Außenministerium finanziert Thinktank eines Mullah-Lobbyisten
© Ina FASSBENDER / AFP
Der Mullah-nahe und einschlägig allzu parteiische „Iran-Experte“ Adnan Tabatabei bezeichnete sich als „Berater“ des Auswärtigen Amts und ist Mitbegründer des Think-Tanks „CARPO e.V.“ in Bonn, das vom Auswärtigen Amt finanziell gefördert wird und mit der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung kooperiert. Der WDR, die Zeit oder auch Deutschlandfunk zogen ihn als Experten zur aktuellen Lage im Iran hinzu. Adnan Tabatabais Vater Sadegh zählte zu den engen Vertrauten des verstorbenen Revolutionsführers Ayatollah Khomeini. Daraus machte Tabatabai selbst dem WDR gegenüber keinerlei Hehl. Ganz im Gegenteil, er betont mit großer Genugtuung die guten familiären Beziehungen zu den Herrschenden in Teheran als vorteilhafte Netzwerk-Kontakte. (JR)
»Zoff um Iran-Experten beim WDR« titelte eine große deutsche Boulevardzeitung am 23. Oktober. »Er nennt sich Baerbocks Berater«. Das lässt aufhorchen: Die Ereignisse im Iran finden derzeit weltweit Beachtung. Nach dem gewaltsamen Tod von Mahsa Amini, die von Sittenwächtern des Regimes misshandelt wurde, weil sie ihr Kopftuch »nicht richtig trug«, brach sich die aufgestaute Wut über die jahrzehntelange Unterdrückung der Frauen durch die Mullahs Bahn. In den Jahren zuvor gab es bereits immer wieder Proteste durch Organisationen wie »My Stealthy Freedom«. Frauen stiegen auf Podeste und Stromkästen und hielten ihren Hijab an einem Stock von sich fort. Viele von ihnen wurden verhaftet und zu Gefängnisstrafen verurteilt. Doch nun finden diese Proteste in der Bevölkerung endlich breite Unterstützung – auch zahlreiche junge Männer stellen sich an die Seite der unterdrückten Frauen. Die Welt fragt sich: Kommt es nun endlich zu einer Wende im Iran? In Berlin kam es kürzlich zu einer Solidaritätskundgebung, an der etwa 80.000 Menschen teilnahmen. Das öffentliche Interesse in Deutschland ist groß, zumal auch hier immer wieder die Diskussion aufflammt, wie mit dem politischen Islam umzugehen sei.
Außenministerin Annalena Baerbock solidarisierte sich ebenfalls mit den Protesten der iranischen Bevölkerung, ruderte aber bezüglich des religiösen Hintergrunds sogleich zurück. Damit habe das alles nichts zu tun, es ginge allgemein um Unterdrückung und Unfreiheit. Das heiße Eisen »politischer Islam« mochte sie nicht anfassen, obwohl sie sich als eine Vorreiterin »feministischer Außenpolitik« sieht. Im Iran müssen die Frauen ihr Haar allerdings nicht aus einer Laune der Regierung heraus bedecken, sondern weil die religiösen Führer des Landes es aufgrund der Scharia so fordern. Das wirft zugleich einen Schatten auf die Kopftuchdebatte in Deutschland und darauf, ob muslimische Frauen es hierzulande tatsächlich so freiwillig tragen, wie uns von Lobbyistinnen wie Sawsan Chebli oder Kübra Gümüsay gebetsmühlenartig suggeriert wird. Nimmt man nun noch die Tatsache hinzu, dass deutsche Politiker wie Claudia Roth, Frank-Walter Steinmeier oder Heiko Maas stets gute Kontakte zum Mullah-Regime pflegten, schaut man genau hin, wer die Außenministerin in dieser Angelegenheit berät. Adnan Tabatabai heißt der Mann, der sich selbst als Berater des Ministeriums ins Spiel gebracht hat. Es lohnt sich, einen Blick auf diese Personalie zu werfen.
Nehmen wir es gleich vorweg: Das Außenministerium hat bereits dementiert, jemals von Tabatabai beraten worden zu sein. Der in Deutschland ansässige Politikwissenschaftler hatte es mit der Eigenwerbung wohl ein wenig übertrieben. Dennoch ist das kein Grund, Entwarnung zu geben und sich erleichtert zurückzulehnen. Denn Adnan Tabatabai arbeitet für den Verein »CARPO e.V.«, der durchaus mit Fördergeldern des Ministeriums bedacht wurde und auch mit der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung kooperiert, wie aus seiner Homepage hervorgeht. CARPO e.V. befasst sich mit allerlei Projekten rund um den Nahen und Mittleren Osten, unter anderem mit den Beziehungen des Irans zum Jemen. Gemeinsam mit dem DAAD unterhält man ein Programm für Genderforschung an der Universität Sana’a. Teheran ließ sich für derlei Themen offenbar noch nicht begeistern.
