Wo wird der Westen in 10 Jahren sein?

Bei den Ausbrüchen des gewalttätigen Antisemitismus im Westen geht es längst nicht mehr nur um Agitation gegen Israel. Das Modell des freiheitlichen Lebens steht auf der Kippe. Die antiliberale Allianz reicht weit bis ins Zentrum der Gesellschaft, bis zu den Leitmedien und unserem öffentlich-rechtlichen Fernsehen.

Die Forderung nach einem „freien Palästina vom Fluss bis zum Meer” auf den Straßen der Bundesrepublik Deutschland ist ein Aufruf zur Zerstörung Israels. Dieser linke und islamische Hass wird sich mittelfristig nicht auf den jüdischen Staat beschränken, sondern gegen den Westen insgesamt richten.© JEFF PACHOUD / POOL / AFP

Von Alexander Wendt

In der Debatte über Antisemitismus in Deutschland und anderen Ländern des Westens heißt es oft, echter, wirklich echter Antisemitismus komme dort selten vor. Es gebe den sogenannten israelbezogenen Antisemitismus, die bekannte Einseitigkeit, die Praxis sehr vieler Medien, Israel grundsätzlich für jedes Übel der Region verantwortlich zu machen.

Aber Judenfeindlichkeit, die sich darin ausdrücke, dass beispielsweise ein Mob vor einer Synagoge aufmarschiert, oder dass Juden auf offener Straße geschlagen würden, das geschehe so gut wie nie. Jedenfalls sehr selten. Und wenn, dann treffe es auf eine Gegenwehr quer durch die Gesellschaft. Diese Beschreibung traf vielleicht vor zehn Jahren noch zu, was die reine Sichtbarkeit des Phänomens betraf. In der Sache stimmte sie schon damals nicht.

Im Februar 2015 warfen drei arabischstämmige junge Männer Brandsätze auf die Bergische Synagoge in Wuppertal. Zum Glück setzten sie das Gebäude nicht in Brand. Vor Gericht erklärten sie, sie seien keine Judenfeinde, mit den Brandsätzen hätten sie nur auf „die militärische Auseinandersetzung im Gaza-Streifen“ aufmerksam machen wollen. Richter Jörg Sturm folgte ihrer Darstellung damals weitgehend, er stellte fest, die drei Täter hätten „nicht aus antisemitischen Gründen per se” versucht, die Synagoge anzustecken, und verurteilte sie zu Bewährungsstrafen. Richter Sturm kann bis auf weiteres als Erfinder der Sichtweise gelten, dass es sich bei Anschlägen (oder Raketenbeschuss) um eine Art nachdrückliche Pressemitteilung handelt, und bei Synagogen in Deutschland und anderswo um Außenposten des Staates Israel. Außer dem Wuppertaler Richter meinen das heute auch sehr viele Politiker, Medienmitarbeiter und Medienkonsumenten.

Damals standen drei Jungmänner vor Gericht, aufgewachsen in Deutschland, medial vermutlich versorgt von arabischem Satellitenfernsehen und entsprechenden Internetseiten. Aus Parlamenten und Sendeanstalten heraus fiel es damals leicht, sie sozial und ideologisch tatsächlich zum Rand zu zählen. Aber bekanntlich können Ansichten vom Rand in die Mitte der Gesellschaft wachsen.

 

Rolf Mützenichs Bedingungen

Vor wenigen Tagen meinte der Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion Rolf Mützenich, die Bedrohung von Synagogen wie in Gelsenkirchen durch einen arabisch-türkischen Mob sei zu verurteilen, einerseits, und Sicherheitsmaßnahmen an den Synagogen müssten „angezogen werden“. Andererseits wolle er die israelische Regierung auch darauf hinweisen, „dass es gut wäre, wenn sie möglicherweise doch auf Angebote zur Waffenruhe eingehen würde“.

