Das Atomabkommen mit dem Iran - Eine Farce

Der iranische Außenminister Hossein Amir-Abdollahian (erster von links) bei einem Treffen mit dem Generaldirektor der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) Rafael Grossi (erster von rechts).© ATTA KENARE / AFP

Die Jüdische Rundschau hat bereits beim Abschluss des Atomabkommens mit dem Iran, das 2015 besonders von Steinmeier, Kerry und Obama gegen jede Einsicht und Vernunft vorangetrieben wurde, die Schwachpunkte des Vertrags kritisiert und vor einem Katz und Maus Spiel mit den Mullahs gewarnt. Nun steht der Iran, wie zu befürchten war, kurz davor, waffenfähiges Uran anzureichern und damit als unberechenbare Atommacht auf die Weltbühne zu treten. Traditionell stehen sich Russland und das Mullah-Regime politisch und wirtschaftlich sehr nahe. Besonders vor dem Hintergrund des Ukraine-Krieges steht der Westen vor einem zusätzlichen Dilemma - unterzeichnet man das Atomabkommen, werden auch die Sanktionen gegen Russland aufgeweicht. (JR)

Von Vincent Steinkohl

Überschattet durch den dieser Tage im globalen Rampenlicht stehenden russischen Angriffskrieg in der Ukraine, gärt ein weiterer ungelöster geopolitischer Konflikt mit westlicher Beteiligung: Das Atomabkommen zwischen dem Iran und dem Westen.

In diesen Wochen treffen sich in Wien Vertreter des Iran, der USA, Russlands, Chinas, Großbritanniens, Frankreichs und Deutschlands, um das Atomabkommen zwischen der iranischen Regierung und der internationalen Staatengemeinschaft neu zu verhandeln.

Die USA hatten 2018 unter dem damals amtierenden US- Präsidenten Trump das internationale Abkommen, welches 2015 von seinem Vorgänger Barack Obama unterzeichnet worden war, einseitig aufgekündigt und stattdessen erneut auf harte Wirtschaftssanktionen gesetzt.

Der Iran hatte im darauffolgenden Jahr erneut begonnen, wie angekündigt seine Uran-Anreicherung hochzufahren und damit gegen die Auflagen des Abkommens von 2015 zu verstoßen.

Der aktuelle US- Präsident Joe Biden hält indes sein Wahlversprechen, zurück zu Obamas entgegenkommender Diplomatie zu kehren und die Gespräche mit Teheran wieder aufzunehmen.

Bei den Verhandlungen geht es um eine Wiederaufnahme der Vereinbarung von 2015, welche den Iran einer strikteren Begrenzung und Überwachung seines Atomprogramms unterwarf und im Austausch die Aufhebung der drastischen Wirtschaftssanktionen gegen das Mullah- Regime garantieren sollte.

Da diese Vereinbarung von der Trump- Administration aufgekündigt worden war, hatte auch der Iran fortan keinen Grund mehr, seinen Teil des Deals zu erfüllen und so begann Teheran mit zunehmend erheblichen Verstößen gegen die Auflagen, erneut für Unruhe im Nahen Osten zu sorgen.

Mittlerweile ist davon auszugehen, dass es dem Iran gelungen ist, Uran auf bis zu 60 Prozent anzureichern. Das ist deutlich mehr als für die zivile Nutzung notwendig ist, technisch ist es nur noch ein kleiner Schritt zu waffenfähigen 90 Prozent und damit einer weiteren Atommacht auf der Weltbühne.

 

Russlands Strategie

Als wären diese Vorgänge allein nicht bereits beunruhigend genug, steht die internationale Staatengemeinschaft vor einem neuen Problem, welches 2015 in derartiger Intensität noch nicht existiert hatte: Russland ist ein enger strategischer Partner des Iran und dieser Tage weniger denn je daran interessiert, dem Ausland bei der Abwicklung internationaler Diplomatie zu helfen.

