Das Fanal der Mohammed-Karikaturen und die Schwäche des Westens
Die auf offener Straße enthaupteten Menschen in Frankreich und die Morde vor der Wiener Synagoge sind nur die jüngsten Opfer eines Krieges der „Islam Supremacy“-Fanatiker gegen die freie Welt. Die Politik Westeuropas und der EU fürchtet sich vor einem Gegner, der ihr bei entschlossener Gegenwehr nichts entgegenzusetzen hätte.
Gedenken an den französischen Lehrer Samuel Paty, dem am 16. Oktober 2020 ein islamischer Tschetschene den Kopf abschnitt.© Bertrand GUAY , AFP
Von Thomas M. Eppinger
Samuel Paty war 47 Jahre alt, als ein 18-jähriger Tschetschene, der als anerkannter Flüchtling in Frankreich lebte, auf offener Straße über ihn herfiel und ihm mit einem 30 Zentimeter langen Küchenmesser den Kopf abschnitt. Der Mörder veröffentlichte den in einer Blutlache liegenden Kopf des Lehrers für Geografie und Geschichte auf Twitter: „Ich habe einen eurer Höllenhunde hingerichtet, der es wagte, Mohammed zu erniedrigen.“
Wenige Tage zuvor hatte Paty im Unterricht mit seinen Schülern über Meinungsfreiheit gesprochen und dabei Karikaturen von „Charlie Hebdo“ gezeigt. Vor fünf Jahren waren zwei islamische Terroristen in die Redaktion der französischen Satirezeitschrift eingedrungen und hatten zwölf Menschen erschossen. Am 2. September dieses Jahres begannen die Prozesse gegen mutmaßliche Mittäter, und Charlie Hebdo veröffentlichte in einer Sonderausgabe die berühmten Mohammed-Karikaturen der größten dänischen Tageszeitung „Jyllands-Posten“ erneut. Am 25. September verletzte ein Terrorist vor dem „Charlie Hebdo“-Bürogebäude in Paris vier Personen mit einem Fleischermesser, zwei davon schwer.
Paty hatte im Unterricht angekündigt, dass er diese Karikaturen zeigen werde und den muslimischen Schülern die Möglichkeit gegeben, die Klasse zu verlassen. Ein 13-jähriges Mädchen ist geblieben, ihr Vater, Brahim Chnina, hat daraufhin eine Social Media-Kampagne gestartet und gegen den Lehrer mobilisiert.
So richtig in Fahrt gebracht hat die Hetze gegen den Lehrer der Prediger Abdelhakim Sefrioui, in französischen Geheimdiensten eine bekannte Figur. Der Muslimbruder und Hamas-Unterstützer ist ein erfahrener Agit-Prop-Experte des politischen Islam. Seit Anfang der 2000er Jahre ist der Imam auf dem Schirm der französischen Terrorabwehr, er unterstützte den antisemitischen Komiker Dieudonné bei dessen Präsidentschaftskandidatur und hetzt regelmäßig gegen Israel. Sefrioui ist Mitglied des „Rates der Französischen Imame“. Laut der Zeitschrift Marianne handelt es sich dabei um eine 1992 gegründete radikale Gruppe, deren Schatzmeister er gewesen sei.
Die Gemeinde Conflans-Sainte-Honorine, wo Paty im Gymnasium Bois d’Aulne unterrichtete, liegt wenige Kilometer nordwestlich von Paris. Sefrioui hat die Kampagne von dort in die Moschee Pantin im Pariser Vorort Seine-Saint-Denis getragen. Über diese Stadt schrieb Fewzi Benhabib, der 1994 vor Algeriens Islamisten nach Saint-Denis geflohen war, dass sie nicht mehr wiederzuerkennen sei. Islamisten hätten Straßen und Geschäfte erobert. Die österreichische Tageszeitung „Die Presse“ veröffentlichte den „Bericht eines Fassungslosen“ 2015 auf Deutsch. Nach dem Mord an Paty wurde Sefrioui von der Polizei verhaftet.