Dass er wie viele Wohlmeinende davon ausgeht, die Friedensangebote der Hamas würden nur so hereinflattern, und es könnte längst Ruhe herrschen, wenn die Israelis nicht so stur wären – diese Überzeugung ist das eine. Darüber hinaus hält er eben auch ganz selbstverständlich Synagogen in Deutschland für israelische Außenstellen, nicht anders als die drei Täter von Wuppertal 2015. Für ihn verdienen Synagogen nicht ohne Wenn und Aber Schutz, sondern mit einem ausdrücklichen Wenn und Aber: Israel sollte seine Politik anpassen, nicht mehr so obsessiv auf seinem Selbstverteidigungsrecht herumreiten und endlich die ausgestreckte Friedenshand einer Organisation annehmen, die in der EU aus guten Gründen als Terrororganisation gelistet ist. Dann wären nach Mützenich auch die Synagogen in Deutschland wieder sicherer.

Mützenich gehört zwar zu den führenden Funktionären einer schrumpfenden Partei. Aber er führt immerhin die Fraktion einer Regierungspartei. Zum gesellschaftlichen Rand gehört er also nicht. In seiner Partei erhob sich auch kein lauter Widerspruch gegen seine Ausführungen. Der „Spiegel“, ebenfalls schrumpfend, aber auch richtig und wichtig im meinungsbildenden Milieu verankert, nannte die „Scheiß-Juden“-Rufe vor der Synagoge in Gelsenkirchen „antiisraelische Parolen“.

Für den WDR, politisch nicht unbedingt in der Mitte, aber doch ebenfalls im Zentrum der Mediengesellschaft angesiedelt, fallen Aufmärsche vor und Angriffe auf Synagogen unter „Zwischenfälle“, und ganz selbstverständlich sieht der Sender darin Ausläufer des „Konflikts“ zwischen einer Organisation, die Israel auslöschen will, und einem Israel, das sich dagegen wehrt, statt mit Hilfe der SPD und deutschen Medienmitarbeitern irgendwie einen Kompromiss zu suchen. Das liest sich dann so:

„Der #Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern macht sich auch in NRW bemerkbar. In mehreren Städten gab es Zwischenfälle. In Bonn wurde eine Synagoge beschädigt. Dort und auch vor der #Synagoge in Münster brannten israelische Flaggen“, schreibt beispielsweise der WDR.“

Malcolm Ohanwe arbeitet beim Bayerischen Rundfunk; er hält die Raketen, die von der Hamas auf israelische Zivilisten abgefeuert werden, für notwendige Aufmerksamkeitsverstärker, weil seiner Meinung nach sonst nie jemand über das Leid der „palästinensischen“ Menschen spricht, vor allem in den deutschen Medien nicht.

Und Übergriffe auf Juden oder auch nur auf Leute, die für jüdisch gehalten werden, antisemitische Angriffe also auf den Straßen lassen sich seiner Meinung nach verhindern, wenn mehr über die sogenannte „systemische Diskriminierung der Palästinenser in unseren deutschen Medien“ gesprochen wird – wobei nicht recht klar wird, ob er nun eine systemische Diskriminierung von „Palästinensern“ in deutschen Medien wahrnimmt, oder ob er will, dass dort mehr über die Diskriminierung der „Palästinenser“ gesprochen werden soll.

 

Maischberger

Aber wie herum auch immer: Wenn sich die deutschen Medien nicht so verhalten wie von Ohanwe gewünscht, dann gibt es eben als Kausalität antisemitische Übergriffe auf deutschen Straßen.

Mit dieser Haltung bekommt man nicht nur eine Stelle bei einem ARD-Sender, sondern auch eine Einladung zu Sandra Maischberger. Dort konnte Ohanwe noch einmal darüber sprechen, wie sehr die deutschen Medien über das Leid der „Palästinenser“ schweigen. Sich selbst bezeichnet Ohanwe, geboren 1993 in München, als „palästinensischen Menschen“. Er teilte auch mit, es würde ihn „entmenschlichen“, sich vom Terror der Hamas zu distanzieren.

Interessanterweise fügte der BR-Mitarbeiter Ohanwe in dem Tweet weiter oben besorgt an: „Sonst gewinnen Desinformationen & antiisraelische Fake News mehr Aufwind“.

