Der Anschlag auf Salman Rushdie betrifft uns alle

33 Jahre nachdem Ajatollah Chamenei die immer noch bestehende und vom Westen akzeptierte tödliche Fatwa über den indisch-britischen Schriftsteller Salman Rushdie ausgesprochen hat, attackierte der Muslim Hadi Matar den Autor der „Satanischen Verse“ und verletzte ihn mit einem Messer schwer.

Tödliche Fatwa: Das Kopfgeld auf Salman Rushdie beträgt vier Millionen US-Dollar
© Joel ROBINE / AFP

Von Julian M. Plutz

Mit kaum einem Namen verbinden Menschen die blutige, selbstgerechte und menschenverachtende Seite des Islams mehr als mit Salman Rushdie. Dabei ist der Schriftsteller mehr, viel mehr, wahrscheinlich gehört er zu den einflussreichsten Schriftstellern der Welt. Wie kaum ein Zweiter hat er die Welt, seit mehr als 30 Jahren prägt. Am 12. August 2022 wurde Rushdie von einem islamischen Terroristen, dem 24-jährigen Hadi Matar mit einem Messer attackiert und schwer verletzt.

Alles begann mit seinem Roman „Die satanischen Verse.“ Das Buch handelt von zwei aus Indien stammenden Moslems. Der eine, Saladin Chamcha, stammt aus einer reichen, privilegierten Familie und wird als Kind von seinen Eltern nach England geschickt. Der andere, Gibril Farisha stammt dagegen aus einem ärmeren Elternhaus. Eines Tages zieht er nach London, um seine Liebe, eine jüdische Bergsteigerin, zu treffen.

Beide treffen sich zufällig in einem Flugzeug, welches von Terroristen entführt und zur Explosion gebracht wird. Saladin und Gibril überleben als einzige den Anschlag. Es folgt ein Kampf um Wahrheit und Lüge, um Glauben und Verrat. „Satanische Verse“ ist die Bezeichnung für angeblich gelöschte Koran-Verse. Da das Buch in Teilen auf die Biographie Mohammeds anspielt - genauer, dass Salman Rushdie vom Leben des Propheten inspiriert wurde - löste die Veröffentlichung des Buches eine beispiellose Reaktion in der islamischen Gesellschaft aus.

 

Angriffe sogar auf Übersetzer

So wurde am 14. Januar 1989 das Buch während einer Demonstration in Bradford, Großbritannien, verbrannt. Genau einen Monat später geschah das, was Salman Rushdie sein Leben lang begleiten und sein Leben für immer verändern würde. Der iranische Revolutionsführer und Ajatollah, Ruhollah Chamenei, sprach eine Fatwa aus, die mit einem Kopfgeld von einer Million Euro verbunden war. Laut islamischen Rechts durfte von nun an jeder Moslem das Todesurteil vollstrecken.

Doch es gab auch Menschen, die Salman Rushdie unterstützten. Am 2. März unterzeichneten mehr als 1000 Autoren weltweit einen Aufruf, um die Meinungsfreiheit zu unterstützen, darunter auch der inzwischen verstorbene Schriftsteller Larry McMurtry, der das Buch, so wie das Drehbuch des Oscar-preisgekrönten Films „Brokeback Mountain“ schrieb. Auch der bekannte Satiriker David Lodge unterschrieb den Aufruf.

Kurz darauf brach der Iran seine diplomatischen Beziehungen, die ohnehin schon seit Jahren als gestört galten, vollständig ab. Zwar wurden diese nach dem Tod von Ruhollah Chamenei wieder aufgenommen, dennoch bestand der britische Muslimführer Kalim Siddiqui, der wie Rushdie britische Wurzeln hatte, auf die Fortführung der Fatwa gegen den Schriftsteller.

Doch damit nicht genug. Immer wieder wurden auf verschiedene Übersetzer der „satanischen Verse“ terroristische Anschläge verübt. Zwei Jahre nach der Erstveröffentlichung, am 3. Juli 1991 wurde der italienische Übersetzer Ettore Capriolo in seiner Wohnung in Mailand durch Messerstiche schwer verletzt – er überlebte nur knapp. Ebenfalls knapp mit dem Leben davongekommen ist der Norweger William Nygaard. Sein Vergehen: Er verlegte das Buch in seinem Heimatland. Kein Glück hatte der japanische Übersetzer Hiotoshi Igarashi. Am 11. Juli 1991 wurde er im Büro seiner eigenen Universität, die Hochschule in Tsukuba, erstochen. Allein bis ins Jahr 1992 zählte das Wochenmagazin SPIEGEL 22 Tote, die im Zusammenhang mit der Fatwa auf Salman Rushdie standen. Doch auch das sollte nicht das Ende sein.

Wiederum zwei Jahre später, 1993, setzten mehrere Terroristen ein Hotel in Silvas, Türkei, in Brand, da sich der Übersetzer Aziz Nesin dort aufhielt. 37 Menschen, die allermeisten waren Aleviten, starben. Nesin selbst konnte fliehen und starb zwei Jahre später an einem Herzinfarkt.