Die gut organisierte Muslimbruderschaft
Der Mord an Paty zeigt beispielhaft, dass alle Thesen von „verwirrten Einzeltätern“ ins Leere gehen und den Hintergrund islamischer Anschläge verschleiern. Zwar erleichtert das Internet sowohl die Selbst-Radikalisierung von Muslimen als auch deren Rekrutierung durch Terrororganisationen, doch niemand radikalisiert sich im luftleeren Raum. Immer sind es fundamentalistische Prediger, die den Boden bereiten, und sehr oft kommen diese aus dem Umfeld der Muslimbruderschaft. Gegründet 1928 von Hasan al-Banna in Ägypten, gelten ihre fünf Leitsätze bis heute:
„Gott ist unser Ziel. Der Prophet ist unser Führer. Der Koran ist unsere Verfassung. Der Dschihad ist unser Weg. Der Tod für Gott ist unser nobelster Wunsch.“
Die Hamas ist nur eine von vielen Terrortöchtern dieser sunnitischen Vereinigung, die nach eigenen Angaben in über 70 Ländern verbreitet ist. Viele Führer islamischer Terrorgruppen haben hier ihre Wurzeln, auch Aiman az-Zawahiri, der heutige Kopf von al-Qaida. Das globale Netzwerk ist in vielen Ländern jederzeit in der Lage, Aufstände anzuzetteln und „spontane Massenproteste“ zu orchestrieren, ihr hoher Organisationsgrad ermöglicht es ihr, den Marsch durch die Institutionen anzutreten. Mit Erfolg, auch und gerade im Westen.
Der Historiker Heiko Heinisch und die Politologin Nina Scholz rechnen in Europa etwa 200 Organisationen der Muslimbruderschaft zu. In einem Interview im Kurier sagt Scholz 2019:
„In Österreich zählt dazu etwa die ‚Liga Kultur‘. Ein wesentlicher Faktor im Bestreben, islamistische Positionen auch hier zum Mainstream zu machen, ist die türkische Politik mit Erdogans Islamisierungskurs.“
Und Heinisch ergänzt: „Das wirkt sich auch auf den staatlich anerkannten Dachverband IGGÖ (Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich) aus. Er wird aktuell von Organisationen dominiert, die wir dem politischen Islam zuordnen: Millî Görüş, die türkische Schwesterorganisation der Muslimbruderschaft, und ATIB, der Tochterverband der türkischen staatlichen Religionsbehörde Diyanet. Diese wurde unter Erdogan auf Millî Görüş-Linie gebracht.“
Die Islamische Republik Iran
Das Wort „Krieg“ mag manchen vielleicht zu martialisch klingen, und doch erleben wir seit Jahrzehnten genau das: einen asymmetrischen Krieg, ausgetragen an vielen Fronten mit den unterschiedlichsten Waffen. Wer den Beginn dieses Krieges gegen die freie Welt datieren will, stößt unweigerlich auf den 1. Februar 1979. An diesem Tag landete Ajatollah Ruhollah Musawi Khomeini in Teheran, 10 Tage später wurde die Islamische Republik Iran gegründet, von Anfang an mit dem Ziel, die Islamische Revolution in einem globalen Heiligen Krieg zum Endsieg über die nicht-islamische Welt zu führen.
Um die „Einheit des mohammedanischen Volkes zu sichern“ und das islamische Vaterland von der „Herrschaft der Imperialisten“ zu befreien, schrieb Khomeini schon vor seiner Machtergreifung, bleibe kein anderer Ausweg, „als eine wahre islamische Regierung zu bilden, alle anderen tyrannischen und pseudo-mohammedanischen, vom Ausland in den Sattel gehobenen Regierungen zu stürzen, und wenn dieses Ziel erreicht ist, die weltweite islamische Regierung zu schaffen“. Unmissverständlich kündigte er an:
„Der Heilige Krieg bedeutet die Eroberung der nicht-mohammedanischen Territorien. Es ist möglich, dass er nach der Bildung einer islamischen Regierung erklärt wird, die dieser Bezeichnung würdig ist, unter der Leitung des Imams oder auf seinen Befehl. Dann wird es die Pflicht jedes volljährigen und waffenfähigen Mannes sein, freiwillig in diesen Eroberungskrieg zu ziehen, dessen Endziel es ist, das Gesetz des Korans von einem Ende der Welt bis zum anderen regieren zu lassen.
Dieses Ziel verfolgt der Iran in aller Konsequenz, er der größte Financier islamischen Terrors weltweit und verübt seit Jahrzehnten Mordanschläge in Europa.
