Wladimir Putins besonderes Verhältnis zu Israel
Präsident Putin ist der in der Geschichte Russlands am stärksten pro-jüdisch und pro-israelisch eingestellte Staatsführer.
Benjamin Netanjahu und Wladimir Putin© MAXIM SHEMETOV , AFP
Als der russische Präsident Wladimir Putin am 23. Januar in Israel landete, wehte die russische Flagge in der Region hoch oben an den Fahnenmasten. Wesentlich höher als bei seinem letzten Besuch im Heiligen Land im Jahr 2012. Mittlerweile hat Moskau die Kontrolle über den syrischen Luftraum übernommen und das Regime des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad vor dem fast sicheren Untergang bewahrt.
Die Anfang des Monats erfolgte Tötung des iranischen Top-Generals Qasem Soleimani durch die Vereinigten Staaten (USA) stärkte die Position Russlands in Syrien und im Irak. Der russische Außenminister, Sergei Lawrow, nannte die Tötung zwar eine „illegale Handlung“ und kritisierte die USA, weil sie sich nicht an das Völkerrecht halten, aber ein schwächerer Einfluss des Irans in Syrien verschafft Russland mehr Einfluss im Land.
Soleimani war für den Ausbau iranischer Vertretungen wie der Hamas im Gazastreifen und der Hisbollah im Libanon und in Syrien verantwortlich. Er war der Hauptverantwortliche der iranischen Bemühungen, den so genannten Schiitischen Halbmond aufzubauen und „die Revolution zu exportieren“ – ein Appell an die iranische Regierung seit 1979.
Nun, da Soleimani aus dem Verkehr gezogen wurde, dürfte der iranische Einfluss in der Region – zumindest kurzfristig – zurückgehen. Beispielsweise in Syrien, wo der Iran und Russland Seite an Seite kämpften, um die Regierung Assads zu unterstützen, haben die Spannungen zwischen den Seiten hinsichtlich der zukünftigen Entwicklung zugenommen. Der Wettstreit um Territorium und wer die Anerkennung für den Sieg im Kampf gegen den islamischen Staat erhält, spaltet Moskau und Teheran. Ebenso verhält es sich mit der Tatsache, dass Moskau Assads offizielle Sicherheits- und Militärinstitutionen gestärkt sehen will, während Teheran Alternativen aufbauen möchte. Moskau will, dass ein Friedensabkommen zustande kommt; Teheran zieht es vor, dass die Kämpfe weitergehen.
Russland drückt ein Auge zu, wenn Israel in Syrien die Iraner bombardiert
Fazit: Moskau will nicht, dass der iranische Einfluss in Syrien zu stark wird. Das erklärt, zumindest teilweise, warum Moskau jedes Mal ein Auge zudrückt, wenn israelische Kampfflugzeuge die von Iranern unterstützte Miliz vor Ort bombardieren. Teheran argumentiert, und zwar zu Recht, dass Moskau diese Angriffe verhindern könnte, da es den syrischen Luftraum kontrolliert. Dabei wird jedoch das gute Verhältnis zwischen Putin und dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu nicht berücksichtigt, die sich regelmäßig treffen, um die israelischen Einsätze zu koordinieren. Im vergangenen Monat prahlte Netanjahu, Putin habe ihm gesagt, dass die beiden Länder sich durchaus im Krieg miteinander hätten befinden können, wenn es keine so enge Verbindung zwischen den beiden Staatsoberhäuptern geben würde.
„Vier Mal standen wir kurz vor einer Konfrontation“, sagte Netanjahu damals in einem Interview mit dem Armee-Radio.
Aber Moskau und Jerusalem haben eine komplizierte Vergangenheit. Unter den Gründern des jüdischen Staates waren viele Juden, die vor der Verfolgung im Russischen Reich geflohen waren. Der ehemalige sowjetische Staatschef, Joseph Stalin, unterstützte 1947 die Gründung Israels, um die Position Großbritanniens im Nahen Osten zu untergraben. Er beabsichtigte auch, den Kommunismus in den neugegründeten Staat zu exportieren. Seine Nachfolger jedoch bemühten sich aktiv um die arabischen Feinde Israels – Syrien und Ägypten – und versorgten diese mit Waffen. Nach dem Sechstagekrieg von 1967 brach die Sowjetunion die diplomatischen Beziehungen zu Israel ab. Erst 1991 wurden die Beziehungen wieder aufgenommen.
Ursprünglich war es für Jerusalem vorrangig, sicherzustellen, dass die russischen Juden die Möglichkeit hatten, nach Israel auszuwandern und dass diejenigen, die in Russland blieben, geschützt würden. Jerusalem war außerdem besorgt, dass Moskau gefährliche Technologien mit Israels Feinden teilen könnte. Aber um die Jahrhundertwende wurde diese Beziehung noch wichtiger, als sich Russland von den jahrzehntelangen Schwierigkeiten erholte und mehr als eine Million Juden aus russischsprachigen Ländern nach Israel auswanderten. Heutzutage stellen sie einen bedeutenden Wählerblock in der israelischen Innenpolitik dar.
In Israel traf Putin seine Deutsch-Lehrerin
Israel unterstützt Russland zudem aktiv im Bereich der Landwirtschaft und in den letzten vier Jahren ist Russland zum größten Rohöllieferanten Israels geworden. Der Strom russischer Touristen in das Land nimmt aufgrund des breiten Angebots an Strandurlauben, Erholung am Toten Meer, religiösen Stätten und Sightseeing-Touren weiter zu. Dass keine Visa benötigt werden und dass es keine Sprachbarriere gibt, trägt ebenfalls dazu bei. Gut jeder fünfte Israeli spricht Russisch, wodurch Israel das einzige teilweise russischsprachige Land der Welt außerhalb der ehemaligen Sowjetunion ist.
