Der Kampf der Terrorgruppen um die „palästinensische“ Vormacht

Seit der Gründung Israels haben mordbereite arabische Gruppierungen dem jüdischen Staat den Kampf erklärt. Nach PLO, Fatah, Hamas oder Hisbollah ist nun die Liste der mörderischen Israel-Hasser um die Terrorgruppe Islamischer Dschihad größer geworden. Diese in Damaskus sitzende und von Teheran gestützte Bande ist vor allem von dem Ziel besessen, jegliches jüdische Leben zu vernichten. (JR)

An nur einem Wochenende feuerte der Islamische Dschihad über 500 Raketen auf Israel.© SAID KHATIB / AFP

Von Vincent Steinkohl

Die Zeiten sind weltweit beunruhigend, wenn sich tagesaktuelle Nachrichten zunehmend lesen wie die Skripte von „Monty Python“-Filmen. Im Klassiker „Das Leben des Brian“ aus dem Jahr 1979 verliebt sich Brian, die Hauptfigur, in die idealistische Judith, die sich in der „Volksfront von Judäa“, einer jüdischen Widerstandsgruppe gegen die römischen Besatzer engagiert. Deshalb spricht Brian die militante Gruppe an, in der Hoffnung, ihnen beitreten zu dürfen.

Seine Frage „Seid ihr von der Judäischen Volksfront?“ beantwortet der Rädelsführer mit einem verächtlichen „Verzieh dich!“. „Judäische Volksfront, Quatsch!“, sagt er empört. „Wir sind die Volksfront von Judäa! Es gibt ein paar „Typen, die wir noch mehr hassen als die Römer, das sind diese verfluchten Judäische-Volksfront-Mistkerle!“, belehrt der Chef der Gruppe den sichtlich verwirrten Brian.

Ironisch, dass es mehr oder minder exakt am selben Ort, rund 2.000 Jahre später erneut derartig unübersichtliche politische Wirren gibt. Denn nicht nur Israel ist innenpolitisch tief gespalten, auch die „Palästinenser“ und ihre politische Führung stehen sich selbst mehr im Wege, als alle äußeren Einflüsse es jemals könnten. Diese innere Spaltung ist leider nicht so lustig, wie die der patriotischen Bewohner Judäas im oben beschriebenen fiktiven Szenario, sie hat unschöne Konsequenzen für die Leben friedliebender Menschen auf beiden Seiten. Egal ob Araber oder Jude.

Die arabisch verwalteten Gebiete Israels teilen sich in zwei Teile, Gaza und die Westbank, zusammen gerechnet leben dort 4,6 Millionen Menschen. Die Palästinensische Befreiungsorganisation (PLO) wurde unter maßgeblicher Beteiligung des damaligen ägyptischen Präsidenten Gamal Abdel Nasser in Jerusalem gegründet, um die Interessen der hiesigen Araber zu vertreten. Das Dilemma begann mit der arabischen Reaktion auf die Staatsgründung Israels 1948. Keinen vollen Tag dauerte es, da erklärten Saudi-Arabien, der Libanon, Ägypten, Jordanien, der Irak und Syrien dem gerade erst von den früheren britischen Kolonialherrschern übernommenen jüdischen Staat den Krieg. 1949 endete der Krieg mit dem Sieg Israels.

 

Gaza kam niemals zur Ruhe

Von da an teilten Ägypten und Jordanien die verbliebenen Gebiete unter sich auf. Während Ägypten im Gazastreifen herrschte, regierte Jordanien im Westjordanland. Der Gazastreifen liegt westlich der Mittelmeerküste, der Strand ist von nirgendwo aus weit entfernt. Im Südwesten befindet sich eine Grenze zu Ägypten. Das Land des Pharaos und Pyramiden billigte den arabischen Flüchtlingen keine staatsbürgerlichen Rechte zu und ließ sie als Staatenlose schmoren. Gleichzeitig gärten Scharmützel mit Israel, die 1956 mit dem Sinai-Feldzug zu Gunsten Israels entschieden wurden.