Die „Welt“ veröffentlichte dieser Tage einen detaillierten Bericht über die Prozessakten zu einem Terroranschlag, den die Sicherheitsbehörden vor zwei Jahren verhindern konnten. Die Verschwörer stehen ab 27. November in Antwerpen vor Gericht, darunter eine Schlüsselfigur des geplanten Anschlags, der ehemalige dritte Botschaftsrat der iranischen Vertretung in Wien, Assadollah Assadi, Codename „Daniel“, der im Diplomatengepäck Bombenmaterial geschmuggelt haben soll. Clemens Wergin zufolge, Chefkorrespondent für Außenpolitik und Autor des Berichts, ist es „das erste Mal in Europa, dass ein ausländischer Staat für einen geplanten Terroranschlag enormen Ausmaßes verantwortlich gemacht und dafür vor Gericht gestellt wird.“
Europa reagiert nicht
Dieser Prozess kann nur ein erster Schritt sein. Denn Europa nimmt die kriegerischen Akte der sunnitisch-schiitischen Querfront islamischer Fundamentalisten erst allmählich zur Kenntnis und reagiert darauf – wenn überhaupt – nur äußerst zögerlich. Katar, neben Iran einer der größten Geldgeber islamischer Terrororganisationen, wird nicht nur eine Fußball-Weltmeisterschaft ausrichten, sondern ist längst zum begehrten Großinvestor aufgestiegen.
Und auch wenn Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron bei seiner kurzen Rede an der Schule Patys pathetisch versicherte „No Pasarán!“, besteht wenig Zweifel daran, dass Frankreich zusammen mit Deutschland und Großbritannien weiter versuchen wird, dem gescheiterten Atomabkommen mit Iran neues Leben einzuhauchen und damit dem Regime in Teheran die Möglichkeit zu verschaffen, seine terroristischen und militärischen Aktivitäten zu finanzieren und zu intensivieren.
Einen asymmetrischen Krieg gewinnt man nicht mit Panzern. Wir sind gefordert, alle politischen, legistischen, polizeilichen und geheimdienstlichen Möglichkeiten auszuschöpfen, die einem Rechtsstaat zur Verfügung stehen. Vor allem müssen endlich die Geldströme der Terrorfinanzierer stillgelegt werden. Doch die vielleicht wichtigste Front von allen ist die kulturelle.
Verrat an der Aufklärung und Salman Rushdie
Am 14. Februar 1989 verurteilte Ayatollah Khomeini den Schriftsteller Salman Rushdie in einer Fatwa zum Tode. Er begründete sie damit, dessen Buch „Die Satanischen Verse“ sei „gegen den Islam, den Propheten und den Koran“. Khomeini rief die Muslime in aller Welt zur Vollstreckung auf. Die halbstaatliche iranische Stiftung 15. Chordat setzte ein Kopfgeld von zunächst einer Million US-Dollar aus, das 1991 verdoppelt wurde. Im September 2012 wurde das Kopfgeld auf 3,3 Millionen Dollar erhöht. Im Februar 2016 meldete die iranische Nachrichtenagentur Fars, dass vierzig staatliche iranische Medien zum Jahrestag der Fatwa das Kopfgeld für den Tod Rushdies um 600.000 Dollar auf insgesamt nunmehr fast 4 Millionen Dollar erhöht hatten. Nach Jahrzehnten, in denen Rushdie an verschiedenen Wohnorten im Untergrund leben musste, verzichtet er seit ein paar Jahren auf Polizeischutz.
Von der Fatwa gegen Rushdie über die Morde an den Redakteuren von „Charlie Hebdo“ bis zu Enthauptung von Samuel Paty – der politische Islam zieht eine lange Spur der Einschüchterung durch den Westen. Gleichzeitig wird mit dem politischen Kampfbegriff „Islamophobie“ jegliche Kritik am Islam als krankhafte Angststörung stigmatisiert. Die islamische Lobby nutzt den Begriff als Gegenpol zu „Antisemitismus“, was eine geradezu obszöne Umkehrung der Realität ist. Denn nicht die Moscheen des Landes müssen bewacht werden, sondern die Synagogen. Und nicht Salafisten oder andere fundamentalistische Prediger brauchen rund um die Uhr Polizeischutz und können sich nicht mehr frei bewegen, sondern liberale kritische Muslime wie Seyran Ateş und Hamed Abdel-Samad.
Die Strategie der Einschüchterung ist erfolgreich
Kaum eine westliche Zeitung wagte es, die Karikaturen der „Jyllands-Posten“ nachzudrucken. Der bekannte satirische Zeichner Gerhard Haderer, der ein ganzes Buch über „Das Leben des Jesus“ gezeichnet hat und ob dieses Werks mit Klagen wegen Blasphemie konfrontiert war, verurteilte die dänische Zeitung. „Es ist eine Schnapsidee der Zeitung, Zeichner aufzurufen, Mohammed abzubilden“, sagte er in einem Interview, in dem er seine Jesus-Karikaturen damit begründete, dass es im Christentum kein Bilderverbot gebe, während im Islam die Abbildung des Propheten ein striktes Tabu sei.
