Det is Barlin: Schon wieder erkennbare Probleme bei den Wiederholungswahlen in Berlin

© Odd ANDERSEN / AFP

Nach der historischen und mit großer Wahrscheinlichkeit wohl nicht nur zufälligen Serie von erheblichen Unregelmäßigkeiten am Super-Wahltag in Berlin am 26. September 2021 findet nach sehr späten anderthalb Jahren einer nicht wirklich legitimierten Regierung in Berlin endlich eine Wiederholungs-Wahl am 12. Februar statt. Allerdings gilt das unzureichenderweise nur für das Berliner Abgeordnetenhaus und die Bezirksverordnetenversammlungen. In der Zwischenzeit bestimmte - untragbar für eine Demokratie wie Deutschland - eine nicht legitimierte Regierung das politische Geschehen. Ungewählte Politiker haben Gesetze erlassen, die nach der Wahlwiederholung nur schwierig zurückgenommen werden können. Hätte all dies eine aus grünlinker Seite „falsche“ Regierung der Mitte getan, dann wäre, wie im Falle des - allerdings legitimierten - Kurzzeit-Ministerpräsidenten Thomas Kemmerich (FDP) in Thüringen, der Aufschrei von Grün und Links nicht einen Tag verstummt. (JR)

Von Deborah Ryszka

Berlin. Die einstige Metropole ist nicht mehr das, was sie einst war. Die „Goldene Ära“ ist passé, „arm, aber sexy“ gilt auch schon lange nicht mehr. Stattdessen heißt es in der Bundeshauptstadt rot-rot-grün. Berlins Steckenpferd? Seine inkompetente Verwaltung. Das ganze Ausmaß offenbarte sich 2021 zum 26. September. Die „Super-Wahl“ wurde zur „Gaga-Wahl“. Die Wahlen zum 19. Berliner Abgeordnetenhaus, zu den zwölf Berliner Bezirksverordnetenversammlungen, die Bundestagswahl und das Volksbegehren der Initiative „Deutsche Wohnen & Co. Enteignen“ liefen gehörig schief. Im Endeffekt bildete sich trotzdem eine rot-rot-grüne Regierungskoalition mit Franziska Giffey (SPD) an der Spitze. Doch es kam, wie es kommen musste. Selbstüberschätzung, Schlamperei und Schummelei übertrafen sich dieses Mal. Mittlerweile wurden die Wahlen für ungültig erklärt. Am 12. Februar wird wiederholt gewählt. Dit is Berlin.

Zur Selbstüberschätzung: Stimmen, die im Vorfeld auf logistische und organisatorische Probleme bei der Bewältigung von insgesamt vier Wahlen samt Einhaltung der damals geltenden Corona-Hygienemaßnahmen sowie dem parallel stattfindenden Berlin-Marathon hinwiesen, wurden überhört. Skandalös! Doch es geht noch weiter, die Schlamperei: Die Niederschrift über die vierte (öffentliche) Sitzung des Landeswahlausschusses für die Wahl zum Abgeordnetenhaus von Berlin (4. öffentliche Sitzung 14. Oktober 2021) gibt hier detaillierte Auskunft.

Erstens, es wurden falsche Stimmzettel für die Briefwahl und Urnenwahl genutzt. „Am 23.8.2021 erhielt die Landeswahlleitung (LWL) durch Nachfrage eines Wählers Kenntnis vom Versand falscher Bundestagsstimmzettel in den Bezirken Reinickendorf und Spandau.[…] Auch durch fehlende Achtsamkeit […] kam es in Wahllokalen teilweise zur Ausgabe von falschen Stimmzetteln.“

Zweitens, in 56 Wahllokalen wurden 3.789 Erststimmzettel und 1.213 Zweitstimmzettel nicht an die Wähler ausgegeben. Aus Versehen oder aus Überforderung.

Drittens, es fehlten Stimmzettel in den Wahllokalen vor Ort, und die Wahllokale waren nicht zeitgemäß geöffnet. „Für 22 Wahllokale ist nicht bekannt, wann sie geschlossen und wieder geöffnet wurden. 16 Wahllokale hatten zwischen 13 und 15 Uhr für einen Zeitraum geschlossen, 18 zwischen 15 und 17 Uhr und 17 nach 17 Uhr. Der Zeitraum, in dem keine Wahl möglich war, lag bei 26 Wahllokalen bis maximal 30 Minuten, bei 24 zwischen 40 bis 60 Minuten, bei 18 zwischen einer bis maximal zwei Stunden und bei fünf Wahllokalen ist dies nicht bekannt.“

Viertens, Stimmzettel wurden auch an Nicht-Wahlberechtigte ausgehändigt.