Doch auch danach kam Gaza nicht zur Ruhe: Aufgrund internationalen Drucks übergab Israel das Gebiet rasch wieder zurück an Ägypten. 1967 handelte der ägyptische Staatschef General Gamal Nasser aus, dass die zwischenzeitlich zur Befriedung eingetroffenen UN-Soldaten am 19. Mai 1967 wieder abgezogen wurden. Unmittelbar danach begannen unübersichtliche Kämpfe zwischen israelischen Soldaten und arabischen Kämpfern, sowie diverse Terroranschläge der mehr oder weniger von Ägypten kontrollierten PLO aus dem Gazastreifen gegen zivile israelische Ziele.

Nach dem israelischen Sieg im Sechstagekrieg 1967 wurden das Westjordanland und der Gazastreifen vollständig vom israelischen Militär eingenommen und besetzt. Zudem gelang es Israel, Ost-Jerusalem unter seine Kontrolle zu bringen. Der erste wirklich wichtige „palästinensische Politiker“, Jassir Arafat, war geprägt von den Folgen und Konsequenzen dieser Ereignisse. Ab 1969 war er der Vorsitzende der PLO, dies änderte sich nicht bis zu seinem Tod im Jahr 2004.

Arafat, Gründer und Chef der besonders kompromisslosen Fatah und selbst in Ägypten geboren, entwickelte sich zum absolutistischen Anführer. Seine Motive waren primär nationaler Natur, er forderte einen „palästinensischen“ Nationalstaat innerhalb der Grenzen der vormaligen britischen Kolonialherren von 1920. Für eine „Zwei-Staaten-Lösung“ war da kein Platz.

 

Die PLO im arabischen Umland – nicht gerne gesehen

Ab 1970 kämpften Arafats Truppen vor allem durch den mehrheitlich schiitischen Libanon unterstützt, nachdem Jordanien ihnen die Zusammenarbeit verwehrt hatte. Die PLO hatte es sich mit dem jordanischen Königshaus verscherzt, nachdem diese ein Attentat auf König Hussein I. verübt haben. Bei den daraus resultierenden Auseinandersetzungen zwischen der PLO und der jordanischen Armee starben rund 3.000 – 5.000 „Palästinenser“, viele davon Zivilisten.

Auch im Libanon stoßen die Milizen aus Gaza nicht nur auf Gegenliebe, denn sie begannen schnell, sich Kämpfe mit christlichen, aber auch schiitischen Gruppen zu liefern. Aus diesem Grund war die PLO bei vielen Libanesen jeglicher Konfession so ungerne gesehen, dass viele von ihnen sogar das militärische Eingreifen Israels in die Situation begrüßen.

In den 1970ern hatte sich die PLO in diverse Splittergruppen aufgeteilt und operierte nicht nur in Beirut sondern, auch in Syrien. Auch dort war die Gruppe nicht gerade beliebt, 1999 nannte der syrische Verteidigungsminister Mustafa Tlas den „Palästinenserchef“ Arafat einen „Sohn von 60.000 Prostituierten“. Erst im Jahre 2000, bei der Beerdigung von Präsident Hafiz al-Assad, setzte dieser wieder einen Fuß auf syrischen Boden.

Mit der Ersten Intifada 1987, ebenfalls ohne „palästinensische“ Gebietsgewinne, geriet der Anspruch auf alleinige Vertretung durch die PLO langsam ins Wanken.

 

Der Islamische Dschihad wächst rasant

Ab 1993 spielte die inzwischen im Ausland gegenüber neuen Gruppierungen wie der Hamas zunehmend als gemäßigt geltende PLO in den Friedensverhandlungen von Oslo und Kairo mit den USA und Israel eine wichtige Rolle als Vertretung der „Palästinenser“ auf der Weltbühne. Die gegenseitige Anerkennung zwischen der PLO und Israel bescherte dem ehemaligen Terroristen Jassir Arafat gemeinsam mit Jitzchak Rabin und Schimon Peres im Jahr 1994 den Friedensnobelpreis. Bei den ersten Wahlen in den Autonomiegebieten im Januar 1996 erhielt PLO-Führer Arafat die meisten Stimmen und war von nun auch demokratisch legitimiert Anführer der „Palästinenser“.

Ende 2000 brach die zweite Intifada aus, an der die PLO mitwirkte. Terror und Vergeltung ließen die Hoffnung auf dauerhaften Frieden im heiligen Land erneut schwächer werden. Mit der Unter-Hausarrest-Stellung Jassir Arafats 2001 durch die israelische Regierung minderte sich Arafats Machtposition innerhalb der „Palästinenser“ signifikant. Auch der alleinige Vertretungsanspruch der arabischen Bevölkerung Israels durch die PLO war zu diesem Zeitpunkt bereits lediglich Wunschdenken, denn andere Organisationen gewannen zunehmend an Einfluss. Die Hamas war radikaler und wuchs mit jedem weiteren Tag. Für die hohen Funktionäre der PLO war das eine Bedrohung.