Es ist schwer, das aktuelle Vorgehen Moskaus nicht als destruktiv zu begreifen. Außenminister Lawrow ließ sich wie folgt zitieren: „Die Vereinbarung mit dem Iran steht vor dem Abschluss“. Allerdings seien "in letzter Zeit Probleme aus der Sicht der Interessen Russlands aufgetreten". Lawrow sprach über die "Lawine aggressiver Sanktionen, die der Westen wegen des Ukraine-Konflikts losgetreten hat". Dementsprechend verlangt Russland "schriftliche Garantien" der USA. Das bedeutet, dass die Sanktionen aufgrund des Ukraine- Krieges die Interessen des Kremls hinsichtlich des Atomabkommens nicht beeinflussen dürfen.

Laut dem russischen Außenministerium geht es um "uneingeschränkten Handel, wirtschaftliche und investive Zusammenarbeit, sowie militärisch-technische Kooperation mit dem Iran". Russland ist sowohl wirtschaftlich als auch militärisch seit Langem ein wichtiger Partner des Iran und zudem ein wichtiger Investor des iranische Atomprogramms.

Westliche Kuschel-Diplomatie gerät schnell an ihre Grenzen, wenn die Verhandlungspartner aus Teheran und Moskau den Ton verschärfen. Die zuletzt beschlossenen harten Wirtschaftssanktionen gegen Russland könnten ausgerechnet durch das Atomabkommen mit dem Iran torpediert werden. Der Kreml weiß das und spielt die Situation taktisch klug aus.

Angenommen, der Iran ließe sich auf die Wiederaufnahme des Atomabkommens ein, müssten die erheblichen Überbestände an angereichertem Uran abgebaut und exportiert werden, mutmaßlich nach Russland. Die Beziehungen zwischen Moskau und Teheran sind traditionell eng und Russland muss sich dieser Tage dringend nach Handelspartnern umsehen.

Lawrow geht über diese Forderung hinaus und verlangt die internationale Garantie eines „ungehinderten Handels“ zwischen dem Iran und Russland.

Zudem fordert Teheran die Streichung der iranischen Revolutionsgarden von der US-Terrorliste. Ned Price, Sprecher des US- Außenministeriums erklärte daraufhin recht kleinlaut, die USA werden nicht auf spezielle Bedingungen reagieren oder öffentlich bekanntgeben, welche Sanktionen gelockert werden könnten. Ein klares „Nein“ ist das nicht.

Der Westen steht vor der Wahl zwischen Pest und Cholera: Kündigt man die Verträge mit dem Iran endgültig auf, lässt man sehenden Auges zu, dass das islamistische Regime genug Uran für eine Atombombe anreichert, unterzeichnet man das Abkommen, ist man gezwungen, Russland entgegenzukommen und die erst kürzlich verhängten Sanktionen aufzuweichen.

Zwar hatten Die EU und die USA Moskaus Forderung nach garantiertem Freihandel mit dem Iran mit dem Hinweis zurückgewiesen, dass die Sanktionen gegen Russland nichts mit den Atomgesprächen zu tun hätten und daher kein Thema bei den Verhandlungen seien, doch handelt es sich hierbei um Wunschdenken.

Es scheint, als käme die Globalisierung dieser Tage in die Bredouille: Mächte, deren jeweilige Eigeninteressen absolut unvereinbar mit den Interessen der anderen Konfliktparteien sind, müssen Einigungen erzielen, selbst dann, wenn man in anderen Erdregionen bereits die Waffen sprechen lässt.

Stillstand kann verheerende Folgen haben

Der größte Profiteur der aktuellen Patt- Situation ist derweil die iranische Regierung. Zuletzt war es Teheran gelungen, so viel Uran hoch anzureichern, dass nach Einschätzung von Wissenschaftlern innerhalb weniger Wochen das Material für zwei Atombomben vorliegen könnte. Das Washingtoner Institut ISIS verkündete kürzlich in einer Analyse, der Iran habe inzwischen genug Material, um mit einer Abkehr von allen Beschränkungen durch weitere Anreicherung „in nur zwei oder drei Wochen, einschließlich einer Vorbereitungszeit“, genug waffenfähiges Uran für eine erste Bombe zur Verfügung zu haben, bis Ende des betreffenden Monats sogar genug für eine zweite.

