Nach Hitler-Vergleich: Israel erklärt Lula da Silva zur „unerwünschten Person“

Der brasilianische Präsident Lula da Silva verharmlost die Verbrechen der Hamas.© LUDOVIC MARIN/AFP
Brasiliens linker Staatschef Luiz Inácio "Lula" da Silva verglich während eines Gipfeltreffens der Afrikanischen Union in Äthiopien Israels Selbstverteidigungskrieg im Gazastreifen infamer Weise mit Hitlers Holocaust. Ein nicht unerheblicher Anteil der Israel-Dauerverurteilungs-Staaten aus der UNO stimmen dieser Aussage zu. Israel erklärte da Silva daraufhin zur „persona non grata“, da auch keine Entschuldigung von seiner Seite für diesen unerträglichen Vergleich erfolgt ist. Beifall und Zustimmung bekam Lula hingegen, wie kaum anders zu erwarten, neben vielen anderen Israel-Feinden u.a. von der Terror-Bande Hamas. (JR)
Es ist ein denkwürdiger Moment gewesen: Mehr als sechs Jahre nach den Olympischen und Paralympischen Spielen in Rio weihte die Stadt eine Schule im Olympiapark von Barra ein, die aus einer der Sportarenen für die Spiele entstanden war. Diesen Moment wollte sich auch der brasilianische Präsident Luiz Inácio "Lula" da Silva, in dessen zweiter Amtszeit Brasilien 2009 den Zuschlag für die Spiele bekommen hatte, nicht entgehen lassen: Die Veranstaltung wurde von der ursprünglich städtischen auf die Bundesebene gehoben. Lula kam selbst zur Einweihung der Schule nach Rio de Janeiro.
Einige Probleme der brasilianischen Millionen-Metropole wie die Unsicherheit und die Ungleichheit sind zwar geblieben. Aber die Fortführung des olympischen Erbes soll auch zeigen: Rio ist zurück, nach dem Kater nach den Olympischen und Paralympischen Spielen 2016, als der Bundesstaat Rio de Janeiro pleite war und Geld für Schulen, Universitäten und Krankenhäuser fehlte, sowie der Trostlosigkeit der Pandemie. Corona hatte Rio mitten ins Herz getroffen.
Das Virus nahm der Samba-Metropole das Leben in den Straßen, die Treffen auf Plätzen und in Bars, die fast immer begleitet von Musik sind. Sogar der weltberühmte Karneval fand nicht statt. Besonders traurig war es, durch das Zentrum zu fahren, Geschäfte waren geschlossen, Straßen leer, unter Vordächern drängten sich Obdachlose. Nun soll das Zentrum im Rahmen des Plans „Reviver Centro“ stadtplanerisch, kulturell und wirtschaftlich wiederbelebt werden, das olympische Erbe wird eben fortgeführt - und Rio richtet im November den G20-Gipfel aus.
Diplomatische Krise
Doch Rios Rückkehr ist just zum Treffen der G20-Außenminister in Rio de Janeiro Ende Februar von einer diplomatischen Krise Brasiliens mit Israel überschattet worden. Ausgelöst von dem linken brasilianischen Präsidenten Lula selbst, der das Vorgehen Israels im Gazastreifen auf dem Gipfel der Afrikanischen Union (AU) mit dem Holocaust verglichen hatte.
Der brasilianische Außenminister Mauro Vieira, für das G20-Außenministertreffen in Rio, bestellte den Botschafter Israels in Brasilien, Daniel Zonshine, in den Itamaraty-Palast in der früheren Hauptstadt Brasiliens ein. Vieira bezeichnete die Reaktion Israels auf die Aussagen Lulas brasilianischen Medienberichten zufolge als "inakzeptabel". Parallel dazu rief Vieira den brasilianischen Botschafter in Israel, Frederico Meyer, zu "Konsultationen" zurück.
Ein Datum für Meyers Rückkehr nach Israel gibt es bisher nicht, auch wenn sich die Krise nach einem Monat inzwischen etwas abgeschwächt hat. Es wird etwas dauern, bis Brasilien und Israel die Beziehungen wieder voll etablieren. Immerhin hat es zuletzt keine weiteren heftigen Äußerungen gegeben, sodass die Beziehungen verbessert werden können und die Zusammenarbeit, etwa in den Bereichen Landwirtschaft und Sicherheitstechnik, fortgesetzt werden kann.
An einen Abbruch der Beziehungen glaubte etwa der Politikwissenschaftler Guilherme Casarões von der „Fundação Getulio Vargas“ (FGV) in São Paulo auch auf dem Höhepunkt des diplomatischen Eklats nicht. "Wir sehen eine Weiterführung eines gewissen Befremdens, das in dieser starken Botschaft Israels gipfelte und quasi eine Geschichtsstunde ist."
Weiterhin keine Entschuldigung
Der israelische Außenminister Israel Katz hatte Meyer bei einem Treffen in der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem mitgeteilt, dass Lula in Israel "persona non grata" sei, bis er seine Äußerungen zurücknehme und sich entschuldige. Der Ausdruck wird in den internationalen Beziehungen benutzt, um anzuzeigen, dass ein ausländischer offizieller Vertreter nicht mehr willkommen ist.