Im Jahr 2011 wurde verkündet, dass die rasant wachsenden Gruppen Hamas und Islamischer Dschihad in Zukunft ebenfalls in der PLO vertreten sein sollen. Zu diesem Zeitpunkt gab es bereits blutige Kämpfe zwischen den verschiedenen Gruppen. Am 22. Dezember 2011 wurde in Kairo ein provisorisches Führungskomitee konstituiert, das den Beitritt der beiden Organisationen planen und durchführen sollte.

Die „palästinensische“ Grundsatzerklärung aus dem Jahre 1968 enthält viele Abschnitte, die zur Zerstörung Israels aufriefen. Jassir Arafat erklärte sich gegenüber dem damaligen israelischen Premierminister Jitzchak Rabin bereit, für das Abkommen über die Zukunft des Gazastreifens und des Westjordanlandes bereit, diese Passagen zu streichen. Am 26. April 1996 votierte der „Palästinensische“ Nationalrat für die Änderung dieser Abschnitte und bestimmte, dass ein neuer Text verfasst werden sollte. Ein Schreiben Arafats an den damaligen US-Präsidenten Bill Clinton im Jahr 1998 unterstrich diese Absicht.

 

Nur leere Worte

Ein neues Manifest wurde allerdings niemals geschaffen, woraus zusätzliche Probleme resultierten. Böse Zungen bezweifelten schon damals die Aufrichtigkeit des Wunsches nach Frieden auf Seiten der „Palästinenser“, entstand doch keine Grundlage für einen koexistierenden arabischen Staat, der das Existenzrecht Israels anerkennt.

2003 entstand schließlich ein Verfassungsentwurf, der die Grenzen von 1967 für einen „palästinensischen“ Staat vorsah. Dieser erhält jedoch erneut die schriftlich festgehaltene Forderung nach der Zerstörung Israels. Nachdem im Jahr 2006 die islamistische Hamas einen Wahlsieg über die nationalistisch-säkulare PLO erringen konnte, kam es zu neuen blutigen Machtkämpfen um die Führung der „Palästinenser“.

Im Gazastreifen herrschte bis 2014 die Hamas, während die „palästinensisch“ verwalteten Gebiete des Westjordanlands von dem PLO-Ableger Fatah geführt wurden. Sowohl die PLO, als auch die Hamas haben ihre Wurzeln in Ägypten, beide wurden im Land am Nil gegründet, beide wurden vor allem in ihrer Anfangszeit stark von Kairo finanziert.

Von den 193 Mitgliedsländern der UN erkennen 138 den von der PLO 1988 ausgerufenen Staat „Palästina“ an. Dieser Status wird von Seiten Israels, der USA und anderer, fast ausschließlich westlicher Staaten nicht anerkannt. Die „palästinensischen“ Gebiete haben bis heute die weltweit höchste Dichte an Hilfsorganisationen. Milliarden an zumeist westlichen Geldern verschwinden seit Jahrzehnten in einem Sumpf aus Korruption und in „Märtyrer-Renten“.

 

PLO, Hisbollah, Islamischer Dschihad – Ein Stellvertreterkrieg

Wenn es ein paar Jahre am Stück etwas ruhiger wird zwischen den verfeindeten PLO-Gruppen, der radikaleren Hamas und dem noch radikaleren Islamischen Dschihad, mischt auch noch die maßgeblich aus dem Libanon und dem Iran heraus operierende schiitisch-islamistische Hisbollah mit. Für Israel ist es seit jeher de facto unmöglich, zu verhandeln.

Im Grunde genommen handelt es sich bei den Konflikten zwischen diesen „Palästinensergruppen“ um Stellvertreterkriege der Nachbarländer Israels. Während PLO und Hamas Wurzeln im sunnitischen Ägypten haben, wird die Hisbollah vom Libanon und dem Iran – beides schiitische Länder – unterstützt. Der Islamische Dschihad, der dieser Tage zunehmend der Hamas im Gazastreifen den Rang abläuft, stammt ursprünglich aus Syrien. Inzwischen sind sie für die Mehrheit der Terroranschläge gegen Israel verantwortlich, neben ihnen wirkt die Hamas beinahe „gemäßigt“.

