„Antirassistischer“ Antisemitismus: Etikettenschwindel und gewollte Irreführung

Die „Deutsche Demokratische Republik“ war nicht demokratisch, der „Antifaschistische Schutzwall“ nicht antifaschistisch. Ebenso sind auch die heutigen „Antirassisten“ mehrheitlich nicht antirassistisch – wie sie immer wieder mit ihrem Hass auf Israel unter Beweis stellen (JR).

Anti-israelische Demonstration in Berlin© STEFANIE LOOS / AFP

Von Carmen Shamsianpur

Was wie ein Paradoxon klingt, ist traurige Realität. Große „antirassistische“ Bewegungen wie „Black Lives Matter (BLM)“ entpuppen sich als hochgradig antisemitisch. Wortführer von Toleranz und Gleichberechtigung dämonisieren den jüdischen Staat. Die weltweit größte internationale Antirassismus-Konferenz der Vereinten Nationen in Durban, die in diesem Jahr ihr 20-jähriges Jubiläum feiert, ist so judenfeindlich, dass bei der Premiere 2001 die Sicherheit jüdischer Teilnehmer nicht mehr garantiert werden konnte.

Und das ist nur die Spitze des Eisbergs. Jede Privatperson, die sich gemeinsam mit anderen gegen jegliche Art von Diskriminierung einsetzen will, wird merken, dass sich die Wege trennen, wenn es speziell um Antisemitismus geht. Spätestens beim Thema Israel hört der Spaß auf. Besonders groß ist dieses Problem für Juden.

Traditionell ist es im Judentum und somit auch in Israel Gang und Gäbe, dass sich Aktivisten mit einem starken Sinn für Gerechtigkeit in Gruppen zusammenschließen und für die Rechte Benachteiligter kämpfen. Nur leider ist Israel der einzige Ort, wo sie das tun können, ohne sich ständig als lupenreine Antizionisten erweisen zu müssen. Denn das ist das Gütesiegel, das ein ernstzunehmender Antirassist braucht – vor allem, wenn er Jude ist.

Israel ist keine Kolonie

Dieses Phänomen fußt auf einem theoretischen Unterbau, dem „Postkolonialismus“. Seine Theoretiker untersuchen, inwiefern sich nach dem Ende der Kolonialzeit imperiale Machtstrukturen verändert oder auch erhalten haben. Das ist eine berechtigte Fragestellung, die aber deutlich über die Stränge schlägt, etwa wenn deren Verfechter jegliche Form von Macht per se kritisieren oder die Welt in böse Unterdrücker und gute Unterdrückte unterteilen.

In diesem Weltbild ist das jüdische Volk vom Unterdrückten zum Unterdrücker aufgestiegen, war gut und ist jetzt böse. Die militärische Überlegenheit Israels gegenüber den „Palästinensern“ allein macht es schon zum Monster. Checkpoints, getrennte Straßen, Zäune – das alles wird als Zeichen der (bösen) Macht verstanden. Dass an jedem Flughafen der Welt unbescholtene Bürger kontrolliert werden und Israel für seine strengen Sicherheitsmaßnahmen die besten Gründe hat, ist dann zweitrangig. Zur Verurteilung reicht, dass der jüdische Staat mächtig ist.

Terroristen werden in diesem Weltbild allzu oft als „Widerstandskämpfer“ romantisiert. Hier ist auch das Phänomen einzuordnen, dass viele Frauenrechtsorganisationen zur Entrechtung von Frauen in muslimischen Ländern schweigen, oder dass LGBT-Aktivisten sich für „Palästina“ stark machen.

Es ist ein revisionistischer Kunstgriff, in Israel eine Kolonie zu sehen. Und es ist antisemitisch. Israel ist historisch betrachtet kein Produkt des Kolonialismus, sondern von dessen Ende. Zeitgleich mit dem Ende kolonialer Herrschaft in vielen Teilen der Welt erhielten die Länder auf dem Gebiet des ehemaligen Osmanischen Reiches von den Briten und Franzosen ihre Unabhängigkeit. So entstanden unter anderem der Irak, der Libanon, Syrien, Jordanien und eben Israel. Durch die neue Ordnung kam es weltweit zu Auseinandersetzungen und teils schweren Kriegen. Sich Israel herauszupicken und als „koloniales Siedlerprojekt“ zu bezeichnen, ist nichts als Antisemitismus.

 

Kolonialzeit als Zentrum der Geschichte

Der Postkolonialismus stellt die Kolonialzeit und die Herrschaft der „Weißen“ über die „Schwarzen“ beziehungsweise „People of Color“ (PoC) in den Mittelpunkt seiner Deutung von Geschichte und Gegenwart. Die Theorie entwickelte sich in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Sie nahm ihren Anfang in Großbritannien und den USA, und setzte sich global durch. Heute bildet sie einen wesentlichen theoretischen Unterbau für alle geisteswissenschaftlichen Fakultäten – und für den gebildeten Antisemitismus unter Akademikern.

Tammi Rossmann Benjamin ist Mitbegründerin und Direktorin der „AMCHA Initiative“, die seit 2012 den Antisemitismus an US-amerikanischen Universitäten dokumentiert, analysiert und bekämpft. Sie stellt fest, dass klassische antisemitische Anfeindungen auf dem Campus in den letzten Jahren in ähnlichem Maße abnehmen, wie israelbezogene zunehmen. Dabei richte sich der „Anti-Zionismus“ in den meisten Fällen gezielt gegen einzelne Studenten oder Studentengruppen, während Antisemitismus in seiner klassischen Form nur selten so direkt geäußert werde.

Auch an europäischen Unis gehört Antisemitismus in Form von Israelkritik zum guten Ton. „Antizionismus“ gilt vielen als völlig legitime, gar einzig legitime Haltung zum Nahostkonflikt. Dabei ist es nur der zeitgemäßeste und gesellschaftlich anerkannteste Kanal für Antisemitismus. Der Bielefelder Konfliktforscher Andreas Zick kam durch seine empirischen Studien zu dem Schluss, dass „eine nicht antisemitische Israelkritik zwar möglich, aber selten ist.“

 

Auszug aus dem Artikel von Carmen Shamsianpur, der zuerst bei „Israelnetz“ erschien.

Sehr geehrte Leser!

Die alte Website unserer Zeitung mit allen alten Abos finden Sie hier:

alte Website der Zeitung.


Und hier können Sie:

unsere Zeitung abonnieren,
die aktuelle oder alte Ausgaben bestellen
sowie eine Probeausgabe bekommen

in der Druck- oder Onlineform

Unterstützen Sie die einzige unabhängige jüdische Zeitung in Deutschland mit Ihrer Spende!

Werbung


Alle Artikel
Diese Webseite verwendet Cookies, um bestimmte Funktionen zu ermöglichen und das Angebot zu verbessern. Indem Sie hier fortfahren, stimmen Sie der Nutzung von Cookies zu. Mehr dazu..
Verstanden