Die Türkei: Staat auf gestohlenem Land

In der Türkei können Sie viele einzigartige Kunstschätze der Antike bewundern – nur ist nichts davon türkisch. Gerade angesichts des von Erdogan vom Zaune gebrochenen Ägäis-Konflikt mit Griechenland ist es wichtig zu wissen, dass die heutigen Türken die Eroberer, und nicht die historisch legitimierten Einwohner des Landes sind, das sie heute besiedeln.

Das erste Kök-Türkische Reich zur Zeit seiner größten Ausdehnung, um 600 n. Chr. - das Staatsgebiet der heutigen Türkei gehört nicht dazu.© WIKIPEDIA

Von Jaklin Chatschadorian

An welches Land denken Sie, wenn sie den Begriff „geklautes Land“ lesen, als erstes? Der Antisemit mag an Israel denken, der IS-Scherge an Andalusien und der Neo-Osmane von der südlichen Mittelmeerküste Ägyptens bis an die Mongolei.

Interessant wird es, wenn wir den Prototyp des humanistischen Weltenbürgers deutschen Ursprungs, derzeit vertreten durch das Kabinett Merkel IV, in die Betrachtung miteinbeziehen. Er denkt zunächst an das Großdeutsche Reich und an die Kolonialgeschichte der Europäer oder die Sklaverei, die er nicht nur mit der US-amerikanischen Geschichte, sondern vor allem mit dem gegenwärtigen Präsidenten der USA, Donald Trump, verbindet. Schon fühlt er sich, stellvertretend für die gesamte Gruppe des „weißen Mannes“ gegenüber der ganzen Welt „schuldig“, um sodann die schlechtestmöglichen Schlussfolgerungen zu ziehen.

Er betont, wegen der Lehren aus dem Holocaust in die Politik gegangen zu sein, und steht damit fest an der Seite des Iran oder verbeugt sich vor dem Grabe eines Terroristen der PLO. Er erklärt die deutsch-israelische Freundschaft zur Staatsräson und bittet stets Israel um Deeskalation, oder bezeichnet einen Verteidigungsschlag als Vergeltungsangriff, ohne sich an der Widersprüchlichkeit dieses Begriffes zu stören. Er verbindet die dunkle Hautfarbe eines Menschen automatisch mit „seiner“ Ausbeutung und seiner moralischen Verpflichtung zur Wiedergutmachung, und nicht zuletzt fast ausschließlich mit dem Islam und dessen hilfsbedürftigen Anhängern.

Was er in seiner ideologischen Verblendung nicht sieht, sind Wirklichkeiten. Allem voran nimmt er gruppenbezogenen Hass nur wahr, wenn dieser einerseits von seinen Landsleuten kommt und sich gleichzeitig nur gegen jene richtet, die er zu beschützen gewillt ist. Den Hass bestimmter Gruppen, ob nun gegen Israel, die Juden, die Christen oder den sogenannten Weißen Mann, überhört er rigoros oder er relativiert ihn.

Konsequent verfemt er jede Kritik am gruppenbezogenen Hass der einen als gruppenbezogenen Hass der Seinen. Kurzerhand verweist er auf Art. 4 Grundgesetz, die Toleranz und die Meinungsfreiheit, am allerliebsten jedoch auf die Demokratie. Die Verklärung der Demokratie geht aktuell so weit, dass man fast meinen könnte, sie sei weniger Denkergebnis der alten Griechen als eine Erfindung der neuen Deutschen.

Historische Fakten, die das Überdenken seiner „Haltung“ erfordern, sind ihm grundsätzlich nicht bekannt. Diese Unkenntnis schützt er, aus purem Humanismus, mit einer leidenschaftlichen Bildungsverweigerung und übernimmt damit eigentlich schon die orientalische Mentalität seiner Günstlinge.

Zeit, sich diese mal, unter dem Titel „Geklautes Land“, genauer anzusehen.

 

„Al-Andalus“: 711 besiegten die Araber die Westgoten und eroberten Spanien

Andalusien ist spanischen Ursprungs, und trotz der historischen Bezeichnung al-andalus nicht originär islamisch. 711 n. Chr. landete ein vorwiegend aus Berbern bestehendes, etwa 7.000 Mann starkes Heer unter Tariq ibn Ziyad bei Gibraltar. Tariq schlug die Westgoten am 19. Juli vernichtend in der Schlacht am Rio Guadalete und besetzte die Hauptstadt Toledo.