Je länger sich die Verhandlungen über eine Neubelebung des Atomabkommens also hinziehen, umso größer die Gefahr, dass das Mullah- Regime die Weltgemeinschaft vor vollendete Tatsachen stellt. Grünen-Chef Omid Nouripour sagte dazu: "Seit Donald Trump das Atomabkommen ohne Not gekündigt hat, haben die Iraner sehr viel Uran hoch angereichert und damit einen signifikanten Weg auf dem Weg zur Bombe zurückgelegt. Es ist gut, wenn das Abkommen nun wieder zu Stande kommt, damit Iran auf diesem Weg gestoppt wird."

Derart eindeutig gestaltet sich die Sachlage jedoch nicht: Trump hatte, entgegen der Darstellung der meisten westlichen Medien, gute Gründe, das Abkommen aufzukündigen. Selbst wenn der Iran sich an den derzeit ausgesetzten Deal von 2015 gehalten hätte  – vom Mossad gewonnene Daten legen indes nah, dass der Iran die internationale Gemeinschaft mehrfach belogen hatte - spätestens 2030 wäre der Deal sowieso ausgelaufen und das Regime in Teheran hätte einfach dort weitermachen können, wo es aufgehört hat. Das ist das große Problem des Iran-Deals und aller neuen Abkommen, die den gleichen Weg verfolgen: Es beendet die für den Iran schmerzhaften Sanktionen, ohne dass ein künftiges Atomprogramm sicher ausgeschlossen werden kann. Im schlimmstmöglichen Szenario stünde am Ende ein nuklear bewaffneter Iran mit deutlich mehr Geld als zuvor.

 

Teherans Optionen

Weil eine atomwaffenfreie Welt nichts als ein utopischer Fiebertraum realitätsferner Romantiker ist, tut jede Nation im Sinne macchiavellischen Eigeninteresses gut daran, nicht die einzige unbewaffnete Konfliktpartei sein zu wollen. Die jüngere Zeitgeschichte ist voll mit Beispielen hierfür und in Teheran weiß man das.

Gaddafi verzichtete 2003/04 bereitwillig auf die Atomisierung des libyschen Militärs. Zudem war er, ähnlich wie der heutige Iran, dem Westen gegenüber feindlich gesinnt und ein engagierter Financier des internationalen Terrorismus. Im Jahr 2011 wurde er durch eine militärische Allianz von innen und außen nicht nur militärisch besiegt  – er wurde ermordet. Ohne seinen vorangegangenen Verzicht auf Atomwaffen in der Vergangenheit hätten Gaddafis innenpolitische Gegner keine Hilfe von Großbritannien, Frankreich und Friedensnobelpreisträger Barack Obama bekommen. In einem atomar bewaffneten Libyen hieße der Präsident wohl heute noch Muammar al-Gaddafi.

Hätte die Ukraine im Zuge der NATO/Russland Verhandlungen nach dem Untergang der Sowjetunion nicht auf nukleare Abrüstung gesetzt, wäre sie wohl kaum dreißig Jahre später von Russland überfallen worden, ob mit NATO oder ohne. Weder die iranischen Raketensysteme noch die Ausbildung und Aufrüstung von Terrororganisationen wie Hamas und Hisbollah wurden im Atomabkommen von 2015 als sofort abzuschaffende Übel betrachtet, sie blieben völlig unangetastet.

Trumps Nachfolger Joe Biden will nun im Sinne seines ehemaligen Chefs Barack Obama zusammen mit den europäischen Regierungen, die immer noch an den gescheiterten Deal glauben, ein neues Abkommen mit Irans neuem Präsidenten Ebrahim Raisi schließen. Raisi ist als „Schlächter von Teheran“ bekannt und war Mitglied der Todeskommission Teherans.

Oppositionelle jeglicher Couleur wurden unter seinem Kommando zu tausenden ermordet  – oft öffentlich aufgehängt an Baukränen. Er macht daraus keinen Hehl, im Gegenteil. Als „eine der stolzesten Errungenschaften“ des iranischen Staates bezeichnet er diese barbarischen Praktiken.

