Eric Zemmour: Der jüdische Stern an Frankreichs politischem Himmel

Ein sephardischer Jude mischt die Politik unseres Nachbarlandes auf: Eric Zemmour bezieht erfolgreich Stellung gegen die allgegenwärtige politische Unvernunft, die Islamisierung und Zerstörung der Grande Nation. Die Wähler laufen ihm – sehr zum Missfallen des linken Establishments – in Scharen zu.

© JULIEN DE ROSA, AFP

Von Maxim Suchanow

Eine Anfang Oktober veröffentlichte Meinungsumfrage, nach der der Journalist Eric Zemmour 17 – 18 % der Stimmen in der ersten Runde der Präsidentschaftswahlen bekommen würde, wurde in Frankreich eine Sensation. So überholt Zemmour, Sohn jüdischer Einwanderer aus Algerien, die traditionelle ultrarechte Marine Le Pen, die 16 % bekommt, und geht in die zweite Runde gegen den derzeitigen Präsidenten des Landes Macron, der die Unterstützung von 24 - 27 % der Franzosen genießt. Noch schlechter ist die Prognose für den Rest der Kandidaten: Die Konservativen Xavier Bertrand und Jean-Luc Melenchon könnten 13 bzw. 11 % der Stimmen erhalten.

Eric Zemmour wurde in dem östlichen Pariser Vorort Montreux in die Familie eines Sanitäters und einer Hausfrau geboren, die mit Ausbruch des Krieges in Algerien in die Metropole zogen. Zemmour ist in jüdischer Tradition aufgewachsen, spricht Hebräisch, besucht die Synagoge und ist mit einer tunesischen Jüdin verheiratet. 1979 absolvierte Eric Zemmour das renommierte Institut für Politische Studien in Paris, zu dessen Alumnis 28 Staats- und Regierungschefs, insbesondere vier französische Präsidenten und 13 Premierminister gehören. Er arbeitete kurz in einer Werbeagentur, schrieb dann für die Zeitung „Le Quotidien de Paris“ und wechselte 1996 als politischer Journalist zu „Le Figaro“. Bereits in den 2000er Jahren stellten Experten seine Nähe zum Vorsitzenden der Front National, Jean-Marie Le Pen, fest.

Zemmour vertritt die Theorie des „großen Austausches“, nach der Europäer von muslimischen Einwanderern aus ihren Ländern verdrängt werden. In seinem Buch „Die französische Melancholie“ erklärte er die Masseneinwanderung zum Grund des zukünftigen Aussterbens der französischen Sprache. Laut Experten unterscheidet der Journalist nicht zwischen Islamismus und Islam: alle Muslime sind für ihn „Kolonialisten“, die ethnischen Franzosen ihre Sitten und islamischen Gesetze aufzwingen. Nach der Aussage in der Fernsehsendung auf Canal +, dass „die meisten Menschenhändler Schwarze und Araber sind“, wurde ein Strafverfahren gegen Zemmour wegen Anstiftung zur Rassendiskriminierung eingeleitet.

Er selbst nennt sich „kein Verbrecher, sondern einen Dissidenten“ und plädiert für „die Größe Frankreichs, die Stärke des Staates und den Respekt vor der französischen Kulturtradition“. In den letzten Jahren wurde Zemmour als Alternative zur Rassemblement National wahrgenommen, die noch radikalere Ideen über Immigranten verbreitete, als Marine Le Pen es sich leisten kann. Laut der Schriftstellerin Marie-France Echguan „hat Eric mehr zur Entwicklung unseres Denkens beigetragen als die Front National in den 45 Jahren ihres Bestehens“.

Zemmours Popularität bringt Marine Le Pen in Not, während ihr Vater den neuen Star der der französischen Politik unterstützt. Der jüdische Journalist kritisiert liberal-demokratische Institutionen, die von der „Ideologie der Vielfalt“ besessen sind, einschließlich der Medien, die er „Propaganda-Werkzeuge“ nennt. Zugleich ist er selbst Kolumnist der größten Zeitung des Landes und regelmäßiger Gast zahlreicher Talkshows.

Vor kurzem sagte Zemmour in einer Talkshow, dass weder der in Algerien begrabene Terrorist Mohammed Mera noch die von ihm in Toulouse getöteten und in Israel begrabenen jüdischen Kinder „nicht zu Frankreich gehörten“. „Anthropologen sagen, dass wir Teil des Landes sind, in dem wir unsere letzte Zuflucht gefunden haben“, sagte Zemmour. „Mörder oder Unschuldige, Henker oder Opfer, Feinde oder Freunde, sie wollten in Frankreich leben... aber wenn es um die Ruhestätte ging, haben sie sich nicht für Frankreich entschieden.“ Diese Rhetorik hat unter französischen Juden zu Kontroversen geführt.

Die Möglichkeit einer Nominierung Zemmours als Präsidentschaftskandidat der Fünften Republik wird seit 2019 diskutiert; er selbst hat eine solche Aussage noch nicht offiziell gemacht. Er wird von einer Reihe einflussreicher Persönlichkeiten unterstützt. Zu seinen engsten Beratern gehört Sarah Knafo (28), eine sephardische Jüdin, eine der talentiertesten Nachwuchsführungskräfte des Landes. Am 24. September 2021 traf Zemmour, der seine Ambitionen nicht mehr verbarg, auf Einladung der ungarischen Rechten in Budapest ein und wurde von Premierminister Viktor Orbán empfangen.

