„Black Lives Matter“ und die Juden

Nicht wenige linke US-Juden weigern sich zu erkennen, dass sich die Wut der BLM-Bewegung, die sie sogar häufig mit Spenden unterstützen, gegen sie selbst wenden könnte, obwohl es bereits in der Vergangenheit zu antijüdischen Morden und Pogromen durch Schwarze gekommen ist.

© John MACDOUGALL, AFP

Von Schoschana Brodskaja

Die „Protestler“ in Amerika wüteten im jüdischen Viertel von Los Angeles, bekritzelten die Statue von Raoul Wallenberg mit antisemitischen Graffitis, zerstörten mehrere jüdische Gemeindezentren und Bildungseinrichtungen und zeichneten Hammer und Sichel (was hat George Floyd damit zu tun?..) auf mehreren Synagogen. Aber mit dem gleichen „Elan“ wurden dabei auch katholische Kirchen und Statuen der Gründerväter und Geschäfte von Indianern und sogar Schwarzen bekritzelt, ausgeraubt und zerstört. Der übliche Vandalismus und die Unruhen eben, begleitet von Pogromen, bei denen niemand einen Juden von einem Nichtjuden unterscheidet. Und wer Raoul Wallenberg war, darüber machte man sich wahrscheinlich gar keine Gedanken. Und doch lassen einige Details dessen, was passiert ist, aufhorchen.

Bei der Beerdigung von George Floyd hielt der berüchtigte Baptistenpriester Al Sharpton, der Anführer „schwarzer Proteste“ mit mehr als 30 Jahren Erfahrung, eine flammende Rede. Sharpton ist ein „anständiger“ Politiker, er wird es sich nicht erlauben, öffentlich antisemitische Parolen auszusprechen. Interessant ist jedoch Folgendes: Der gleiche Sharpton sprach ebenfalls 1991 bei der Beerdigung eines guyanischen Jungen, Gavin Kato, der bei einem Autounfall unter Beteiligung eines jüdischen Fahrers ums Leben kam (einer Version zufolge verstieß der Fahrer gegen die Verkehrsregeln). Die Folge dieses zufälligen tragischen Todes eines Kindes, das von einem die Kontrolle über sein Auto verlierenden Fahrer überfahren wurde, waren die viertägigen Pogrome im jüdisch besiedelten New Yorker Viertel Crown Heights, bei denen ein chassidischer Teenager, Yankel Rosenbaum, erstochen wurde; er hatte nun wirklich nichts mit dem Tod des schwarzen Jungen zu tun: Er war nur aus Australien zu Besuch.

Derselbe Al Sharpton führte bereits 1984 Proteste gegen den Freispruch von Bernard Goetz (ein halachischer Jude, d. h. der Sohn einer jüdischen Mutter) an, der aber nicht religiös war, an; Goetz schoss mit seiner persönlichen Waffe auf vier dunkelhäutige Räuber, die ihn angriffen, und verletzte dabei alle vier. Die vom Gericht als legitime Selbstverteidigung anerkannten Handlungen des Angegriffenen wurden von Sharpton und seinen Mitstreitern als „rassistisch“ eingestuft. Diese Geschichte endete nicht mit Pogromen, denn Goetzs Unschuld war so offensichtlich, dass ihn sogar mehrere afroamerikanische soziale Organisationen verteidigten.

 

Jüdischer Ladenbesitzer Fred Harari

1995 fand in Harlem, New York, einem überwiegend schwarzen Stadtteil, ein völlig routinemäßiges Geschäft statt: Der Besitzer eines Modegeschäfts, ein Jude namens Fred Harari, teilte dem Mieter eines Teils seiner Räumlichkeiten, einem afroamerikanischen Kleinunternehmer, mit, dass er expandieren will, und bat diesen daher, sein Geschäft zu räumen. Der schwarze Kleinunternehmer erzählte anderen Schwarzen von diesem Vorfall. Pastor Sharpton und ein anderer Aktivist, Maurice Powell, organisierten daraufhin Protestskundgebungen, bei denen Slogans wie „Wir werden den Juden nicht erlauben, unser Viertel zu übernehmen!“, „Wir werden diesen Einbrecher (Harari) leiden lassen!“ (Daily News) gerufen wurden. Am 8. Dezember 1995, nach mehreren Monaten der Proteste und des Boykotts von Harari, stürmte einer der Randalierer in den Laden, erschoß mehrere Kunden, setzte die Räumlichkeiten in Brand und erschoss sich selbst. Sieben Geschäftsangestellte (darunter ein Afroamerikaner) kamen bei dem Brand ums Leben. Später stellte die Untersuchung fest, dass die Brandschutzanlage des Geschäfts zuvor ausgeschaltet wurde. Die Organisatoren der Aktion wurden nicht gefunden, zum einzigen Schuldigen wurde der Randalierer, der sich selbst erschossen hat, erklärt.