Anfang August des laufenden Jahres hat die israelische Armee hochrangige Kämpfer des Islamischen Dschihad ins Visier genommen. Die Hamas hat sich derweil zurückgehalten, da sie darauf hofft, durch eine Schwächung der Konkurrenz selbst zu alter Stärke zurückfinden zu können.

 

Eine neue Bedrohung für Israel

Den maßgeblich von Ägypten ausgehandelten Waffenstillstand verkündete die Führungsriege des Islamischen Dschihads als Kapitulation Israels. Die Organisation sieht den intensiven Beschuss Israels, trotz starker eigener Verluste, als Erfolg an. Rund 1000 Geschosse flogen innerhalb von drei Tagen auf israelisches Gebiet.

Der Islamische Dschihad demonstrierte der Außenwelt und den „Palästinensern“, dass sie über ein starkes Arsenal an Waffen verfügt. Finanziert wird das vom iranischen Mullah-Regime, der Import erfolgt auf Schmuggelrouten über das offiziell Israel anerkennende Ägypten. Noch hat die verfeindete Hamas nach Einschätzung des israelischen Militärs mehr Waffen und mehr Geld, doch der Islamische Dschihad holt deutlich auf.

Längst ist diese Terrorgruppe zur Hauptbedrohung für die Hamas geworden, deren hochrangige Vertreter finanziert durch Spenden aus dem Ausland in Saus und Braus leben und vielen militant eingestellten „Palästinensern“ nicht radikal genug sind. Von der EU und den USA werden beide Gruppen als Terrororganisationen bewertet.

Noch ist der Islamische Dschihad deutlich ärmer an Mitgliedern als die Hamas. Die Zahl der aktiven Kämpfer wird auf rund tausend geschätzt, die Hamas soll über 5000 Mann mobilisieren können. Im Gegensatz zur Hamas und dem PLO-Ableger Fatah weigert sich der Islamische Dschihad kategorisch, mit Israel zu verhandeln. Sie beteiligt sich auch nicht an Wahlen, ihre Schaffenskraft widmet sie einzig d

 

Der Aufstieg des Islamischen Dschihads

In jüngster Vergangenheit wuchs der Islamische Dschihad vor allem im Gazastreifen deutlich an. Zum einen dürfte das an der allerorts sichtbaren Korruption der Hamas-Eliten liegen, zum anderen auch an der kompromisslosen Militanz der Gruppe. Israel hat somit einen weiteren gewaltbereiten Gegner, der weitaus unberechenbarer ist als die Fatah oder die Hamas. Von dieser Unberechenbarkeit profitieren ihre innerpalästinensischen Feinde. Israel zeigte sich bereits gewillt, Friedensverhandlungen mit der Hamas aufzunehmen – vor ein paar Jahren wäre das noch absolut undenkbar gewesen.

Sollten Sie sich beim Lesen dieser Zeilen so verwirrt fühlen, wie der Filmcharakter Brian, als er von den Machtkämpfen zwischen der judäischen Volksfront und der Volksfront von Judäa hört, können Sie beruhigt sein. Das geht jedem so, der sich mit dem Nahost-Konflikt beschäftigt. Traurigerweise scheint der zuverlässigste Weg in die Herzen der „Palästinenser“ zu sein, sich noch radikaler zu gebaren als seine Vorgänger. War die Fatah vor einigen Dekaden noch ein extremistischer Ableger der PLO, wirkt inzwischen selbst die Hamas als akzeptabel, verglichen mit dem Islamischen Dschihad. Ein Ende dieser fatalen Spirale scheint nicht in Sicht. Vor diesem Hintergrund wirkt die neueste Holocaust-Relativierung von Fatah-Chef Mahmud Abbas in Anwesenheit von Bundeskanzler Olaf Scholz beinahe erwartbar. Im Interesse aller kompromissbereiten Menschen in der Region, unabhängig von Ethnie und Konfession wäre es ein unabdingbarer Schritt Richtung Frieden, würden sich die islamischen Kräfte untereinander einig werden. Nur dann kann Israel echte Friedensverhandlungen führen.

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