Israels neuer Premierminister: Wer ist Yair Lapid und wofür steht er?

Israels neuer Premierminister Yair Lapid (Yesh Atid)© GIL COHEN-MAGEN / AFP / POOL

Israel Heute

Zum dritten Mal in weniger als zwei Jahren hat Israel einen neuen Premierminister.

Als Benjamin Netanjahu nach den Wahlen von 2021 sein Amt verlor, übernahm Naftali Bennett diesen begehrten Posten, obwohl seine eigene Jamina-Partei zu diesem Zeitpunkt nur sechs Sitze in der Knesset hatte.

Bennetts Partner in der Einheitskoalition, Yair Lapid, sollte in der Mitte der vierjährigen Amtszeit der jetzigen Regierung das Ruder übernehmen.

Doch wie von vielen vorhergesagt, hielt die Regierung nicht annähernd so lange durch. Wie in den Koalitionsvereinbarungen vorgesehen, trat Bennett nach der Auflösung der 24. Knesset am 30. Juni zurück, und Lapid wurde offiziell zum neuen Premierminister für eine Übergangszeit bis zu den Neuwahlen am 1. November ernannt.

Lapid ist Vorsitzender von Jesch Atid, der größten Partei der Koalition (17 Sitze).

 

Wer ist Yair Lapid?

Lapid ist der Sohn des bekannten Holocaust-Überlebenden Tommy Lapid, der selbst auf eine lange Karriere in der israelischen Politik zurückblicken kann, in der Regel als entschiedener Gegner der ultra-orthodoxen Strömung.

Bevor er selbst in die Politik ging, war Yair Lapid einer der beliebtesten Talkshow-Moderatoren im israelischen Fernsehen und hatte davor eine erfolgreiche Karriere im Journalismus.

Anfang 2012, kurz vor einer weiteren erwarteten vorgezogenen Wahl, gab Lapid bekannt, dass er das Fernsehen verlassen und in die Politik eintreten werde. Er meldete die neue Partei Jesch Atid – „Es gibt eine Zukunft“ – an und positionierte sich als Vertreter der politischen Mitte.

Die meiste Zeit in der Knesset waren Lapid und Jesch Atid in der Opposition. Er gehörte jedoch einer von Netanjahu geführten Regierung an, in der er von 2013 bis 2014 das Amt des Finanzministers innehatte.

 

Judäa und Samaria / Jüdische Siedlungen

Lapid hat in der Vergangenheit erklärt, dass er die derzeitige „palästinensische“ Führung nicht als lebensfähigen Partner ansieht, dass er aber auch dagegen ist, ein anderes Volk zu „besetzen“.

Er ist der Ansicht, dass sich Israel von den „Palästinensern“ „trennen“ sollte, vermutlich durch die Entwurzelung weiterer jüdischer Siedlungen in Judäa und Samaria.

 

Iran

Lapid betrachtete das letzte Atomabkommen mit dem Iran, das unter dem ehemaligen US-Präsidenten Barack Obama ausgehandelt wurde, als die am wenigsten schlechte von vielen schlechten Optionen.

Doch erst kürzlich verurteilte er entschieden die europäischen Bemühungen, die Verhandlungen mit dem Ziel fortzusetzen, angesichts der groben Verstöße des Irans ein neues, schwächeres Atomabkommen zu schließen.

 

Religion und Staat

Lapid ist zwar nicht so religionsfeindlich wie sein Vater, wendet sich aber entschieden gegen das, was er als religiösen Zwang des Rabbinats und der ultra-orthodoxen politischen Parteien in Israel ansieht.

Er lehnte das so genannte „Nationalstaatsgesetz“ ab, das den jüdischen Charakter Israels im halbverfassungsmäßigen Grundgesetz verankerte, und bezeichnete es als einen politischen Angriff auf die religiösen und ethnischen Minderheiten Israels.

 

Differenzen mit Bennett

Interessanterweise waren sich Lapid und Bennett in diesen wichtigen politischen Fragen nur in Bezug auf die nukleare Bedrohung durch den Iran völlig einig.

Bennett, ein religiöser Nationalist, glaubt, dass es Israels göttlicher Auftrag ist, Judäa und Samaria, das biblische Kernland der jüdischen Nation, zu besiedeln. Im Jahr 2017 positionierte sich Bennett noch weiter rechts als Netanjahu, indem er forderte, dass Israel seine Souveränität über das sogenannte „Westjordanland“ sofort durchsetzt.

Er stimmte auch für das Nationalstaatsgesetz und unterstützt ideologisch die Charakterisierung Israels als jüdischen Staat. Allerdings äußerte er im Nachhinein Bedenken hinsichtlich des Wortlauts des Gesetzes und seiner vermeintlichen Ausgrenzung loyaler Minderheiten wie der Drusen.

 

Chancen bei den nächsten Wahlen

Umfragen zufolge wird Lapids Partei Yesh Atid in der nächsten Knesset 19 Sitze erringen und liegt damit deutlich hinter Netanjahus Likud, dem mindestens 34 Sitze zugesprochen werden.

Netanjahu hat aber immer noch nicht genügend Unterstützung von Abgeordneten der Rechten, um eine Mehrheitskoalition zu bilden. Dies könnte Lapid erneut die Möglichkeit geben, eine gemischte Anti-Netanjahu-Koalition zu bilden, die allerdings wahrscheinlich noch kürzer Bestand haben würde als die derzeitige.

Sehr geehrte Leser!

Die alte Website unserer Zeitung mit allen alten Abos finden Sie hier:

alte Website der Zeitung.


Und hier können Sie:

unsere Zeitung abonnieren,
die aktuelle oder alte Ausgaben bestellen
sowie eine Probeausgabe bekommen

in der Druck- oder Onlineform

Unterstützen Sie die einzige unabhängige jüdische Zeitung in Deutschland mit Ihrer Spende!

Werbung


Alle Artikel
Diese Webseite verwendet Cookies, um bestimmte Funktionen zu ermöglichen und das Angebot zu verbessern. Indem Sie hier fortfahren, stimmen Sie der Nutzung von Cookies zu. Mehr dazu..
Verstanden