Wenn zwei dasselbe tun…
Das positive Echo in den deutschen Medien auf Präsident Bidens Angriff in Syrien unterscheidet sich erstaunlich von demjenigen auf ganz und gar vergleichbare Angriffe Donald Trumps. Nicht anders verhält es sich mit dem Vorgehen des neuen US-Präsidenten an der mexikanischen Grenze.
Weil Biden die Journalisten auf seiner Seite hat, werden seine Angriffe in Syrien viel milder beurteilt als die von Donald Trump.© Sophie RAMIS, Kun TIAN, Paz PIZARRO, Thorsten EBERDING / AFP
Wenn zwei dasselbe tun, dann ist es noch lange nicht das Gleiche. Der neue amerikanische Präsident Joe Biden hat nach einem Monat im Amt einen Luftschlag gegen Einrichtungen der Hisbollah in Syrien führen lassen. Die Berichterstattung darüber steht in seltsamem Gegensatz zu derjenigen über einen vergleichbaren Schlag Donald Trumps, der sich damit aber immerhin etwas länger Zeit ließ.
Deutsche Multiplikatoren von Verschwörungstheorien
Bei Trumps Angriff brachte der „Spiegel“ einen Artikel, der zwar im Vergleich zur sonstigen, nahezu an den „Stürmer“ erinnernden Hetze gegen diesen Präsidenten mit dem unvergessenen Cover vom Trump als „Feuerteufel“ noch maßvoll war, aber eine deutlich negative Perspektive einnahm und kritische Fragen stellte. Die Frage des „Spiegel“ nach den Zielen des Angriffs, nachdem eine kleinere Zahl Toter und begrenzte Sachschäden Herrn Assad kaum ernsthaft beeindrucken werden, war sogar richtig und legitim. Dann ging es aber gleich weiter, wenn auch nur im Zitat: „Die ganze Angelegenheit könnte ‚ein Trick‘ der Russen zugunsten Trumps gewesen sein, ‚um die Story zu killen, dass er mit Putin im Bett liegt‘, mutmaßte der MSNBC-Kommentator Chris Matthews.“ Diese Verschwörungstheorie war gleichermaßen unbegründet wie unverschämt.
Nicht erwähnt wurde, dass Trumps Angriff die Durchsetzung einer von seinem Vorgänger Obama proklamierten „Roten Linie“ bezüglich des Einsatzes chemischer Waffen war. Auch wenn Präsident Trump rechtlich und politisch daran natürlich nicht gebunden war, stand er doch unter einem gewissen Handlungsdruck. (Rein finanziell gesehen dürfte die Sache übrigens massiv mit Kanonen auf Spatzen, oder mit Präzisionswaffen auf minderwertigen Beton, geschossen gewesen sein. Die Amerikaner sollen 59 Tomahawk-Raketen abgefeuert haben, die rund anderthalb Millionen pro Stück kosten – für rund hundert Millionen in reinen Munitionskosten gab es einen Schaden, den wohl auch ein Terrorist mit einem Laster und üblichen, billigen Agrarchemikalien hinbekommen hätte.)
Nur eigene Quellen des Präsidenten zitiert
Bei Joe Bidens Angriff hingegen sah sich der „Spiegel“ offenbar nicht bemüßigt, eine irgendwie gehaltene Analyse zu bringen, und schon gar nicht eine, in welcher er insinuieren würde, dass da eine Verschwörung Bidens mit auswärtigen Mächten dahinterstecken könnte. Stattdessen gab es lediglich eine Zusammenfassung mit Kommentaren aus Bidens eigenem Team: „Gleichzeitig seien die verhältnismäßigen Angriffe bewusst so durchgeführt worden, um ‚die Lage im Osten Syriens und dem Irak zu deeskalieren‘“.
Nun kann man die Sinnhaftigkeit solcher symbolischen Angriffe in der Tat in Frage stellen. Es ist schwierig, sie in eine Strategie einzuordnen, und tödliche Gewalt als rein symbolisches Projekt ist zwar nicht unbedingt selten, aber doch nicht so einfach zu rechtfertigen und zu verantworten. Erstaunlich erscheint aber vielmehr die Ungleichheit des Medienechos auf sehr vergleichbare Aktionen zweier amerikanischer Präsidenten. Man wird sehen, ob da noch mehr kommt, oder ob der Unterschied zwischen einem Kriegstreiber und einem Friedensengel für die deutsche Presse wirklich vorwiegend in der Parteizugehörigkeit liegt.
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