Jordan Peterson: Der Star der Politisch-Inkorrekten

Jordan Peterson© WIKIPEDIA Gage_Skidmore

Ende September absolvierte der kanadische Psychologie-Professor Jordan Peterson in Berlin seinen einzigen Auftritt in Deutschland. Nach seinem Besuch des Holocaust-Mahnmals am Brandenburger sprach er sich gegen die inflationäre und leichtfertige Verwendung des Begriffs „Genozid“ aus. Ähnlich sei es in seiner Heimat Kanada und besonders unter dem Premierminister Justin Trudeau. Dort habe man bereits angefangen, die europäische Besiedlung des Landes als „Genozid“ zu bezeichnen. Sein angekündigtes Buch wird „Die mit Gott ringen“ heißen, in Anlehnung an Eretz Israel. (JR)

Von Filip Gašpar

Die einen lieben ihn, die anderen hassen ihn, doch niemand ignoriert ihn. Gemeint ist der klinische Psychologe und ehemalige Universitätsprofessor Jordan Peterson aus Kanada. Bis kürzlich lehrte er noch an der Universität Toronto, lehrte und davor auch in Harvard.

Seine Selbsthilfe-Bücher „12 Rules for Life. Ordnung und Struktur in einer chaotischen Welt.“ (2018) und der Nachfolger „Beyond Order – Jenseits der Ordnung“ (2021) machten ihn zum Beststellerautoren und zum weltweit gefeierten Star in den sozialen Medien. „Beyond Order“ ist auch der Titel seiner Show.

 

Twitter löschte Account

Allein auf seinem YouTube-Kanal hat er über fünf Millionen Abonnenten. Vor kurzem ereilte ihn dasselbe Schicksal auf dem Kurznachrichtendienst Twitter wie Donald Trump. Doch dies tat seiner Bekanntheit keinen Abbruch, sondern verhalf dieser zu neuen Höhen. Was hatte Peterson angestellt? Er hatte es gewagt den Transschauspieler Elliot Page unter seinem „Deadname“ und mit den falschen Pronomen anzusprechen. Unter „Deadname“ ist der Name zu verstehen, den eine Person vor ihrer Transformation verwendete, oder anders ausgedrückt der Geburtsname. Endgültig schoss er den Vogel mit einem Tweet ab, als er es wagte das Aussehen eines Plus-Size-Model mit „Verzeihung, nicht schön“ zu kommentieren. Für Twitter zu viel, sein Benutzerkonto wurde daraufhin gelöscht. Als nächstes wechselte er zu Ben Shapiro, dem Inhaber des amerikanisch-konservativen Nachrichtenportals „Daily Wire“.

Jordan Peterson wird als großer Kämpfer gegen die Wokeness, Gender-Theorie und die politische Korrektheit gefeiert und dabei nimmt er kein Blatt vor den Mund. Kritiker seiner Theorien werfen ihm vor, dass seine Anhängerschaft vor allem aus Leuten der Neuen Rechten bestehe. Der Auftritt im Berliner Tempodrom Ende September war sein Auftritt in Deutschland während seiner Europatournee. Doch wer glaubte nur alte weiße Männer im Berliner Tempodrom im Publikum anzutreffen, der wurde eines Besseren belehrt. Ganz im Gegenteil. Das Publikum in Berlin setzte sich aus vielen jungen Menschen zwischen 18 bis 50 Jahren zusammen.

 

Proteste gegen Auftritt

Draußen vor dem Hippodrom hatte das Bündnis „Keine Bühner für Täter“ zu einer Gegendemonstration aufgerufen. Die Polizei musste die Peterson-Anhänger vor 300 Demonstranten schützen. Neben Transparenten mit dem Konterfei von Slavoj Žižek, einem intellektuellen Kontrahenten Petersons, gab es auch ein Transparent auf dem stand „Ersticke an deinem Hummer“. Dies ist auf die Regel Nummer Eins aus Petersons Buch zurückzuführen, die von der aufrechten Haltung handelt. Peterson erklärt die Regel am Beispiel des Hummers. Wenn dieser nach einem verloren Kampf seine aufrechte Haltung aufgäbe, dann verlöre er auch jeden weiteren Kampf. Und das Leben ist bekannterweise ein Kampf.

Das Tempodrom begann sich langsam mit Zuschauern zu füllen. Vorher gab es eine strenge Sicherheitskontrolle, bei der sogar größere Taschen draußen abgegeben werden mussten. Für den Eintritt musste man knapp 70 Euro zahlen. Drinnen gab es noch die Möglichkeit für 200 Euro einen VIP-Pass zu erwerben. Darin enthalten war ein kurzes „Meet and Greet“ nach der Show mit Peterson. Wahrscheinlich gerade so viel Zeit, um sich eins der Bücher signieren zu lassen oder ein Selfie zu machen. Endlich gingen kurz nach 20 Uhr die Lichter aus. Es folgte ein kurzes Konzert mit klassischer-Gitarrenmusik. Foto und Videoaufnahmen sind strengstens untersagt worden, doch natürlich halten sich nicht alle daran – Konsequenzen hat es keine gehabt.