Umfragen zeigen, dass Zemmour mit einem Ergebnis von 45 zu 55 gegen Macron verlieren wird, wenn sich die aktuellen Trends in der zweiten Runde fortsetzen, und dies ist ein viel besseres Ergebnis als das von Le Pen, die 2017 mit einem Ergebnis von 34 zu 66 gegen den aktuellen Präsidenten verlor. Noch im Sommer gewann Zemmour in Umfragen im ersten Wahlgang nur 5 % der Stimmen, im Oktober war er deutlich gestiegen und verdrängte Marine Le Pen, die erstmals seit 2013 auf den dritten Platz zurückgefallen war.

 

Ein neuer Politikertypus

Mit Eric Zemmour entsteht in Frankreich ein neuer Politikertypus, dessen Absichten keine zweideutigen Interpretationen zulassen. Dies ist ein Schock für die Mainstream-Linke, aber auch rechte Konkurrenten zeigen sich besorgt. Als die Wahlen näherkamen, begann Macron, islamische Gemeinden zu kritisieren. Doch Zemmour teilt diese Kritik nicht nur, sondern benennt auch die sozialen Folgen der Islamisierung Frankreichs, über die Macron lieber schweigt. Er wiederholt immer wieder: ein großer Zustrom von „Flüchtlingen“ führt zu einer Zunahme der Kriminalität und anderen Problemen, zum Beispiel in Schulen. Es gibt immer mehr Bereiche, in denen die muslimische Parallelgesellschaft dominiert. Die Probleme, die bisher vor allem Paris, die Mittelmeerküste und den Norden des Landes betrafen, haben sich nun bis in die entlegensten Winkel ausgebreitet. Angesichts der angsteinflößenden Fotos und Berichte aus den Vororten wagt niemand, diese Aussagen als Übertreibung zu bewerten. Zemmour betrachtet die Kriminalität marginalisierter Gruppen als Kriegserklärung an die Mehrheitsgesellschaft und fordert die konsequente Abschiebung von Kriminellen, auch von Personen mit doppelter Staatsbürgerschaft, denen ihre französische möglicherweise entzogen würde.

Zemmour beschwert sich allerdings auch über die Mehrheitsgesellschaft. Er ist empört darüber, dass die französische Polizei wegen „Gewalt“ und „Racial Profiling“ angegriffen wird; dass es heute üblich ist, fast jedes gesellschaftliche Problem mit dem Erbe der Kolonialzeit zu erklären; dass viele „grüne“ Bürgermeister keine Weihnachtsbäume mehr in ihren Städten aufstellen und gleichzeitig den Bau von Moscheen finanzieren wollen.

Zemmour hat kürzlich vorgeschlagen, dass jedes in Frankreich geborene Kind mindestens einen französischen Namen haben sollte. Darüber hinaus spricht er von der Notwendigkeit, den Islam zu assimilieren, so wie die Juden einst in die französische Kultur assimiliert wurden. Für seine konservativen Konkurrenten wie Jean-Luc Mélenchon ist das inakzeptabel, sie reden nur von Vermischung der Kulturen.

Assimilation bedeutet für Zemmour, die Geschichte, Gebräuche und Lebensweise des Landes zu akzeptieren, seine Sprache und Literatur anzunehmen. Das erinnert an die alten Zeiten, als Frankreich bereits das Territorialprinzip der Verleihung der Staatsbürgerschaft anwendete, aber davon ausging, dass die neuen Landsleute wirklich Franzosen im wahrsten Sinne des Wortes sein wollen. Heute riskiert man, unter der Flagge der „Vielfalt“, dies zu vergessen. Außerdem fordert er, dem französischen Recht wieder den Vorrang vor dem Europarecht zu geben und reiht sich damit in die Kritiker der EU ein.

 

Alternative zu Marine Le Pen?

Ist Zemmour rechter als Marine Le Pen oder ist er eine bürgerliche Alternative zu ihr? Es ist schwer zu sagen. Und Zemmour zieht nicht nur ihre Wähler an sich, sondern wahrscheinlich auch Anhänger des gemäßigteren Xavier Bertrand und sogar Mélenchon.

Zemmour scheint derzeit eine umstrittene und radikale Figur zu sein. Sogar Jean-Marie Le Pen sagte, dass er Eric wählen würde, wenn er einen festen Platz an der Spitze des „nationalen Lagers“ einnehmen könnte, und fügte hinzu: „Marine hat ihre festen Positionen verlassen, Eric nahm den von ihr verlassenen Boden ein.“

Marine Le Pen zeigt jedoch Standhaftigkeit und ist zuversichtlich, in die zweite Runde der Präsidentschaftswahlen zu kommen. In den letzten Jahren hat sie sich sehr bemüht, weniger radikal zu erscheinen und für mehr Menschen wählbar zu werden. Sie will die Einwanderung „ohne Schwäche, aber auch ohne Exzesse“ bekämpfen, dabei will sie sich für den „Mann auf der Straße“ einsetzen und seine wirtschaftlichen Nöte lindern. Wie dem auch sei, wenn in den nächsten sechs Monaten nicht ganz andere Diskussionsthemen in den politischen Raum geworfen werden können, werden die anstehenden Präsidentschaftswahlen in Frankreich zu einer Konfrontation zwischen dem zentristischen Macron und der politischen Rechten.

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