Pikant dabei ist, dass Adnan Tabatabais Vater Sadegh zu den engen Vertrauten des verstorbenen Revolutionsführers Ayatollah Khomeini zählte. Dafür allein kann man den Sohn nicht verantwortlich machen. Weil er sich aber im Moment sehr medienpräsent zeigt und sowohl vom WDR als auch vom Deutschlandfunk als Experte zur aktuellen Lage im Iran hinzugezogen wird, fragten Journalisten genauer nach. Immer wieder war der Politikwissenschaftler in den letzten Jahren mit außerordentlich großem Verständnis für die Untaten des Mullahr-Regimes aufgefallen: Internetzensur? Lediglich eine Maßnahme zur Bekämpfung von Fake-News. Todesstrafe? Man habe das Drogenproblem im Iran in den Griff bekommen müssen. Kopftuchzwang? Eine Möglichkeit, den Frauen mehr Spielräume im öffentlichen Leben einzuräumen. Schaut man sich Bilder aus den frühen Siebzigern an, so sieht man junge iranische Studentinnen in der damals modischen knappen Bekleidung, welche offenbar keinerlei Beschränkungen unterlagen und emanzipiert auftraten. Diese Beschränkungen prasselten erst mit Khomeinis islamischer Revolution auf sie herab. Will uns Tabatabai weismachen, die Mullahs schützten die Iranerinnen mit dem Bekleidungszwang vor den eigenen religiösen Regeln?
Tabatabai prahlt mit Mullah-Netzwerk
Tabatabai selbst macht dem WDR gegenüber keinerlei Hehl daraus, gute familiäre Beziehungen zu den Herrschenden in Teheran zu unterhalten: »Mein Familienhintergrund eröffnet mir Wege, ein weitreichendes Netzwerk an Gesprächspartner:innen in Iran aufzubauen. Denn neben der akademischen Ausbildung gehört zu jeder policyorientierten Forschung ein solches Netzwerk an Gesprächspartner:innen«, erklärt er freimütig und korrekt gegendert. Gleichwohl bemüht er sich in aktuellen Interviews, seine Sympathien für das Regime, die er 2019 noch weitaus offener äußerte, etwas im Zaum zu halten. Die Erfolgsaussichten der iranischen Freiheitsbewegung malt er dennoch in düsteren Farben aus und rät zu einem Arrangement mit den Mullahs. Denn nicht die protestierende Bevölkerung würde sich mit ihrem Wunsch nach Demokratie und Menschenrechten durchsetzen, sondern höchstwahrscheinlich das Militär. Das spielt in der öffentlichen Diskussion bisher kaum eine Rolle. Malt Tabatabai einen Putsch als Schreckbild an die Wand, damit dem Westen die Theokratie als das kleinere Übel erscheint? Auch mit seinem guten Draht zu den Herrschenden wäre es selbstverständlich vorbei, wenn das Regime gestürzt wird.
Das wirft auch kein gutes Licht auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Selbstverständlich haben auch Experten wie Tabatabai ihren legitimen Platz in der öffentlichen Debatte. Allerdings fällt schon seit längerer Zeit gerade beim WDR eine gewisse Affinität zu muslimischen Lobbygruppen auf. Denken wir nur an die aus „Palästina“ stammende Ärztin Nemi al-Hassan, die das WDR-Wissensmagazin »Quarks« moderieren sollte. Allerdings kam heraus, dass sie sich 2014 am antiisraelischen Al-Quds-Marsch beteiligt und sich in diesem Zusammenhang antisemitisch geäußert hatte. Nach öffentlichem Protest ruderte der WDR zurück, nachdem den Kritikern al-Hassans zunächst Rassismus unterstellt worden war. Sie fand daraufhin eine Anstellung beim ZDF.
Es ist die Gesamtheit dieser Vorfälle, die einen die Frage stellen lässt: Wie halten es Medien und Politik in Deutschland mit dem Regime in Teheran? Auf öffentlichen Druck hin äußert man sich zwar ab und an zu Menschenrechtsverletzungen. Doch der Iran ist auch ein fleißiger Abnehmer deutscher Produkte und Technologien, unter anderem auch von Reaktortechnik, die nicht nur zur friedlichen Nutzung gebraucht werden kann. Darüber hinaus kann man sich aber auch des Eindrucks nicht erwehren, bei einigen deutschen Politikern und Medienmachern schwinge eine gewisse Sympathie für die religiösen Autokraten in Teheran mit, ein Rest der Begeisterung, die vor allem linke Kreise 1979 während der islamischen Revolution erfasst hatte. So wird es wohl nie dazu kommen, dass von offizieller Seite das eigentliche Kernproblem angesprochen wird: Die religiös begründete Diktatur.
Wer sich nun selbst ein Bild von Adnan Tabatabais Tätigkeit machen möchte und auf sein Profil bei CARPO e.V. klickt, wird übrigens enttäuscht: »Oops! That page can’t be found« liest man dort, wo noch vor ein paar Tagen Tabatabais Lebenslauf und seine Rolle in der Organisation nachgelesen werden konnten. »Ups!«, sage ich da nur. Hat sich da jemand heimlich aus der Affäre gezogen? Oder will CARPO selbst nichts mehr mit dem umstrittenen Mitarbeiter zu tun haben? Wir dürfen gespannt sein.
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