Anerkennung mit Risiko

Als Auswirkung der Trumpschen Friedenspolitik erkennt der islamische Kosovo den jüdischen Staat Israel an. Der Balkanstaat eröffnet sogar seine Botschaft in Jerusalem. Die Europäische Union und vor allem ihre westlichen Mitgliedsländer reagieren feindselig und verärgert.

Ines Demiri (rechts), die neue Botschafterin Kosovos in Israel, zusammen mit Gil Haskel vom israelischen Außenministerium, bei der Eröffnung der Botschaft in Jerusalem.© Emmanuel DUNAND / AFP

Von Daniel Frick (Israelnetz)

Am 1. Februar haben Israel und der Kosovo diplomatische Beziehungen aufgenommen. Damit erkennt ein weiteres mehrheitlich muslimisches Land den jüdischen Staat an. Die am 14. Februar neu gewählte Regierung in Pristina hielt sich zudem an die Zusagen ihrer Vorgängerin und eröffnete am 14. März als derzeit drittes Land überhaupt eine Botschaft in Jerusalem. Der designierte kosovarische Außenminister Besnik Tahiri stellte klar, die Haltung zu Jerusalem hänge nicht an der einen oder anderen Regierung, sondern sei „Staatsposition“.

Umgekehrt gehört Israel zu den nun 98 Ländern – rund die Hälfte der UN­Mitgliedsstaaten –, die den Kosovo anerkannt haben. Den Schritt bezeichnete die damalige Außenministerin Meliza Haradinaj-Stublla als „eine der größten Errungenschaften“ des jungen Landes. Israel begibt sich damit jedoch in eine schwierige Situation: Denn Serbien passt die Anerkennung nicht. Belgrad sieht den Kosovo, der sich 2008 einseitig für unabhängig erklärt hat, als autonome Region innerhalb des eigenen Staatsgebietes.

 

Diplomatisches Geflecht

Die Aufnahme der Beziehungen hat ihren Ursprung in Abkommen, die am 4. September 2020 im Weißen Haus unterzeichnet wurden. Darin vereinbarten Serbien und der Kosovo die Normalisierung ihrer wirtschaftlichen Beziehungen. Für viele erstaunlich war, dass Israel dabei auch eine Rolle spielte: Seitens des Kosovo ging es um die Anerkennung, seitens Serbiens um die zeitnahe Eröffnung einer Handelsmission in Jerusalem – und die Verlegung der Botschaft nach Jerusalem bis Juli 2021.

In den Tagen nach der Unterzeichnung wurde klar, dass Serbien die Entwicklung zwischen Israel und dem Kosovo mit Argwohn betrachtet: Ein Regierungssprecher stellte zwar klar, dass sich dies nicht auf die Wirtschaftsvereinbarungen auswirken würde. Sollte Israel den Kosovo jedoch anerkennen, würde dies den israelisch-serbischen Beziehungen schaden. In diesem Falle würde Serbien von einer Botschaftsverlegung absehen. Als die Anerkennung dann im Februar vollzogen wurde, teilte Außenminister Nikola Selakovic mit, er sei „nicht glücklich“ über den Schritt.

 

Der amerikanische Faktor

Auf den ersten Blick wirkt dieser Vorgang wie viele andere in der Politik: Des einen Freud ist des anderen Verdruss. Dennoch drängt sich die Frage auf, was Israel zu einer Anerkennung Pristinas bewogen hat. Für viele Beobachter kam der Schritt überraschend, zumal die beiden Länder bislang wenig miteinander zu tun hatten. Über die Jahre hatte Jerusalem auf eine Anerkennung des Kosovo verzichtet, auch weil dessen Situation an die der „Palästinenser“ erinnert: Eine in einem bestimmten Gebiet mehrheitlich vertretene Gruppe erklärt einseitig ihre Eigenstaatlichkeit. Die „Palästinenser“ haben dies bereits 1988 getan, bis heute haben es 138 Länder anerkannt. Und tatsächlich sehen die „Palästinenser“ im Kosovo ein Vorbild: „Der Kosovo ist nicht besser als wir“, sagte der hochrangige „palästinensische“ Politiker Jasser Abed Rabbo im Jahr 2008 als Reaktion auf die Unabhängigkeitserklärung. „Wir verdienen sogar noch vor dem Kosovo Unabhängigkeit.“

Die Anerkennung des Kosovo stößt auch bei israelischen Diplomaten auf Unverständnis. Der frühere israelische Botschafter in Serbien, Arthur Koll, sieht Israel „in den Balkan-Konflikt geworfen“. So formulierte er es gegenüber der Nachrichtenseite „The Media Line“. Er fürchtet, dass dies Auswirkungen auf den Konflikt mit den „Palästinensern“ haben könnte. Und er vermutet, dass die USA diesbezüglich Druck auf Israel ausgeübt haben. Donald Trump befand sich damals mitten im Wahlkampf und wollte sich offenbar nicht nur als Vermittler in Konflikten, sondern mit Blick auf seine christlichen Wähler auch als Förderer Jerusalemer Interessen präsentieren. Netanjahu wiederum konnte wegen der dezidiert pro-israelischen Politik Trumps schlecht Nein zu einer Anerkennung des Kosovo sagen.

 

Druck aus Brüssel und Ankara

Doch auch für den Kosovo ist der Zug mit Risiko verbunden. Einerseits mag das Land mit seinen rund 1,9 Millionen Einwohnern froh sein über jede diplomatische Anerkennung, um sich gegenüber Serbien zu behaupten. Andererseits geht die Anerkennung Jerusalems als Hauptstadt Israels, zumal der Betrieb einer Botschaft dort, der Europäischen Union gegen den Strich: Der Staatenverbund hat die Vision von Jerusalem als „Hauptstadt zweier Staaten“, eines israelischen und eines „palästinensischen“. Solange dieses Ziel nicht „durch Verhandlungen“ herbeigeführt wird, müssen EU-Mitglieder ihre Botschaften in Tel Aviv belassen.

Der Kosovo ist zwar kein EU-Mitglied, strebt aber wie Serbien einen Beitritt an. Auf „Israelnetz“-Anfrage, mit welchen Konsequenzen der Kosovo nun rechnen müsse, teilte ein Sprecher der Europäischen Union lediglich mit, die Entscheidung, von der EU-Position abzurücken, sei zu bedauern: „Jegliche diplomatischen Schritte, die die gemeinsame Haltung der EU zu Jerusalem infrage stellen, sind eine Angelegenheit großer Besorgnis.“

Druck auf Pristina übt auch der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan aus. Zum Thema Botschaft in Jerusalem sagte er vor der Eröffnung: „Es wäre vorteilhaft, so einen Zug, der dem Kosovo schaden würde, zu vermeiden.“ Nach der Eröffnung teilte die Türkei mit, sie betrachte dies als „unverantwortlich“ und „gesetzlos“.

Wie die außenpolitischen Folgen der wechselseitigen Anerkennung zwischen Israel und dem Kosovo aussehen werden, lässt sich noch nicht sagen. Doch für die Juden im Kosovo – nach eigenen Angaben 86 Familien – sind die neuen Beziehungen eine gute Nachricht: Die frühere Außenministerin Haradinaj-Stublla verkündete bei der Anerkennungszeremonie, noch in diesem Jahr werde ein jüdisches Kulturzentrum gebaut. Zudem werde die Regierung die Pflege jüdischer Friedhöfe sowie Bildungsmaßnahmen bezüglich des Holocaust­Gedenkens fördern.

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