Nach dem Linksruck der amerikanischen Gesellschaft sind Christen bezeichnenderweise noch vor den Juden das Rückgrat der US-Unterstützung für Israel
Während große Teile der amerikanischen Juden politisch zu den nahezu durchgehend israelfeindlichen Democrats neigen, entwickeln sich besonders die evangelikalen Christen in den USA zu den engagiertesten Freunden des jüdischen Staates.
Auch Donald Trumps Botschafter in Deutschland, Richard Grenell, ist gläubiger Christ und entschiedener Unterstützer Israels.© Odd ANDERSEN / AFP
Die tektonische Veränderung in der jüdischen Welt, die eine Verschiebung der Unterstützung von Israel zu „Palästina“ zeigt, ist schon seit einer ganzen Weile offensichtlich, besonders durch die progressive, amerikanische „J Street“-Gruppe, von denen die meisten entweder Reform- oder säkulare Juden sind und die Mehrheit der amerikanischen Juden ausmachen.
An der Spitze der „Woke-Revolution“
Laut der letzten eingehenden Studie des Pew Research Center von 2013 sind „progressive“ Juden, das heißt, meist Reform- und säkulare Juden, bei weitem die Mehrheit, nämlich 71 % aller amerikanischen Juden. Die „progressive“ Einstellung dieser Mehrheit wird durch eine JStreet-Wahltagsbefragung vom Dezember 2020 bestätigt, die zeigt, dass 77 % der amerikanischen Juden den Demokraten Biden unterstützt haben und nur 21 % den Republikaner Trump. Das ist keine trockene Statistik, denn „progressive“ Juden sind an der Spitze der Woke-Revolution, die gerade Amerika überrollt; und diese Woke-Leute verabscheuen Israel mit Leidenschaft.
Unter ihnen ist die Jüdin Judith Butler, die von der „progressiven“ Plattform „Plebity“ in ihrem lesenswerten und sehr beunruhigenden Artikel „How the Left Woke Up and Found Its Inner Antisemitism“ (Wie die Linke aufwachte und ihren inneren Antisemitismus fand) als „Hohepriesterin“ des Wokeismus bezeichnet wird.
Diese kurze Vorerklärung kann helfen, das unglaubliche Interview zu verstehen, das der Journalist Amit Segal in der letzten Woche mit dem ehemaligen Israel-Botschafter Ron Dermer geführt hat. Und es ist erwähnenswert, dass selbst der N12-Nachrichtensprecherin Yonit Levi die Kinnlade herunterklappte, und sie ist eine „progressive“ Israelin, die, so scheint es, von der Enthüllung kalt erwischt wurde, dass amerikanische Juden als Ganzes Israel eher kritisch als unterstützend gegenüberstehen.
In dem Interview sagt Dermer unter anderem, dass „die Leute verstehen müssen, dass das Rückgrat der Unterstützung Israels in den Vereinigten Staaten die evangelikalen Christen sind. Das ist das Rückgrat. Und es ist wahr, wegen der Zahlen und auch wegen ihrer leidenschaftlichen und eindeutigen Unterstützung Israels.“ „Unter den Juden“, fährt Dermer fort, „sind einige unserer stärksten Verfechter und größten Verteidiger Juden, [aber] einige der schärfsten Kritiken an Israel kommen von amerikanischen Juden.“
Evangelikale trotz allem eine Minderheit
Obwohl diese christliche Unterstützung in jeder Hinsicht lobenswert ist, sollte man bedenken, dass die Evangelikalen trotz allem eine Minderheit in den Vereinigten Staaten sind. So einflussreich sie auch sein mögen, wenn Israels Unterstützung in den USA nur von dieser Minderheit abhängt, hat Israel ein Problem.
Hinzu kommt, dass Statistiken darauf hindeuten, dass Evangelikale mehr mit Themen wie Rassengerechtigkeit beschäftigt sind als beispielsweise mit Familienwerten. Das bedeutet, die Unterstützung für Israel unter Evangelikalen nimmt ab.
Fügt man hinzu, dass „Woke-Werte“, insbesondere das Problem des Weißseins mit seinem antisemitischen ideologischen Ableger, nun die Köpfe der jungen Evangelikalen zu besetzen scheint, scheint dieses Rückgrat geschwächt zu sein.
Dasselbe gilt für die Juden. Auch sie treiben auf der „Woke-Flutwelle“, die, ganz offen gesagt, viel zu viele von ihnen zu Antijuden, wenn nicht gar zu regelrechten Antisemiten macht.
Obwohl Dermer zweifellos Recht hat und die Evangelikalen das Rückgrat der US-Unterstützung für Israel sind, kann man zusammenfassend sagen, dass die US-Unterstützung für Israel wohl im Niedergang begriffen ist.
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