Thema. Widerspruch der deutschen Außenministerin? Wurde nicht bekannt.

Und so brach Annalena Baerbock dann auf nach Jordanien. Auf dem Programm: Besuch einer „Flüchtlingssiedlung“ in Talbieh. Diese wird vom Hilfswerk für „Palästina-Flüchtlinge“ im Nahen Osten (UNRWA) betrieben. Bekanntlich sind die „Palästinenser“ das einzige Volk der Erde, das den Flüchtlingsstatus an Kinder, Enkel und Urenkel vererbt und das von einem eigenen Flüchtlingshilfswerk betreut wird. In Jordanien versorgt das Hilfswerk nun Kriegsflüchtlinge aus Syrien, denen es unbestritten schlecht geht. Entsprechend enthusiastisch fiel die Begeisterung von Annalena Baerbock aus: Jordanien leiste für die Versorgung dieser Menschen „einen nahezu unvergleichlichen Beitrag.“

Letzte Station ihrer Reise war Kairo. Ägypten richtet im November die diesjährige Weltklima-Konferenz aus. Gespräche über erneuerbare Energien, Wasserreserven und Umweltschutz – endlich war Annalena Baerbock in ihrem Element.

Die Antrittsreise der neuen deutschen Außenministerin hat letztendlich keine großen Schlagzeilen gemacht.In Israel wurde ihr Besuch überwiegend mit Schulterzucken als Routine-Politikbetrieb abgehakt. Beim näheren Hinsehen fällt aber auf, dass sie in Jerusalem ein bisschen zu belehrend auftrat, während sie in Ramallah unangenehmen Wahrheiten ausgewichen ist und ein bisschen zu wenig gesagt hat. In der Summe waren das einige Ungereimtheiten zu viel. Auf Jiddisch sagt man: „A bisl un a bisl vert a fule shisl“ - „Ein Bisschen und ein Bisschen ergibt eine volle Schüssel.“

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