2012 Sanford, Florida: Der Angehörige einer freiwilligen Bürgerwehr, George Zimmerman, der in einem Problemviertel patrouillierte, bemerkte eine Person, die ihm verdächtig erschien. Nachdem er die Behörden informiert hatte, überwachte er weiterhin den Unbekannten und näherte sich ihm, offenbar mit dem Ziel, seine Identität herauszufinden. Der Unbekannte griff Zimmermann unvermittelt an, brach ihm die Nase und warf ihn auf den Asphaltboden (den Ermittlern wurde nach der medizinischenein Untersuchung ein Foto von Zimmermans gebrochenem Hinterkopf vorgelegt). Der Bürgerwehr-Mann rettete schließlich sein Leben, indem er den Angreifer mit seiner Waffe erschoss. Es stellte sich heraus, dass es sich um den 17-jährigen Schwarzen Martin Trayvon handelte. Pastor Sharpton forderte die sofortige Verhaftung des verwundeten Zimmerman. Als dieser aufgrund offensichtlicher Anzeichen von Selbstverteidigung freigesprochen wird, nannte Sharpton das Urteil „ein Verbrechen“ und „Schlag ins Gesicht“, und Tausende von Menschen demonstrierten wegen dieses Falles (damals wurde die Öffentlichkeit auf die „Black Lives Matter“-Bewegung aufmerksam).

Natürlich umfasst die „Erfolgsbilanz“ von Herrn Sharpton Angriffe nicht nur auf Juden. Und Sharpton ist weit davon entfernt, ausschließlich eine Menge schwarzer Gangster und Vandalen anzuregen. Aber es bleibt eine Tatsache, dass keine einzige Geschichte des „schwarzen Protests“ eine Episode eines absichtlichen Pogroms beispielsweise in einem japanischen oder italienischen Viertel enthält. Entweder zerschlagen sie alles, was ihnen in die Quere kommt, oder aber das jüdische Viertel und rufen dabei ganz bestimmte antisemitische Parolen (wie jetzt in Los Angeles: „Tod den Juden!“, „Verschwindet von hier!“, „Free Palestine!“ etc.).

 

Nicht wenige schwarze Amerikaner hassen Juden

Die Tatsache, dass schwarze Amerikaner Juden hassen, macht die jüdische Linke Amerikas fassungslos. „Wir sind vom selben Blut!“, beschwichtigen sie. „Wir sind wie sie ein unterdrücktes Volk, das jahrhundertelanger Diskriminierung ausgesetzt ist. Wir spenden Geld an ihre Organisationen, an ihre Proteste. Der Kampf gegen Rassismus muss der Kampf gegen Antisemitismus sein. Warum ist das nicht so?!“

Ja, dem ist nicht so – und diese „Nichtähnlichkeit“ trägt Zeichen der Transzendenz. Während der gesamten jüdischen Geschichte wurden genau jene Völker, mit denen Juden beharrlich versuchten, „Freundschaft zu schließen“ – sie bewiesen ihre Loyalität, opferten ihr Geld und sogar ihr Leben für die Ziele dieser Völker – ihre schlimmsten Feinde.