Israel ist nicht „palästinensisches“ Land, nicht geklaut, sondern erworben. Die Geschichte des Heiligen Landes ist eine ursprünglich hebräische, jüdische. „Palästinenser“ sind eine, von der PLO in den 1960er Jahren umbenannten Gruppe der Araber, nicht aber Nachfahren der Kanaaniter. Abraham war Hebräer und damit Jude, obgleich man ihn in Deutschland nur noch mit dem islamischen Opferfest in Verbindung bringen mag. Die erste arabische Invasion fand schließlich nicht nur 636 nach Christi statt, sondern gar nach dem Tode des arabischen Stifters. Nicht einmal das Osmanische Reich ist mit den historischen Ursprüngen des Staates Israels in Verbindung zu bringen.

Damit wären wir in Betrachtung der Ambitionen des amtieren türkischen Präsidenten, dem Nationalislamisten Recep Tayyip Erdogan, zwar im Hinblick auf Israel (noch immer) nicht bei geklautem Land, wohl aber bei Land, dass geklaut werden soll, von den Türken für sich und für die als „Palästinenser“ bezeichneten Araber, Untertanen einer Neuauflage des neo-osmanischen Reiches. Obgleich die Kraft der Türkei glücklicherweise nicht bis nach Jerusalem reicht, und die Annäherung zwischen Israel und den Vereinigten Arabischen Emirate dem selbsternannten Kalifen den Wind aus den Segeln genommen hat, so zeigen die Aggressionen in Syrien und Libyen, am Mittelmeer gegenüber Ägypten und Griechenland doch recht deutlich, dass es hier um Diebstahl geht.

Nichts anderes zeigt die türkische Geschichte, die angesichts der deutsch-türkischen Waffenbrüderschaft und aktuellen Koalition in Deutschland nicht unbekannt sein dürfte, und doch genau dies zu sein scheint. Selbst die Tourismusbranche der Türkei wirbt unverhohlen mit ihrer Raubbeute, während die Menschen bei uns noch immer glauben, der heilige Nikolaus sei ein Türke gewesen! Wenn man also über geklautes Land sprechen will, so sollte man allem voran einen Blick auf die heutige Türkei nicht vergessen.

 

Woher kommen die Türken ursprünglich?

Die Wurzeln des türkischen Volkes reichen zurück in das 6. bzw. 7. Jahrhundert in das Reich der Gök-Türken aus Zentralasien. Sie lebten in großen Clans, aus den die Oghusen und Seldschuken hervorgingen. Letztere, inzwischen sunnitische Muslime, leiteten mit der Schlacht von Manzikert im Jahr 1071, die Landnahme in Anatolien ein, gründeten 1299 das Osmanische Reich. Über drei Kontinente erstreckte sich das Kalifat zu Zeiten seiner größten Ausdehnung, umfasste Teile Nordafrikas, arabische Gebiete und den Balkan. Mit der Schlacht am Kahlenberg am 12. September 1683 beendete der polnische König Johann Sobieski die Zweite Wiener Türkenbelagerung und damit die weitere, islamische Expansion gen Westen.

Die Spuren der ersten Opfer dieser Invasion, die Spuren der armenischen, aramäischen und griechischen Christen im Land, die Spuren der indigenen Bevölkerung, versucht man seither in einer Linie zu löschen. Die Menschen wurden enteignet und den neuen Herrschern unterworfen. Ein Massaker folgte dem nächsten, diese gipfelten in ethnischer Säuberung, endgültiger Vertreibung und zuletzt in einem mehrfachen Völkermord 1915. Was sich als eine Art ethnische Vielfalt des Osmanischen Reiches einen marketingträchtigen Namen gemacht hat, zeichnete sich vor allem durch politische Diskriminierung, Versklavung und Unterdrückung aus. Der im Westen von Kulturrelativisten gerne gerühmte Erfolg des islamischen Vielvölkerstaates war für diesen selbst seit jeher nur ein Zwischenstadium zum bis heute selbstbewusst, und täglich ausgerufenen Ideal eines Staates mit nur einem Volk und nur einer Religion.

An diesem Ziel änderte die neue Staatsgründung 1923 unter Kemal Atatürk nichts. Auch ihm ging es vor allem um einen Staat und ein Volk, nicht um eine vielfältige Gemeinschaft. Obgleich er der islamischen Religion ihren Stellenwert nahm, so war er sich doch nicht zu schade, die nicht-islamische Bevölkerung der neuen Türkei seiner Flagge, unter Entsagung der Identität der Kurden, der Griechen und der Armenier, zu unterwerfen. Er war der Nutznießer eines Völkermordes, an dem er selbst nicht beteiligt war, und er verantworte im Anschluss an diesen selbst ebensolche – namentlich den Völkermord an den Griechen 1922-23 und an den Dersim-Kurden 1938.