Also das, was beispielsweise der RBB aus dem gleichen Senderverbund seinen Zuschauern am 19. Mai lieferte. Ein Reporter berichtete an diesem Tag von einer antiisraelischen Demonstration in Berlin, als hätte er es mit der Love Parade zu tun. Er lobte „die vielen jungen Frauen, die auch sehr viel Farbe in die Demonstration reinbrachten, Aufgrund von vielen palästinensischen Fahnen, die sie mitgebracht hatten, ihre Kostüme, ihre Kopftücher, und teilweise waren sie halt auch geschminkt. Das verlieh dieser Atmosphäre eine sehr sehr gute Atmosphäre.“ Außerdem teilte er seinen Zuschauern mit, die Demonstration richte sich „gegen die Kriegspolitik der Israelis. Auch gegen den langandauernden Siedlungskonflikt im Gaza-Streifen“.

Den Gaza-Streifen räumte Israel am 12. September 2005, das Gebiet ist seitdem, wie es vor 75 Jahren am heutigen Standort der RBB-Zentrale hieß, judenrein. Nach etlichen Nachfragen löschte der RBB den Beitrag aus der Mediathek, entschuldigte sich und erklärte, er entspreche nicht den Standards des Senders. Woher hat ein ARD-Mitarbeiter eigentlich das gefühlte Wissen, im Gaza-Streifen gebe es „Siedlungskonflikte“, und die Parole „From the river to the sea, Palestine will be free“ richte sich gegen die „Kriegspolitik der Israelis“?

Die Überzeugung, die Hamas kämpfe einen gerechten Kampf, und Israel verhindere den Frieden im Nahen Osten – diese Obsession beherrscht die Funkhäuser des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, die Gremien der SPD und weite Teile der deutschen Presse mit Ausnahme der Springer-Zeitungen (und einiger weniger anderer Medien), weswegen es ja auch den gutgerechten Hashtag #SpringerpresseHaltDieFresse gibt.

Die Erzählung vom gerechten Kampf der Hamas und der Hisbollah gegen den jüdischen Staat besitzt diese Macht, weil sie politisch und mental so vieles verbindet: Rechtsradikale Antisemiten mit linken Antiimperialisten, Deutsche mit einem Abwehrkomplex, die sich mit an der Formel erfreuen, die Juden in Israel hätten nichts aus der Schoah gelernt, mit minderwertigkeitskomplexbeladenen Muslimen, für die der Erfolg Israels eine ständige narzisstische Kränkung darstellt.

 

Israel als „schuldige weiße Nation“

Dazu kommt seit einigen Jahren noch die Postkolonial-Ideologie in westlichen Universitäten und Redaktionen: Nach deren Schema gehört Israel, so multiethnisch es auch ist, zum schuldbeladenen weißen Teil der Welt und ins Raster der Kolonialmächte. Passend dazu läuft auch unter Führung von BLM-Ideologen, Achille Mbembe und anderen eine Umdeutung der Schoah, die als „white on white crime“ beiseitegeschoben werden soll, um der Anklage gegen den weißen kolonialistischen Westen mehr Raum und Aufmerksamkeit zu verschaffen. Die Erzählung vom gerechten Kampf gegen Israel funktioniert also im Westen als eine Art politischer Universalstecker, der fast überall passt, und mit dessen Hilfe sich ansonsten ganz diaparate antiliberale Teile der Gesellschaft verkabeln lassen. Das Narrativ lässt sich überall einbauen – ob nun in die Verlautbarungen von Fridays for Future, in politische Reden, in praktisch jeden ARD-ZDF-Bericht über den Nahen Osten, und selbstverständlich auch in die Tweets eines Malcolm Ohanwe, der darüber klagt, es gebe zu wenige Berichte dieser Sorte.

Bei jedem quantitativen Wachstum gibt es irgendwann auch einen Umschlag in Qualität. Bisher konnten sich viele in Deutschland oder anderen westlichen Ländern einreden, es ginge eben nur um Israel, den Gazastreifen und die Westbank. Dann konnten sie sich sagen, ein Anschlag auf eine Synagoge wie der in Wuppertal komme erstens selten vor, und es handle sich eben um einen Ausläufer des so genannten Nahostkonflikts, aber um keinen Konflikt der eigenen Gesellschaft in Berlin, München, Frankfurt, in Gelsenkirchen, in Wien, Basel oder New York. Diese Beschwichtigungsrhetorik lässt sich mittlerweile nur noch für denjenigen durchhalten, der immer größere Teile der Realität beiseiteschiebt.