Fünftens, die Briefwahlunterlagen kamen zu spät an. Wie erbärmlich! Doch nun weiter zur Schummelei: Auch hier hilft ein Blick in die oben genannte Niederschrift. Bei der Wahl zum Abgeordnetenhaus mussten die Wahlhelfer den Rotstift bei nicht gerade wenigen Wahlunterlagen zücken. Wie etwa in Neukölln. Dort musste das Wahlergebnis nachträglich geändert werden. Bei den Erststimmen erhielten so die Grünen 27 statt 26 Stimmen, die Linke 76 statt 68 Stimmen und es gab 15 statt 14 ungültige Stimmen. In Steglitz-Zehlendorf gab es einen „Zahlendreher“. „Die Partei“ erhielt 256 statt 265 Erststimmen. Einfach nur dreist!

 

Rücktritt der Landeswahlleitung

In der Konsequenz traten die Landeswahlleiterin, Petra Michaelis, sowie ihre Stellvertreterin zurück. Vorher legte Michaelis noch Einspruch gegen das Ergebnis im Wahlbezirk Marzahn-Hellersdorf (Wahlkreis 1) und Charlottenburg-Wilmersdorf (Wahlkreis 6) ein. Kurios an der Personalie Michaelis, Abteilungsleiterin im Range einer Senatsdirigentin, zuständig für IT-Angelegenheiten, Datenschutz und Personal? Michaelis war in der Innenverwaltung nicht mehr erwünscht. Über ihr SPD-Netzwerk und ohne Ausschreibung erhielt sie 2020 eine Stelle beim Bundesrechnungshof. Die Stelle zur Abteilungsleiterin wurde sogar eigens für sie eingerichtet. Weil diese Stelle aber auf einer geringeren Besoldungsstufe war als ihre bisherige Position, behalf man sich eines Kniffs. Um auf die gewünschte Gehaltssumme für Michaelis zu kommen, beteiligten sich sowohl der Bundesrechnungshof als auch die Senatsverwaltung für Inneres und Sport an der Besoldung der Abteilungsleiterin. Rechtlich gesehen ist dieses Vorgehen dubios. Doch es zeigt, wie die Berliner Crème de la crème so tickt. Wie bei der Wahl-Blamage letztes Jahr.

Fast niemand im politischen und medialen Berlin hatte so wirklich Interesse diesen politischen Skandal aufzudecken. Medien mieden das Thema. Wieso auch nicht? Bei der Wahl kam schließlich das raus, was sich die zumeist rot-grün gefärbte Clique der Ampel-Koalition wünschte. Politiker aus FDP und Linke dagegen befürchteten Stimmeneinbußen. Zu Recht. Letztlich bagatellisierte der medial-politische Komplex das Geschehene zum Kavaliersdelikt. Der Wahlprüfungsausschuss des Deutschen Bundestages wollte nur in rund einem Fünftel der Berliner Wahlbezirke Neuwahlen durchführen lassen. Erst durch massiven Druck und zahlreich eingereichten Beschwerden und Klagen, kamen immer mehr und genauere Details ans Licht. Der Fall landetet schließlich vor dem Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin. Dieser entschied im November letzten Jahres, dass die Wahlen zum 19. Berliner Abgeordnetenhaus und zu den zwölf Berliner Bezirksverordnungen komplett wiederholt werden müssen. Am 12. Februar 2023. Obwohl gegen diese Entscheidung, nach Berliner Recht, keine Rechtsmittel möglich sind, wurden Verfassungsbeschwerden in Karlsruhe beim Bundesverfassungsgericht eingereicht. Auffällig viele von FDP-Politikern. Vermutlich bangen diese um ihre Mandate. Die Bundestagswahlen hingegen werden in 431 (von 2256) Berliner Stimmbezirken wiederholt werden. Das entschied der Bundestag bereits am 10. November. Doch auch hier wurden Klagen beim Bundesverfassungsgericht eingereicht. Hier steht das Ergebnis noch aus.

 

 

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