Verwahrlosung, touristische Benutzung oder kulturelle Einverleibung prägen seit der Gründung der Türkei, in Fortsetzung des Osmanischen Reiches, den türkischen Umgang mit indigen-christlichen Schätzen.

 

Der Westen bleibt tatenlos angesichts des islamischen Missbrauchs der Hagia Sophia

Die missbräuchliche Nutzung der großen byzantinischen, griechisch-orthodoxen Kathedrale als Moschee erweckte in den vergangenen Wochen großes Aufsehen, doch unzureichende Empörung. Wieder einmal schwieg die Politik in Deutschland zu dieser vermeintlich innertürkischen Angelegenheit. Einige Stimmen freuten sich über die erneute religiöse Nutzung oder relativierten den christenfeindlichen Umgang mit der Raubbeute, in dem sie, vermittelnd vorschlugen, Muslime und Christen könnten doch darin vielleicht gemeinsam beten.

Wohlgemerkt, die Kirche steht in einem Land, das als Tatort der vielzähligen Christenmorde aus Geschichte und Gegenwart zu qualifizieren ist. Die einen, Nachkommen der Opfer besagter Verbrechen, sollen zu Gott, mit der Bitte um Schutz vor Verfolgung beten, während die anderen, stolze Neo-Osmanen, um den Erfolg ihrer Verfolgungen beten?

Die antike griechische Stadt Ephesos - auf dem Staatsgebiet der heutigen Türkei© AFPr

Istanbul ist eigentlich geklautes Land und hieß einmal Konstantinopel. Aus deutscher Sicht, so sagt es uns jedenfalls § 935 des Bürgerlichen Gesetzbuches, kann man an Gestohlenem kein Eigentum erwerben. Unglücklicherweise scheint gerade jeder diesen zentralen Gedanken unserer Wertegemeinschaft gegenüber der Türkei zu vergessen. Man hat einen Tiger gefüttert und gemästet. Man will nicht gebissen werden und hofft auf die Gnade, zu Lasten Dritten, von den scharfen Zähnen verschont zu bleiben.

Der Islamisierung der Hagia Sophia folgte nur Tage später ungestört die Islamisierung einer weiteren griechisch-orthodoxen Kirche in Istanbul. Die byzantinische Chora-Kirche, errichtet vom 11.-16 Jahrhundert genießt aufgrund ihrer aufwendigen Mosaiken und Fresken weltweiten Ruhm. Sie wurde 1948 zum Museum erklärt und vor wenigen Tagen in eine Moschee umgewandelt. Die europäische Wertegemeinschaft schwieg.

Das orthodoxe Sumela-Kloster liegt im Nordosten der Türkei. Hier liegt das zentrale Siedlungsgebiet der Pontosgriechen. Dieses Volk litt im Osmanischen Reich als Christen genauso wie die Armenier und Aramäer unter Diskriminierung, Massaker und Deportation. Die Griechen-Vertreibungen genozidalen Ausmaßes 1914-1923 vernichteten diese Heimat der Griechen. Die letzten Mönche mussten 1926 (unter Atatürk) das Kloster verlassen. Als „Nationalerbe“ wurde es ausschließlich aus touristischen Erwägungen „geschützt“. Im August 2020 erlaubte Präsident Erdogan den Griechen dort, in der teilsanierten Kirche, Maria Himmelfahrt zu feiern. Zur Dekoration der heiligen Messe hängte der türkische Staat, über den Altarraum die türkische Flagge. Die Botschaft war eindeutig: Religionsfreiheit, gewährt vom neuen Eigentümer des Landes.

 

Alles nur geklaut!

Kappadokien ist berühmt für seine Felsbauten. Auch hier geht es, wie so oft, um historische Stätten, die als UNESCO-Weltkulturerbe anerkannt wurden. Die Höhlenarchitektur umfasst Sakralbauten, Wohn- und Wirtschaftsräume aus Tuffgestein. Erste Besiedlungsspuren lassen eine Besiedlung in vorchristlicher Zeit vermuten. Die Bauten selbst stammen aus dem 1. Jahrhundert n. Chr.. Erste Christen sollen in der Tufflandschaft Schutz gesucht haben und sesshaft geworden sein. Der Niedergang des Christentums deutet auf die Schlacht von Manzikert. Die Vorgänger der Osmanen, die Seldschuken, gewannen die Vorherrschaft und leiteten damit unter anderem auch das Ende der rund 3.000 in Stein gehauenen Kirchen ein.

