Marsch durch die Institutionen: Islam-Parteien wollen nach Brüssel

Wie viel „Erdogan“ steckt in den islamischen Parteien? © ERBIL BASAYAN ADOLU AGENCY Anadolu via AFP
Bei der EU-Wahl am 9. Juni treten auch islamo-migrantische Parteien an. Sie präsentieren sich oft als deutsche, werteorientierte Vertretung für alle Bürger mit oder ohne Migrationshintergrund, doch bei genauerer Betrachtung erkennt man die wirkliche Agenda. Im Grunde vertreten sie aber die Interessen Erdogans und der islamischen und im Kern Israel-feindlichen AKP. (JR)
Die EU-Wahl steht bevor. Ein Anlass, einen Blick auf die islamische Beteiligung am Beispiel Deutschlands zu werfen. Denn abgesehen von den Altparteien CDU und SPD, die ein paar eher politisch unbedeutende Muslime ins Rennen schicken, gibt es mittlerweile mehrere politische Migrantenverbände und Kleinparteien mit islamischem Schwerpunkt, unter ihnen die AD-Demokraten (Allianz Deutscher Demokraten) die BIG Partei (Bündnis für Innovation und Gerechtigkeit) und die politische Vereinigung DAVA (Demokratische Allianz für Vielfalt und Aufbruch), die einen Sitz im EU-Parlament anstreben. Bis dato ist der ersehnte Sitz im EU-Parlament für deutsche Migrantenparteien noch Zukunftsmusik, obwohl es schon länger dahingehende Bestrebungen gibt.
2019 bemühte sich Nevin Toy Unkel von den AD-Demokraten, erfolglos um ein EU-Mandat. Aufgrund der zu geringen Anzahl an Unterstützungserklärungen, durfte sie nicht zur Wahl antreten. Dabei warb die Partei gerade mit dieser gut integrierten Kandidatin um die Gunst einer größeren Wählerschaft. Unkel wurde wohl nur in den Vordergrund gerückt, um das islamisch-konservative Wertesystem ihrer Partei zu kaschieren.
Präsenz und Zielsetzungen deutscher Migrantenparteien
Mit Programmen wie einer Ausweitung der Doppelstaatsbürgerschaft, der Stärkung von Rechten türkischer Belange oder die Unterstützung eines EU-Beitritts der Türkei, vertreten die AD-Demokraten im Grunde die Interessen Erdogans, der AKP in Deutschland, auch wenn ihre Mitglieder dies bestreiten. Laut Selbstbeschreibung fungieren sie als Interessensvertretung aller in Deutschland lebenden Migranten. Doch diese, vor allem die türkischstämmigen, interessiert diese Partei herzlich wenig, deshalb sind die AD-Demokraten nach einigen fragwürdigen Auftritten in der Öffentlichkeit wieder in der politischen Versenkung verschwunden, ihre Web-Präsenz einem Lifestyle-Blog gewichen. Doch die Partei gibt es noch immer.
Die BIG, die älteste der hier vorgestellten Migrantenparteien, wurde 2010 von ehemaligen Mitgliedern der UID (Union sozialer Demokraten) mitbegründet. Die Partei präsentiert sich als deutsche, werteorientierte Partei für alle Bürger mit oder ohne Migrationshintergrund. Die BIG will Brückenbauer für eine offene Gesellschaft sein, in der Respekt und Solidarität, Toleranz sowie kulturelle Vielfalt ein friedliches Europa bestimmen. Doch so harmlos, wie es auf den ersten Blick scheint, ist die Partei nicht. Viele ihrer Mitglieder, darunter auch der Bundesvorsitzende und Spitzenkandidat zur EU-Wahl, Haluk Yildiz kommen aus Organisationen wie der UID, sind also vom politischen Islam geprägt. Und manchmal sickern auch die eigentlichen Interessen durch, wenn etwa Yildiz einen politischen Wechsel in Deutschland für unabwendbar hält. Wohin, bleibt offen.
Die im Januar 2024 gegründete DAVA propagiert Vielfalt und Toleranz und ein multiethnisches Europa in dem alle gleichberechtigt leben. Bloß wird bei genauerem Hinsehen die gepredigte Toleranz nur für die eigene Sache gefordert, denn der Islam gehört ja zu Deutschland. Die Ablehnung von Gender- und Abtreibungspolitik oder öffentlich gelebter Homosexualität sprechen nicht gerade für eine tolerante Einstellung der DAVA. Darüber hinaus sind ihre Forderungen, Türkisch als zweite Fremdsprache verpflichtend in den Unterricht einzuführen, türkische Kulturvereine als öffentliche Körperschaften anzuerkennen oder die Ausweitung der Doppelstaatsbürgerschaft, doch eher türkischen Interessen zuzuordnen, als den vorgegebenen.
Umstrittene Kandidaten
Dank Gott, oder besser Allah, quasi im letzten Moment hat die BIG die notwendigen Stimmen für die EU-Wahl bekommen und kann nun 23 Kandidaten ins Rennen schicken. Deren Webauftritte sagen wenig bis gar nichts über sie aus, außer dass sie bürgerlich konservativ erscheinen. Das Wahlprogramm der Kandidaten bedient meist nur Allgemeinplätze wie Vielfalt, eine multikulturelle Gesellschaft, Innovation sowie Antidiskriminierung, Armutsbekämpfung und Chancengerechtigkeit. Aber, was genau darunter verstanden wird, bleibt unkonkret, bleibt schwammig.