Putin ist der am stärksten pro-jüdisch und pro-israelisch eingestellte „Zar“, der Russland je regiert hat. Diese Einstellung schlägt sich in der gesamten Führung nieder, weshalb es für die russisch-jüdische Gemeinde in Israel ein wichtiges Anliegen ist, was nach dem Ausscheiden Putins aus dem Amt geschehen wird.
Putin, der in einer Gemeinschaftswohnung in St. Petersburg aufwuchs, war von früher Kindheit an von Juden umgeben. Er spricht liebevoll über ein älteres orthodox-jüdisches Ehepaar, das gegenüber seiner Familie lebte. Eine ganze Reihe seiner Lehrer waren ebenfalls Juden und 2005, bei seinem ersten Israel-Besuch als Präsident, traf er seine ehemalige Deutschlehrerin. Als er erfuhr, dass sie ihre Wohnung in der israelischen Stadt Bat Yam nur zur Miete bewohnte, kaufte er sie für sie als Geschenk.
Netanjahu und Putin betrachten sich gegenseitig als Veteranen der Spezialeinheiten ihrer jeweiligen Armee. Putin schätzt den Kampf Israels gegen den Terrorismus sehr, zumal er weiterhin gegen die Extremisten in Südrussland kämpft. Außerdem ist er äußerst besorgt angesichts radikalisierter russischer Kämpfer, die aus Syrien und dem Irak in den Kaukasus und nach Zentralasien zurückkehren.
Putins Reise nach Israel folgt auf seinen Besuch Anfang des Monats in Syrien. Doch während er beim letzten Mal aus Sicherheitsgründen auf dem russischen Luftwaffenstützpunkt Hmeimim außerhalb der syrischen Stadt Latakia landete, ist er diesmal auf dem internationalen Flughafen von Damaskus gelandet, der das Ziel israelischer Angriffe gegen pro-iranische Milizen war. Seine Wahl des Zielortes und des Zeitpunkts ist sicherlich kein Zufall. Damit zeigt er, dass der russische Präsident bei einem Besuch eines wichtigen regionalen Verbündeten nichts zu befürchten hat, und dies ist in Anbetracht der kürzlich erfolgten Tötung von Soleimani auf dem irakischen Flughafen von Bagdad besonders bedeutsam.
Da die Spannungen zwischen dem Iran und den Vereinigten Staaten insbesondere nach dem Tod Soleimanis zunehmend eskalieren, ergeben sich für Russland neue Möglichkeiten in der Region. Die Verbündeten des Irans bemühen sich verzweifelt darum, die Situation unter Kontrolle zu bekommen, und Syriens al-Assad könnte noch abhängiger von der russischen Unterstützung werden.
Putins Besuch in Damaskus demonstrierte Russlands Vormachtstellung in Syrien und demonstrierte sein Vertrauen in seine Strategie für die Region. Angesichts der Tatsache, dass der amerikanische Präsident Donald Trump immer wieder den Rückzug aus dem Nahen Osten versichert – eine Politik, die bereits zu Zeiten seines Vorgängers Barack Obama ihren Anfang nahm –, ist dies von besonderer Bedeutung.
Moskau wird zweifellos auch in Zukunft seine Fähigkeit unter Beweis stellen, die Fehltritte Washingtons in politische und diplomatische Erfolge umzuwandeln. Russland pflegt Beziehungen zu allen Akteuren in der Region und kann mit allen sprechen. Russlands größte Stärke ist jedoch auch gleichzeitig seine Schwäche. Ein Alleskönner zu sein, bedeutet manchmal, nichts wirklich zu beherrschen.
Die Länder im Nahen Osten wollen zwar mit Russland sprechen, aber sie machen sich keine Illusionen, dass Moskau die von ihnen angestrebten Ergebnisse erzielen kann. Russlands militärisches, diplomatisches und wirtschaftliches Rüstzeug ist nicht in der Lage, die dringendsten wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Veränderungen in der Region zu bewerkstelligen.
Darüber hinaus bestehen die wichtigsten Beziehungen Russlands im Nahen Osten – mit Ausnahme von Syrien – zu den nicht-arabischen Staaten Israel, Türkei und Iran. Die dringlichsten Probleme des Nahen Ostens betreffen jedoch die arabischen Gesellschaften.
Wenn Putin am fünften Welt-Holocaust-Forum in Yad Vashem zum Gedenken an den 75. Jahrestag der Befreiung von Auschwitz teilnimmt, werden er und Netanjahu Seite an Seite stehen. Die Staatschefs werden sich zweifellos privat treffen, um – erneut – über die israelischen Militäreinsätze in Syrien sowie über den Fall der israelischen Touristin Naama Issachar zu sprechen. Issachar sitzt derzeit in Russland im Gefängnis, weil sich auf der Durchreise durch Moskau eine geringfügige Menge an Drogen in ihrem Besitz befand. Der Kreml kündigte an, Putin werde mit Netanjahu eine mögliche Begnadigung für sie besprechen.
Da alle Augen in Israel auf Putins Besuch gerichtet sind, hat der russische Präsident sein oberstes Ziel erreicht – die russische Flagge in der Weltpolitik ein Stück höher wehen zu lassen.
Sehr geehrte Leser!
Die alte Website unserer Zeitung mit allen alten Abos finden Sie hier:
alte Website der Zeitung.
Und hier können Sie:
unsere Zeitung abonnieren,
die aktuelle oder alte Ausgaben bestellen
sowie eine Probeausgabe bekommen
in der Druck- oder Onlineform
Werbung