Die brasilianische Regierung empfand die Behandlung Meyers als mindestens demütigend - auf Hebräisch, an einem öffentlichen Ort - und schloss eine solche Zurücknahme in brasilianischen Medien aus. Dies sei nicht einmal diskutiert worden, sagte Lulas außenpolitischer Berater Celso Amorim. Statt sich zu entschuldigen, wiederholte Lula seinen Vorwurf des Völkermords „Was die Regierung des Staates Israel tut, ist kein Krieg, es ist Genozid“, sagte er. „Kinder und Frauen werden ermordet.“
Er sei für die Gründung eines freien und souveränen „palästinensischen“ Staates. „Möge dieser palästinensische Staat in Harmonie mit dem Staat Israel leben.“ Auslöser des Gaza-Krieges war ein Massaker am 7. Oktober vergangenen Jahres, bei dem Terroristen der Hamas und anderer Gruppen 1200 Menschen in Israel töteten und weitere 250 als Geiseln nach Gaza verschleppten. Israel reagierte mit massiven Luftangriffen und einer Bodenoffensive.
Seit Kriegsbeginn sind bei israelischen Militäreinsätzen nach Angaben der Hamas-Gesundheitsbehörde mehr als 30 000 Menschen getötet und weitere rund 75 000 verletzt worden. Bei den Getöteten unterscheidet die Behörde nicht zwischen Kämpfern und Zivilisten. Die Zahlenangaben können derzeit nicht unabhängig überprüft werden.
Unsäglicher Vergleich
Luiz Inácio "Lula" da Silva war eigentlich beim AU-Gipfel in Äthiopiens Hauptstadt Addis Abeba gewesen, um die strategische Zusammenarbeit mit der Afrikanischen Union, die ihre Premiere als ständiges Mitglied der G20 hat, zu stärken. Der Kampf gegen den Hunger und die Armut auf der Welt ist eines der Themen, die zu den Prioritäten des brasilianischen G20-Vorsitzes gehören – und die auch für Afrika von Interesse sind. Brasilien hat dabei große Erfolge vorzuweisen, allerdings haben Hunger und Armut in dem größten und bevölkerungsreichsten Land in Lateinamerika auch wieder zugenommen.
In einem Interview in Äthiopien warf Lula Israel – im Zusammenhang mit der Kritik an dem Aussetzen der Finanzierung des UN-Hilfswerks für „Palästina“-Flüchtlinge im Nahen Osten durch reiche Länder – aber einen „Genozid“ im Gazastreifen vor. Dann fügte der linke Präsident Brasiliens hinzu: „Was im Gazastreifen mit dem palästinensischen Volk passiert, hat es noch nie in der Geschichte gegeben. Doch, das hat es schon gegeben: Als Hitler entschieden hat, die Juden zu töten.“
Lulas unsägliche Aussagen riefen nicht nur in Israel, sondern auch außerhalb großes Entsetzen und große Entrüstung hervor. In Brasilien selbst gab es ebenfalls heftige Kritik. Die Parlamentarische Gruppe Brasilien-Israel verurteilte die Äußerungen in einer Erklärung als „parteiisch und unehrlich“. Die Äußerungen zeigten von „historischer Ignoranz und einem Mangel an Ausgewogenheit, um unser Land zu führen“. In der Opposition mehrten sich die Forderungen nach einem Absetzungsverfahren gegen Luiz Inácio „Lula“ da Silva. Teile der Linken in Brasilien und anderen Ländern Lateinamerikas unterstützten den brasilianischen Präsidenten mit den gewagtesten Argumenten.
Der 78-Jährige Lula, der selbst aus dem armen Nordosten Brasiliens stammt, sieht sich gerne als Fürsprecher Afrikas, ja Anführer des Globalen Südens und internationaler Vermittler. Das G20-Außenministertreffen in Rio im Februar ist die erste große Veranstaltung von zwei Jahren intensiver diplomatischer Aktivitäten für Brasilien gewesen, das seit 1. Dezember 2023 den G20-Vorsitz inne hat, 2025 den jüngst auf zehn Mitglieder - unter ihnen Ägypten und Äthiopien - erweiterten BRICS-Staaten der aufstrebenden Schwellenländer vorstehen und in der Amazonas-Metropole Belém die Weltklimakonferenz COP-30 ausrichten wird.
Schändliche Machtdemonstration
Damit will der "Grüne Riese" Brasilien seine geopolitische Position stärken, außer dem Kampf gegen den Hunger und die Armut auch die nachhaltige Entwicklung und die Reform der Weltordnungspolitik auf die Agenda setzen. Die Reform des UN-Sicherheitsrats und die "dringlichen Themen" wie der Ukraine-Krieg und der Krieg in Gaza sollten auch der Fokus von Brasilien beim G20-Außenministertreffen in Rio de Janeiro sein, wo Annalena Baerbock Lulas Äußerungen zurückwies. „Der Holocaust ist mit nichts zu vergleichen“, sagte sie.
"Mit Verzerrungen über den Holocaust verliert Lula seine internationale Legitimität", schrieb jedoch die Kolumnistin für internationale Politik des brasilianischen Nachrichtenportals "G1", Sandra Cohen, in ihrem Blog . "Der brasilianische Präsident begräbt den Platz Brasiliens als möglicher Vermittler im Nahostkonflikt." Ähnliches war zuvor auch im Zusammenhang mit dem russischen Angriffskrieg in der Ukraine passiert, wo Lula zwar einen "Friedensclub" unter anderem mit BRICS-Mitglied China vorschlug, aber auch der Ukraine Mitschuld am Krieg gab. In Lateinamerika fällt es ihm schwer, die autoritären Regierungen etwa in Nicaragua und Venezuela zu kritisieren, obwohl Oppositionelle unterdrückt und inhaftiert werden oder das Land verlassen müssen.
Martina Farmbauer ist Journalistin, Reporterin und Autorin mit Schwerpunkt Brasilien und Lateinamerika. Für ihre BR-Reportage darüber, wie sich das Attentat von München auf Sport und Gesellschaft in Israel auswirkt, wurde sie mit dem Herbert-Zimmermann-Preis ausgezeichnet.
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