Sehr konkret wird allerdings der BIG-Europawahlkandidat Faisal Wardak, wenn er sich politisch für die Rechte der „Palästinenser“ stark macht und seinen antiisraelisch konnotierten Kampf im Falle eines Einzugs im EU-Parlament weiter fechten will. Zumindest bei ihm weiß man, wohin die Reise gehen soll.
Dass die BIG sich vorrangig für die Interessen von Muslimen einsetzt, hat sie vor kurzem wieder eindrucksvoll demonstriert, indem sie der deutschen Regierung Beihilfe zum Völkermord an den „Palästinensern“ vorgeworfen hat.
Auch die Demokratische Allianz für Vielfalt und Aufbruch (DAVA) hat es geschafft. Insgesamt 11 Kandidaten der, als wertekonservativ eingestuften Vereinigung, werden heuer mit inhaltlich austauschbaren Programmen zur EU-Wahl antreten. Kritiker vermuten allerdings, dass ihre Kandidaten im Falle eines Einzugs, im EU-Parlament letztendlich als Sprachrohr der AKP fungieren. Ist die DAVA erfolgreich, werden ihre nächsten Schritte die offizielle Parteigründung und folglich ihre Aufstellung zur Bundeswahl 2025 sein.
Der Vorsitzende der DAVA, Teyfik Öczan, war zuvor 30 Jahre Mitglied der SPD, hat also eine deutschgeprägte Politikvergangenheit. Öczan, der für TRT Deutsch schreibt und keinen Hehl aus seiner Sympathie für Erdogan macht, war der ursprüngliche EU-Wahl Spitzenkandidat gewesen, trat aber aus unbekannten Gründen zurück. Auf seinen Platz ist nun Fatih Zingal, der aus dem politischen Stall der umstrittenen UID kommt, nachgerückt. Eine weitere Spitzenkandidatin, Yonca Kayaolglu, hat vor kurzem mit ihrem Sager: „Wir sind kein Teil von Deutschland, wir sind Deutschland“ Aufsehen erregt. Nun, das sagt mehr über die, ganz nach (neo-) islamischen Vorschriften gekleidete, Kayaolglu aus, als ihr eigentliches Wahlprogramm, in dem sie unter anderem – wer hätte es gedacht – für ein friedliches Zusammenleben aller Menschen in Europa steht.
Unter Beobachtung des Verfassungsschutzes
Die führenden Köpfe von DAVA und BIG haben ihre politischen Wurzeln zum Teil in islamistischen bzw. islamisch-legalistischen Verbänden wie Vereinen.
Die UID, in der wiederum Zingal lange aktiv war, ist laut Eigendefinition eine Nichtregierungsorganisation. Der Verfassungsschutz stuft sie jedoch als regierungsnahe Vorfeldorganisation der AKP ein und unterstellt ihr dahingehend politischen Lobbyismus. Die UID sei deshalb mit der freiheitlich-demokratischen Ordnung unvereinbar. Was die BIG-Partei betrifft, waren einige Mitglieder Funktionäre der heutigen Union internationaler Demokraten, einer weiteren Polit-Lobbyorganisation der AKP und auch dieser Umstand lässt hier zumindest den Hauch einer verdeckten Interessensvertretung vermuten.
Insgesamt eine bedenkliche Entwicklung, denn laut Verfassungsschutz versuchen legalistische Vereine über politische wie gesellschaftliche Einflussnahme eine „Islamkonforme“ Rechtsordnung mittels Durchdringung der Gesellschaft durchzusetzen. Das Ziel sei ein auf der Scharia basierendes Gesellschaftssystem.
Der Marsch des politischen Islam in die EU
Unter dem Deckmantel der wertekonservativen Migrantenpartei versuchen sowohl DAVA als auch BIG vorwiegend islamistische und vor allem türkische Belange durchzubringen. Die Frage, ob diese beiden Fraktionen im Falle eines politischen Durchbruches versuchen, ihre wahren Interessen in Deutschland durchzusetzen, bleibt vorerst offen. Man kann aber davon ausgehen, dass sie dem Lande wenig förderlich sein werden.
Der Weg des politischen Islams durch die Institutionen wirft berechtigterweise kritische Fragen auf. Worum wird es künftig im EU-Parlament gehen, sollten muslimische Parteien den Einzug schaffen? Denn auch in anderen EU-Ländern haben sich muslimische Parteien und Allianzen, wie das Movimento Islamico Italiano Democratico, die französische UDMF (Union demokratischer Muslime Frankreichs) oder die spanische Partido Andalusi Kandidaten für die EU-Wahl aufgestellt. Sollten sich all diese Parteien im EU-Parlament etablieren und dort gar eine Muslimfraktion bilden, stehen wir der Islamisierung Europas zumindest auf politischer Ebene einen großen Schritt näher. Und ein derartiges Zukunftsszenario wäre keinesfalls bunt und weltoffen. Man fühlt sich vielmehr an Houellebecqs schaurige Dystopie „Unterwerfung“ erinnert. Denn die große Frage dabei lautet, brauchen und wollen wir Europäer solch fundamentalistisch-religiöse Machtstrukturen inklusive Scharia? Aber noch ist es nicht soweit, noch herrscht diesbezüglich „Ruhe“ in Europa. Hoffen wir, dass es auch nach der Europawahl 2024 so bleibt.
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