Der damalige österreichische Bundespräsident Heinz Fischer verurteilte die Karikaturen 2006 vor dem Europaparlament in Straßburg:
„Wenn ein so genanntes Abbildungsverbot ein wesentliches Element einer Religion bildet, dann soll und darf man nicht doppelt gegen diesen Grundsatz verstoßen, indem nicht nur das Abbildungsverbot durchbrochen wird, sondern durch eine karikierende Darstellung der kränkende Tabubruch noch verstärkt wird.“
Auch wenn es viele ähnlich sehen mögen: Haderer und Fischer verraten ein wesentliches Grundprinzip jeder freiheitlich-demokratischen Ordnung, das zugleich die Voraussetzung für Religionsfreiheit und das Zusammenleben verschiedener religiöser Gruppen innerhalb eines Staates ist: Religiöse Gesetze gelten ausschließlich für die Angehörigen der jeweiligen Religionsgemeinschaft und für niemanden sonst. In einer Demokratie werden Gesetze von den Menschen gemacht – wo ein Gott das Gesetz macht, hat der Mensch sein Recht verloren. Nur der Geschmack des Satirikers und das Strafrecht ziehen die Grenzen von Satire, niemand sonst.
Es blieb Harald Schmidt vorbehalten, das wahre Motiv zu benennen, warum der Islam nicht Zielscheibe seines Spotts ist. Angst. In einem Interview mit dem österreichischen Magazin „profil“ erklärte er 2017, er habe „vollständig und mit Ansage die Finger davon gelassen“, schließlich sei er „Conférencier und kein Heldendarsteller“.
Nach der Ermordung von Samuel Paty wird sich jeder Lehrer zweimal überlegen, ob er im Unterricht nicht vielleicht sein Leben riskiert.
Lacht die Lächerlichen aus!
Schon immer hatten totalitäre Systeme Angst vor Humor. Und mit Ausnahme des Judentums, das sich mit Hingabe über sich selbst lustig macht, gilt das für Religionen gleichermaßen. Doch während sich das Christentum unter Schmerzen an Spott und Hohn gewöhnen musste, und Christen sich heute nicht scheuen, die Verbrechen ihrer Kirche anzuprangern, von der Inquisition über die Hexenverbrennungen bis zum tausendfachen Kindesmissbrauch, nehmen islamische Fundamentalisten jeden noch so geringfügigen Anlass wahr, um den religiösen Mob zu mobilisieren. Dann brennen die Straßen und Botschaften werden gestürmt wegen ein paar unbedeutenden Karikaturen in einem Land, von denen die meisten Protestierenden wohl nicht einmal wissen, wo es liegt.
Lachen ist eine mächtige Waffe, denn sie nimmt dem Verlachten die Autorität. Also verlachen wir die Lächerlichen, denn ihre Stärke beziehen sie nur aus ihrer Gewaltbereitschaft, während sie sich in ihrer lächerlichen Dauer-Empörtheit selbst der Lächerlichkeit preisgeben. Verlachen wir ihren lächerlichen Begriff einer Ehre, die so wenig wert ist, dass schon eine Zeichnung oder die Kleidung einer Frau sie zerstören kann. Und verlachen wir ihre lächerliche Hoffnung auf ein Paradies mit 72 lächerlichen Jungfrauen.
„Die Religion anderer verspotten und Kultur ist auch Terror und Dummheit“, schrieb mir jemand auf Facebook, der darauf stolz ist, seit mehreren Jahren für den interreligiösen Dialog in mehreren Ländern zu arbeiten. Doch wo Morden mit Zeichnen gleichgesetzt wird, hat der interreligiöse Dialog jeden Sinn verloren. Dann ist es Zeit für einen innerreligiösen Dialog, den die Muslime untereinander führen werden müssen.
Thomas M. Eppinger
Als Herausgeber von Mena-Watch und dem Online-Magazin Schlaglichter verbindet der Publizist seine wirtschaftliche Expertise als langjähriger Unternehmer mit seiner Leidenschaft für die Analyse politischer und gesellschaftlicher Entwicklungen. Thomas M. Eppinger ist 1961 in Vöcklabruck geboren und lebt heute in Graz und Wien.
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