Als nächstes betritt seine Ehefrau Tammy Peterson die Bühne. Zuerst verkündete sie weitere unternehmerische Pläne ihres Mannes, um dann den weiteren Verlauf des Abends zu erklären.

In den nächsten Monaten soll eine Online-Akademie gestartet werden. Vorab war es den Zuschauern möglich über eine App Fragen zu schicken, die dann von seiner Ehefrau ausgewählt, jedoch ihrem Mann nicht vorher gezeigt wurden. Endlich kam der große Moment und der Rockstar der konservativen Szene mit grau melierten Haaren, Krawatte und natürlich in einem stilecht blauen Maßanzug betritt die Bühne. Das Publikum im Saal erhob sich von seinen Stühlen und spendete ihm tosenden Applaus. Dies sollte sich im Laufe des Abends öfters wiederholen, und schon kleinste Gesten und einzelne Aussagen Peterson genügten dafür. Eben das, was man von einem Rockstar erwartet. Die Demonstranten vor der Tür waren auch Peterson nicht entgangen, was er dem Publikum auch sagte. Diese quittierte seinen Kommentar mit lautem Johlen.

 

Die eigene Zukunft schreiben

Auf der Bühne befanden sich zwei Ledersessel, dazwischen ein Tisch mit San Pellegrino-Wasserflaschen. Sein Auftritt begann mit knappen 20 Minuten frei nach zum Thema „Jenseits der Ordnung“. Ein Versuch das zusammenzufassen ist eigentlich zum Scheitern verurteilt, aber hier trotzdem ein Versuch. Laut Peterson steckt in Mythen und Geschichten oft mehr als in der Wirklichkeit. Um ein erfolgreiches Leben führen zu können, muss sich der Mensch seiner Vergangenheit stellen, diese begreifen und danach die eigene Zukunft schreiben.

Peterson erwähnte auch, dass der erste Entwurf zu seinem neuen Buch mit dem Titel „Die mit Gott ringen“, was eine Übersetzung des Wortes Israel ist, fertig gestellt wurde. Außerdem sei ein Film zusammen mit Ben Shapiro über Jerusalem und noch weitere Filme in Planung. Danach nahm er neben seiner Frau Platz, die während seines gesamten Vortrags nicht redete, außer wenn sie ihm die vorher eingereichten Fragen stellte.

 

Manchmal gibt es keine Antwort

Es sollten insgesamt ganze drei Fragen werden. Und auf die Frage, welchen Ratschlag er als Psychologe einem Soldaten geben würde, der zum Ukrainekrieg eingezogen würde, blieb er still, ging in sich und sagte schließlich: „Ich habe darauf keine Antwort“, was ihn noch souveräner erscheinen lässt.

Peterson handelte seine bekannten Themen zur Selbstoptimierung ab und erntete besonders viel Zuspruch, wenn er gegen seine linken Gegner austeilte. Dabei fielen Aussagen wie, dass Identität nichts sei, was man fühle oder dass es so etwas wie einen progressiven Intellektuellen überhaupt nicht geben könne. Auch auf den korrekten Umgang der eigenen Kinder mit dem Mobiltelefon und zur Erziehung im Allgemeinen ging er ein.

Die Frage zum deutschen Schulsystem brachte ihn zu seinem Lieblingsthema: nämlich dem Unterschied zwischen Männern und Frauen. Peterson bejaht, dass manche Frauen maskuliner und manche Männer femininer seien, aber Menschen, die im falschen Körper zur Welt gekommen seien, so etwas existiere nicht. Punkt. Dieses Nein brachte ihm mit den größten Applaus ein.

Die Erfindung der Anti-Baby-Pille und die damalige Zeit der „freien Liebe“ waren sein nächstes Thema. Der Begriff „freie Liebe“ klang aufregend und gut, bis das HIV-Virus den Spaß verdarb. Doch er ging in seinen Thesen noch weiter, dass die Anti-Baby-Pille die Menschheit zerstören könne. Weil erstmals in der Menschheitsgeschichte den Frauen die Macht über die Fortpflanzung gegeben worden sei und die damit einhergehenden Auswirkungen überhaupt noch nicht abzuschätzen seien.

Vor dem Auftritt hatte er das Holocaust-Mahnmal am Brandenburger Tor besucht. Durch die Last der Schuld der Schrecken des 20. Jahrhunderts zerreiße sich Deutschland innerlich. Ähnlich wie sein Heimatland Kanada, das begonnen habe, die europäische Besiedlung Kanadas als einen Genozid zu bezeichnen. Petersen warnte vor einem inflationären und leichtsinnigen Gebrauch des Begriffs.

Gegen 22 Uhr, also nach ungefähr anderthalb Stunden standen die Petersons auf, verabschieden ihr Publikum unter tosendem Applaus und erklärten das Spektakel für beendet. Schließlich warteten draußen noch VIP-Zuschauer auf ihr Selfie.

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