 

Nicht-Jude als Opfer von Antisemitismus in München

Vor wenigen Tagen schlug ein Täter auf einen Mann in der Münchner Innenstadt ein und schrie: „du Judenschwein“. Bei dem Opfer handelte es sich nicht um einen Juden, sondern um einen jungen Mann, der sein Basecap mit dem Schild nach hinten trug. Der Angreifer hielt es deshalb offenbar für eine Kippa.

In Neukölln warf ein Teilnehmer einer antiisraelischen Demonstration einen Böller auf eine israelische Reporterin.

In Basel jagten mehrere Anti-Israel-Demonstranten eine Frau über dutzende Meter durch die Gassen, weil sie – als ein-Personen-Gegendemonstration – eine Israelfahne in die Höhe hielt.

Inmitten einer antisemitischen Demonstration in Wien brüllte einer der Teilnehmer unter dem Jubel der anderen in Richtung der Gegendemonstranten: „Steckt euch euren Holocaust in der Arsch.“

In New York griffen mehrere Männer eine kleine Gruppe von Pro-Israel-Demonstranten auf der Straße an.

Ein Mob mit Palästina-Fahnen hetzte und schlug in Toronto, Kanada, einen älteren Pro-Israel-Demonstranten.

Auf die Frage eines Twitter-Users, der das Video gesehen hatte und fragte: „Welche Stadt ist das?“ antwortete ein anderer: „Berlin 1938.“ Das ist übertrieben, sicherlich. Aber es ist eben auch nicht mehr das Toronto von 1990, nicht mehr das Berlin, Basel, Wien und New York von 1990. Unter das Video aus New York schrieb ein Twitter-User: „NY has been awful for Jews for almost 2 years, and it’s spiraling fast.“

Im Jahr 2021 gibt der freiheitsfeindliche Sound den Ton in sehr vielen westlichen Redaktionen an, in fast allen Universitäten, radikal antiliberale Bewegungen wie „Fridays for Future“ und „Black Lives Matter“ holen sich dort mit herrischer Geste Beifall wie einen Tribut ab. Das, was sich mittlerweile auf den Straßen westlicher Länder gegen Juden abspielt, ist nur ein Teil eines breiten antiaufklärerischen Gletschers, der sich vorwärtsschiebt, verstärkt durch die Migration aus nichtwestlichen Ländern. Wer diesen offensichtlichen Zusammenhang ausspricht, sieht sich sofort dem Knüppelwort „Rassist“ gegenüber, benutzt übrigens von Leuten, die im nächsten Atemzug erklären, dass „Scheissjuden“ nur eine antiisraelische Parole ist, und dass es Juden im Westen besser gehen würde, wenn dort mehr gegen Israel agitiert würde.

Zur gleichen Zeit, während das alles geschieht – wo bleiben eigentlich die Berichte in „Tagesschau“, „Tagesthemen“ und im „Spiegel“ über die Baseler Hetzjagd? – zur gleichen Zeit also beugt sich ein „Spiegel“-Agitator wie Jonas Schaible über den CDU-Kandidaten Hans-Georg Maaßen, um ihn auf strukturellen Antisemitismus abzuhören. Bei „Spiegel“-Schaible klingt das dann so:

„In den Tagen danach beugten sich Menschen über Maaßens Tweets, Texte und Reden. Und etliche Expertinnen und Experten kamen zu dem Schluss, Maaßen habe in der Tat wiederholt antisemitische Codes verbreitet.“

Übrigens nennt er in seinem Text weder die angeblichen Codes noch die Namen der Experten, die meinen, wer den Begriff „Globalist“ verwende, sei Para- beziehungsweise Nanoantisemit, streng strukturell natürlich. Wenn jemand beim „Spiegel“ nicht erkennt, dass die Parole „Scheißjuden“ antisemitisch ist, dann liegt das vielleicht auch daran, dass er gerade keinen Experten finden konnte, der ihm das Wort decodiert.