„Wir werden in den Wiener Gesprächen bleiben", twitterte Ali Schamchani, Vorsitzender des Obersten Nationalen Sicherheitsrates. Es sollten jedoch die „rechtlichen und logischen" Forderungen des Iran erfüllt und eine "starke Einigung" erzielt werden.

An dieser Stelle sei obligatorisch darauf hingewiesen, dass Ali Schamchani im Gegensatz zu Ex-Präsident der USA Donald Trump unbehelligt auf Twitter aktiv ist. Die Mark Zuckerbergs und Jack Dorseys dieser Welt zeigen uns tagtäglich, wo ihre Loyalitäten liegen. Pro- westlicher Konservatismus ist allem Anschein nach ein größeres Vergehen als islamistischer Faschismus, ginge es nach der US-amerikanischen Tech-Elite.

 

Fazit

„Sanktionen gegen den Iran dürfen nicht aufgehoben werden. Die Sanktionen müssen verschärft werden, der Iran muss glaubwürdig militärisch bedroht werden, denn nur dies wird ihn daran hindern, seinen Wettlauf um eine Nuklearwaffe fortzusetzen. Dieses Rennen hörte hier nicht auf, und es hörte nicht auf mit den Gesprächen in Wien.“, ließ sich Israels Außenminister Jair Lapid zitieren. Im jüdischen Staat blickt man mit Sorge auf die neuesten iranischen Umtriebe.

Nachdem der Iran erst kürzlich Raketen auf die irakische Stadt Erbil abgefeuert hat, erscheint die Anspannung in Jerusalem als gerechtfertigt. Erbil ist die Hauptstadt der autonomen irakischen Kurdenregion.

Der Iran erklärte dazu, von irakischem Gebiet aus hätten in der Vergangenheit kurdische Terroristen, die USA und Israel die Islamische Republik attackiert, demnach habe man völkerrechtskonform im Sinne der Selbstverteidigung gehandelt. Das Verhältnis des Iran zu dem regionalen Gegenspieler Saudi-Arabien hat sich im Zuge dessen definitiv erneut verschlechtert.

Angesichts solcher Ereignisse wünscht man sich als Zivilist, ob im Orient oder Okzident ansässig, doch glatt den orangenen Mann mit den gemeinen Tweets wieder, war doch der Nahe Osten zwischen 2016 und 2020 so friedlich wie seit Jahrzehnten nicht mehr.

Deutschland erhofft sich von der ganzen Angelegenheit Frieden im Nahen Osten und natürlich Öl.

Als Belohnung, so hört man es dieser Tage immer öfter, sollen die iranischen Revolutionsgarden tatsächlich von der Terrorliste gestrichen werden. Zur Erinnerung: Bei den Revolutionsgarden handelt es sich um die Speerspitze des iranischen Terrorismus im Libanon, Jemen, Irak, Gazastreifen und Syrien. Blut für Öl. Wie passt das mit Baerbocks Proklamation einer „feministischen Außenpolitik“ zusammen? Macht man sich nicht, gelinde gesagt, unglaubwürdig, wenn man Russland hart sanktioniert, jedoch dem Iran entgegenkommt? Sollte Außenpolitik nicht mehr sein als das stets nur als Reaktion stattfindende Modifizieren von Verträgen, sobald die Augen der Öffentlichkeit sich auf eine bestimme Region richten?

Im Sinne des Weltfriedens bleibt zu hoffen, dass alle Parteien einen Kompromiss herausarbeiten, der den Iran an atomarer Bewaffnung hindert und den Mullahs gleichzeitig glaubwürdig versichert, keinen Regime-Change voranzutreiben. Wie sich das konkret gestalten soll, weiß ich leider nicht. Außenministerin Baerbock steht definitiv in der Pflicht. Es bleibt zu hoffen, dass sie gute Pläne im Lastenrad verstaut hat, wenn sie demnächst wieder zu den Verhandlungen nach Wien reist. Es bleibt spannend.

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