 

Kopfgeld wurde immer wieder aufgestockt

Über die Jahre wurde das islamische Todesurteil immer wieder aufrechterhalten. 2005, 16 Jahre nach dem Tod von Ruholla Chamenei, erneuerte der aktuelle Revolutionsführer, Ali Chamenei den Mordaufruf. Damals reagierte Rushdie mit Humor. Er sah das Bekenntnis zur Fatwa als „rhetorischen Beitrag“ die die iranische Führung offenkundig für ihr Selbstverständnis benötige: „Ich möchte nicht mit Chamenei streiten, aber ich muss betonen, dass nur einer von uns tot ist“, sagte der Schriftsteller damals. „Vielleicht ist, wie man sagt, die Feder doch mächtiger gewesen als das Schwert? Verscherz' es dir nicht mit Schriftstellern“. Mit diesem lockeren, distanzieren Umgang dürfte nun Schluss sein.

Am 12. August dieses Jahres wollte ein amerikanischer Moslem schließlich das Todesurteil vollstrecken und verletzte den Autor schwer. Es war ein Freitag, als Rushdie in der Kleinstadt Chautauqua, im Bundesstaat New York, einen Vortrag hielt. Mehrere Messerstiche trafen Rushdie im Bauch, im Gesicht, aber auch am Hals und in der Brust. Zeitweise musste er künstlich beatmet werden. Sein Zustand war sehr kritisch, dennoch bestätigte sein Sohn, dass es dem Vater besser gehen würde. „Trotz seiner schwerwiegenden und lebensverändernden Verletzungen bleibt sein üblicher kämpferischer und aufsässiger Sinn für Humor intakt, schrieb Zafar Rushdie auf Twitter.

Tödliche Appeasement-Politik

Der 24-jährige amerikanische Moslem mit libanesischen Wurzeln gilt als Anhänger des schiitischen Islams. Eine Verbindung zum Mullah-Regime ist nicht bewiesen, drängt sich aber gerade zu auf. Man wird im Laufe des Prozesses sehen, inwieweit sich der Verdacht bestätigt.

Die Reaktionen, wenn man einmal die unsäglichen Aussagen aus dem Iran abzieht, waren, zumindest auf den ersten Blick, deutlich. So lobte US-Präsident Joe Biden, Rushdie habe sich nie einschüchtern lassen und stehe für „wesentliche, universelle Werte“ wie Wahrheit, Mut und Widerstandsfähigkeit. Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell schrieb bei Twitter: „Eine internationale Ablehnung solch krimineller Handlungen, die Grundrechte und Freiheiten verletzen, ist der einzige Weg in eine bessere und friedliche Welt“.

Doch wie passen dann die noch laufenden Verhandlungen von EU und USA mit dem Terror-Regime zusammen? Ein Land, das die Terrormiliz Hisbollah seit Jahren unterstützt, welche es sich wiederum zum Ziel erklärt hat, Israel zu vernichten. Schöne Worte und allseits bekannte Plattitüden helfen hier nicht weiter. Der Iran muss isoliert bleiben. Es darf keine sogenannte Einigung in Sachen Atomkonflikt geben. Alles andere wäre tatsächlich ein Verrat an die „wesentlichen universellen Werte“ und würde tatsächlich „Mut und Widerstandsfähigkeit“ bedeuten, wie es der Präsident der Vereinigten Staaten formulierte. Lediglich der israelische Regierungschef Jair Lapid scheint den richtigen Ton zu treffen: Der Vorfall sei „das Resultat von Jahrzehnten der Aufwiegelung, angeführt durch das extremistische Regime in Teheran“.

 

Salman Rushdie ist ein Symbol

Diese ideologisierte Religionsauslegung muss geächtet werden. Salbungsvolle Worte mögen in Sonntagsreden gut klingen. Es hilft aber niemanden weiter, am wenigsten den Opfern. Salman Rushdie ist ein Symbol in vielerlei Hinsicht. Erstens zeigt er die Unvereinbarkeit des Islams mit westlichen Werten wie die Freiheit der Rede. Zum anderen ist er auch einer von vielen Muslimen, die aufgrund ihrer Liebe zur Aufklärung von der eigenen Gemeinschaft verachtet und verfolgt werden.

Es ist wichtig und richtig, wenn die Schriftstellervereinigung PEN Berlin und das Berliner Ensemble unter dem Titel „Words against Violence“ eine Solidaritätslesung für Salman Rushdie veranstalten. Zu den Teilnehmern zählen Thea Dorn, Can Dündar, Eva Menasse, Sven Regener und Deniz Yüzel. Doch dabei darf es nicht bleiben. Neben dem Kampf gegen Rechtsextremismus, den sich Nancy Faeser verschrieben hat, muss Deutschland mit gleicher Intensität den politischen Islam bekämpfen, statt mit den Protagonisten, wie die von Ditib, zu kuscheln. Das wird weder Salman Rushdie noch den vielen anderen, die vor dem Islam fliehen, gerecht.

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