Ein Mitglied dieses Milieus kann auch kein Problem darin erkennen, dass Beitragszahler eine Figur wie Malcolm Ohanwe finanzieren müssen (und Steuerzahler übrigens die von Merkels Kabinett mit Geld überschütteten „Neuen Deutschen Medienmacher“, bei denen Ohanwe mitmischt).

Erklären lässt sich das mit einer politischen Agenda, Selbsthass, Selbsttäuschung, kognitivem Mangel und jedenfalls kognitiver Dissonanz, die zu einer Signatur des Westens geworden ist. Auch dafür passt der Twitter-Kommentar: „It’s spiraling fast.”

Wer nicht im Zustand der Wahrnehmungsspaltung lebt, der müsste allmählich erkennen, was Israelis, egal ob religiös oder nicht, links oder rechts, schon seit Jahrzehnten wissen: Niemand kann sich seine Auseinandersetzung aussuchen. Für einen Krieg reicht schon aus, wenn ein Angreifer ihn will. Die Anwältin und Publizistin Seyran Ateş gehört zu den wenigen, die darauf hinweisen, dass inzwischen zumindest in den Metropolen das gesamte Modell des zivilisierten Zusammenlebens auf der Kippe steht:

Ihr antwortet gleich unter ihrem Tweet ein „educated muslim“, der ihr erklärt – wenige Tage übrigens, bevor in Dresden der Prozess gegen ein syrischer Migranten endete, der in Dresden ein schwules Paar angegriffen, einen getötet und einen schwer verletzt hatte – es gebe im Islam keinen Hass auf Homosexuelle. Im nächsten Tweet teilt er noch mit, Gastarbeiter hätten Deutschland nach dem Krieg wieder aufgebaut. In beiden Überzeugungen kann er sich auf Sekundanten in Medien und Politik stützen. Strukturell, um dieses Wunderwort in diesem Text einmal zu benutzen, strukturell hört er sich an wie Ohanwe. Selbst jemand, der sehr an die Kraft des Arguments glaubt, kommt bei diesen Figuren und Redefiguren an seine Grenzen.

Feinde sind für Anhänger dieser breiten freiheitsfeindlichen Front nicht nur Juden und Schwule oder diejenigen, die dafür gehalten werden, nicht nur Liberale oder irgendein Einzelner, der als nächster auf die Liste rückt. Der Begriff „Gesellschaftsveränderung“ besitzt immer noch bei vielen im Westen einen guten Klang, obwohl sie wissen müssten, dass sich offene Gesellschaften mit relativ geringer Mühe verschlechtern lassen. Eine Veränderung ist das natürlich auch.

 

Kein Bericht aus einem fernen Kontinent

Jeder sollte sich die Videos aus New York, Toronto, Basel, Wien und Neukölln genau ansehen und sich dann ausrechnen, wie das Klima in diesen Städten in zehn Jahren sein wird, wenn sich diese Entwicklung fortsetzt. Und wo dann sein eigener Platz sein wird. Vielleicht kommt dem einen oder anderen Joseph Conrads „the horror, the horror“ in den Sinn, nur mit dem Unterschied, dass es sich dieses mal um eine Fahrt durch den eigenen Kontinent handelt. Und um keine Lektüre, sondern ein Erlebnis mit Haut und Haaren, Kopf und Kragen.

Egal, wie schlecht es wird: „Spiegel“-Redakteure und die Ohanwes der ARD werden sich dann zu den Siegern zählen.

Zu den rhetorischen Übungen in deutschen Redaktionen gehörte schon vor dreißig Jahren der Satz, Israel werde nicht das Jahr 2000 erleben, das Jahr 2010, dann das Jahr 2020, wenn es so weitermache (statt die Friedenspläne der Leitartikler endlich umzusetzen, versteht sich).

Heute ist es sehr viel wahrscheinlicher, dass Israel als Staat auch das Jahr 2048 und das Jahr 2060 erlebt, wahrscheinlicher jedenfalls, als dass sich zu diesem Zeitpunkt in Westeuropa noch durchweg liberale Gesellschaften befinden.

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