Dänemark erlaubt erstmals Abschiebung von Syrern

Ministerpräsidentin Mette Frederiksen© Mads Claus Rasmussen / Ritzau Scanpix / AFP

Der dänische Berufungsausschuss für Flüchtlinge stufte die Rückführung syrischer Migranten in die Provinz Latakia als sicher und unbedenklich ein. Damit kann auch vielen in Dänemark geduldeten Syrern erforderlichenfalls die Aufenthaltsgenehmigung entzogen werden und eine Abschiebung in das Heimatland erfolgen. (JR)

Von Julian Marius Plutz

Nach langem Gezeter steht die Entscheidung: In Dänemark können syrische Flüchtlinge in ihre Heimat abgeschoben werden. Konkret handelt es sich um die Provinz Latakia. Der Regierungsbezirk liegt im Westen des Landes und etwa 50 Kilometer südlich der türkischen Grenze. 180 Kilometer weiter liegt Aleppo, Damaskus ist rund 350 Kilometer entfernt.

Die Hafenstadt Latakia, die zugleich die Hauptstadt der gleichnamigen Provinz ist, gilt als inoffizielle Hauptstadt der Alawiten, eine schiitisch islamische Sondergemeinschaft, der auch Präsident Assad angehört. Aber auch eine große Minderheit griechisch-orthodoxe und melkitisch griechisch-katholische Gläubige leben hier in einem verhältnismäßig liberalen Lebensstil zusammen. Von den rund 1,3 Millionen Einwohnern der Provinz leben mehr als 400.000 in Latakia.

 

Ghettoisierung soll vermieden werden

Die UNO kritisiert indes die Entscheidung. So müsse der internationale Schutz aus Syrien aufrechterhalten bleiben. Neben Dänemark sei laut der Menschenrechtsorganisation Amnesty International Ungarn das einzige Land der Europäischen Union, das die Aufenthaltsgenehmigungen für syrische Flüchtlinge widerruft.

In Dänemark stellt die sozialdemokratische Ministerpräsidentin Mette Frederiksen gemeinsam mit der liberal-konservativen Partei Venstre und den sozialliberalen Politikern von Moderaterne die Regierung. Unterstützt wird das Kabinett durch die faröischen Unionspartei, die färöischen Sozialdemokraten und die grönländische Siumut. Ihr Erfolg hatte vor allem einen Grund: Eine härtere Einwanderungspolitik. Laut einer Umfrage wünschen sich mehr als 70% der Dänen schärfere Kontrollen an den Grenzen und eine strikte Abschiebung. Diesem Wunsch möchte Frederiksen nachgehen.

Zwar sind erste Pläne, Asylbewerberlager in Afrika zu errichten, gescheitert, dennoch hält die Sozialdemokratin an ihren Plänen fest. Die Anmietung von Gefängnisplätzen im Ausland für kriminelle Ausländer mit Abschiebestatus ist laut eigenen Aussagen „in vollem Gang.” Das Ziel, die Ghettoisierung des Landes zu stoppen, wie es schon Vorgänger der Ministerpräsidentin aus dem rechten Lager forderten, könnte mit Frederiksen erreicht werden. So sollen Schulen zwangsdurchgemischt werden, damit es keine Lehranstalten mit eklatant hohem Ausländeranteil geben soll.

 

Fremdfinanzierte Moscheen verhindern

Auch ihre Haltung zum Islam macht die Sozialdemokratin unmissverständlich klar: Die Religion sei „eine Integrationsbarriere". So sollen Imame nur noch auf dänisch predigen dürfen, um Hasspredigten zu verhindern. Ein Gesetz, wonach „antidemokratische” Spenden von islamischen Extremisten aus dem Ausland untersagt sind, brachte Frederiksen bereits 2021 auf dem Weg.

"Es gibt extremistische Kräfte im Ausland, die versuchen, unsere muslimischen Bürger gegen Dänemark aufzubringen und einen Keil in unsere Gesellschaft zu treiben", erklärte Integrationsminister Mattias Tesfaye. Mehrfach haben dänische Moscheen Millionenspenden „zum Beispiel aus dem Mittleren Osten" erhalten: „Dagegen unternimmt die Regierung nun etwas." Mehrere Millionenbeträge kamen vor allem aus der Türkei, Saudi-Arabien und Katar.

„Für mich wird es immer klarer, dass die ungeregelte Globalisierung, Masseneinwanderung und die Bewegungsfreiheit für Arbeitskräfte von den unteren sozialen Klassen bezahlt wird", schrieb die Ministerpräsidentin in ihrer Biografie. Im Jahr 2000 stand Frederiksen noch für eine liberale Flüchtlingspolitik. Sie kritisierte die Ausländerpolitik Dänemarks als „härteste in ganz Europa".

 

Islamische Einwanderung ohne Abschiebung evoziert Probleme

Ob der islamische Anschlag in Kopenhagen von 2015 ihre Meinung geändert hat, ist unklar. Fakt ist: Der Terrorakt gilt für das liberale und weltoffene Dänemark als Zäsur. Am Valentinstag erschoss Omar Abdel Hamid El-Hussein in dem Kulturzentrum Krudttønden zwei Menschen. Das Thema der Veranstaltung lautete „Kunst, Gotteslästerung und Meinungsfreiheit. Zu Gast war der bekannte schwedische Karikaturist Lars Vilks und der damalige schwedische Botschafter, Francois Zimeray. Der Dokumentarfilmer Finn Nørgaard war einer der Toten. Es wird vermutet, dass der Anschlag Vilks gegolten hat.

In der Folgenacht erschoss El-Hussein vor der Synagoge in der Krystalgade den jüdischen Sicherheitsmann Dan Urzan. Urzan arbeitete im Finanzministerium und engagierte sich als Freiwilliger im eigens installierten Sicherheitsteam in seiner Gemeinde. Sie standen Wache, um die Gäste einer Bat-Mizwa-Feier zu beschützen. Schutz von staatlicher Seite konnten Juden in Dänemark bis dato nicht erwarten, was sich danach änderte. Offensichtlich muss immer erst eine schlimme Tat passieren, bis sich Dinge zum Positiven wandeln.

Dänemark hat die Zeichen der Zeit erkannt: Zügellose Einwanderung aus islamischen Ländern in Verbindung mit einer Aussetzung von Abschiebung evoziert große Probleme. Es bleibt zweifelhaft, ob die Vernunft aus dem Norden in Berlin ankommen wird.

Der Berufungsausschuss ist die letzte Entscheidungsinstanz in umstrittenen Asylfällen. Das Gremium begründete seine Entscheidung mit einer verbesserten Sicherheitslage in der Provinz.

 

UNHCR zeigt sich besorgt

Seit 2019 hat Dänemark nach Angaben der Einwanderungsbehörde 150 syrischen Staatsangehörigen aus Damaskus und Umgebung die Aufenthaltserlaubnis entzogen. Das UNO-Flüchtlingshochkommissariat UNHCR zeigte sich besorgt. Die Lage in dem vom Bürgerkrieg zerstörten Land rechtfertige nicht die Beendigung des internationalen Schutzes für syrische Flüchtlinge, sagte eine Sprecherin. Dänemark und Ungarn sind laut Amnesty International die einzigen beiden EU-Länder, die Aufenthaltsgenehmigungen für syrische Flüchtlinge widerrufen haben.

In Syrien herrscht seit zwölf Jahren Bürgerkrieg. Der syrische Präsident Bashar al-Assad lässt nach Angaben von Menschenrechtsorganisationen Oppositionelle und Gegner mit unbarmherziger Härte verfolgen.

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