Izmir ist eigentlich das griechische Smyrna. Erste Siedlungen reichen zurück in die Jahre 6500–4000 v. Chr.. Die antike Agora von Smyrna, der von Antigonos angelegte Hafen zeugen von den griechischen Wurzeln der Region. Ephesos, 70 Kilometer südlich von Izmir, ist griechische Existenzen belegendes UNESCO-Weltkulturerbe, nicht Ergebnis türkischer Wertarbeit.

Aspendos liegt an der Südküste der Türkei, zwischen Antalya und Manavgat. Die Ruinen des Amphitheaters sind alles andere als türkischen Ursprungs. Vielmehr wurde es im 12. Jh. vor Christus von Siedlern aus Argos gebaut und ist damit eigentlich Kulturerbe der Griechen.

 

Ani, die alte Hauptstadt Armeniens, und eine Brücke aus armenischen Grabsteinen

Die historische Stadt Ani, im äußersten Osten der Türkei ist die seit mehr als drei Jahrhunderten verlassene, und heute in Ruinen liegende ehemalige armenische Hauptstadt. Ani ist seit dem 5. Jahrhundert als armenische Festung nachweisbar. Heute ist es eine verwahrloste Geisterstadt, leerstehendes Land mit einem gerade noch als Kirche zu erkennenden freistehenden Gebäude.

Und doch hatten nicht alle armenischen Kirchen der heutigen Türkei das Glück als verwahrloste Ruine zu enden. Die armenische Kirche des Heiligen Gregor steht zwar noch in Izmir-Menemen wird, aber als Kuhstall genutzt. Nichts anderes gilt für die Kirche des Heiligen Tomas in Van, direkt am Van-See, im Osten der Türkei. Die Gegend um Van war bereits um 5000 v. Chr. besiedelt, einst Hauptstadt des Urartäischen Königreiches, nach dessen Zerfall armenisches Land. Das archäologische Museum spricht Bände, bringt Touristen zum Staunen und der Türkei Geld.

Die Brücke von Malatya stammt aus den 1930 Jahren, wurde damit postgenozidal, in der Zeit Atatürks gebaut aus armenischen Grabsteinen. Auch hier reicht die Geschichte der Stadt über die Assyrer bis zurück zu den Hethitern. 1069 fiel die Stadt erstmals an die Seldschuken, 1243 fielen die Mongolen ein. 30 Jahr später kamen die Araber und verkauften die Einwohner als Sklaven, 1513 übernahmen die Osmanen.

1895 bis 1896 während der Hammidischen Massaker wurden allein in Malatya 7.500 armenische Zivilisten von fanatischen Muslimen und türkisch-kurdischen Einheiten getötet. Von den fünf Kirchen in der Stadt gehörten drei den Armeniern. Sie waren federführend im Handel, der Seidenraupenzucht, dem Seidenhandel und der Landwirtschaft tätig. Im Frühjahr 1915 wurden die Armenier der Stadt von osmanischen Behörden verhaftet und in die Syrische Wüste geschickt – Todesmärsche, die zum Völkermord an den Armeniern kulminierten. 15 Jahre später baute man für eine neue Türkei aus den Hinterlassenschaften der Armenier, in diesem Fall aus Grabsteinen, eine Brücke – auf geklautem Land.

Die Türkei ist reich an solchen Schätzen, Ruinen, Hinterlassenschaften einstiger Eigentümer. Doch ebendiese sind nicht mehr da. Ihr Andenken wird verleugnet oder beschmutzt – damals wie heute. Die Mentalität der Menschen hat sich bis heute nicht geändert. Das zeigen die aktuellen Geschehnisse in der Außenpolitik ebenso wie der gelebte Hass auf alle nicht-sunnitischen Nicht-Türken. Das zeigen Christenverfolgungen und Christenmorde, der Hass auf die Armenier und Griechen im Land, die Verklärung aller nicht-islamistischen Kurden zu Terroristen, der Antisemitismus gegenüber den einheimischen Juden. Sie alle haben auf geklautem Land nichts zu suchen, um nicht an die vielen Raubmorde zu erinnern. Sollte sich der neo-osmanische bzw. islamische Traum der Eroberung Jerusalems, etwa über das Mittel der sogenannten „Zweistaatenlösung“, durchsetzen, so darf man nicht erwarten, in Israel würde alles anders verlaufen.

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