Die Torah erzählt, dass die Ägypter zunächst nicht daran gedacht hatten, die Juden zu versklaven, sondern beschlossen hatten, sie zu „überlisten“. Der Midrasch (Auslegung religiöser Texte im Judentum, - Anm. d. Übers.) erklärt, dass sie so etwas wie eine „Kehrwoche“ organisiert haben: Sie begannen mit dem Bau strategischer Objekte – der Städte Pithom und Ramses-Stadt, und alle, einschließlich der indigenen Ägypter, nahmen an diesen Arbeiten teil. Die Juden waren ebenfalls eifrig dabei. Am nächsten Tag wurden sie gebeten, wieder zu kommen. Und sie arbeiteten wieder sehr gewissenhaft. Dies dauerte viele Tage hintereinander, und die Juden bemerkten nicht einmal, wie die Ägypter aufhörten zu arbeiten und sich in Aufseher verwandelten. Nur die Leviten (einer der Zwölf Stämme Israels, genannt nach dem Stammvater Levi, - Anm. d. Übers.) wurden nicht versklavt, denn sie sind zu diesen Arbeiten gar nicht erst erschienen.

 

Anbiedern bringt nichts

Aus den Midraschim wissen wir auch, dass König Schlomo (Salomon) tausend Jahre bevor der Zweite Tempel von den Römern zerstört wurde (70 n. Chr.) eine ägyptische Prinzessin heiratete, um die „internationalen Beziehungen“ zu stärken. Unsere Weisen wollten mit diesen Midraschim vermitteln: Juden, verlasst euch nicht auf [andere] Menschen und versucht nicht, jemandem zu beweisen, dass ihr gut seid. Erfolg, Respekt und Anerkennung werden nur dann zu euch kommen, wenn ihr durch innere Einheit und nicht durch außenpolitische Allianzen stark seid und wenn nicht irgendein Patron aus Übersee oder ein anderer „Verhandlungspartner“, sondern allein der Allmächtige mit euren Angelegenheiten zufrieden ist.

Es ist symbolisch, dass die schrecklichste Sünde im Judentum – Götzendienst – in der heiligen Sprache „avoda sarà“ (wörtlich „Werk eines anderen“, „anderen dienen“) genannt wird. Erinnern wir uns, wie viele Juden während der stalinistischen Repressionen getötet wurden, nachdem sie mit Schweiß und Blut den Sozialismus aufgebaut hatten…

Und jetzt, wenn Zehntausende von Juden aus verschiedenen Ländern und mit unterschiedlichem Einkommen riesige Summen für die Proteste der „Black Lives Matter“-Bewegung spenden, oder sogar persönlich an ihren Märschen teilnehmen, möchte ich ihnen persönlich zerstörte Synagogen, zerbrochene Schaufenster und mit antisemitischen Parolen bemalte Denkmäler zeigen. Nicht dein Job! Avoda sarà! Trete beiseite, bevor es zu spät ist!

In Anbetracht des oben Gesagten ist die derzeit stetig wachsende mentale (ganz zu schweigen von der materiellen) Abhängigkeit Israels von den Vereinigten Staaten, ihren Trends und ihrer Führung sehr alarmierend. Alles, was aus Amerika kommt, stößt auf Begeisterung. Die Wahl von Präsident Trump, der Israel gegenüber loyal ist, hat diesen Prozess um ein Vielfaches beschleunigt. Oh, welch ein Glück, wir wurden anerkannt! Jetzt haben wir ein Existenzrecht! Dabei verhält sich Trump recht vernünftig. Er ist im Allgemeinen ein Mann der Logik, nicht der Emotion. Er erkannte Jerusalem und den Golan de facto an und hat nie einen Hehl daraus gemacht. Wenn (Gott bewahre) der Golan irgendwann an unsere Feinde geht, wird er auch das aufgrund der bestehenden Tatsachen anerkennen. Immerhin hat er trotz der von Amerika unterzeichneten internationalen Abkommen keine Probleme mit der Krim.

 

Abhängigkeit von Amerika

Amerika reduziert seine militärische Präsenz an den Krisenherden des Planeten, einschließlich des Nahen Ostens, mit Bedacht. Amerika hat seine eigenen Interessen niemals für die Unseren geopfert und wird das auch zukünftig nicht tun. Das ist richtig und normal. Nur unsere Haltung gegenüber diesem Land ist ungewöhnlich. Ja, es gibt in Amerika eine riesige jüdische Diaspora (leider größtenteils assimiliert) und eine pro-israelische Lobby. Und bis jetzt war alles wunderbar.

Aber wir beschäftigen uns in der Tat zu gerne mit dieser „Arbeit eines anderen“, was allein die Vielzahl von Amerikanismen im israelischen Slang bezeugt. Dieser Trend ist nicht neu: Selbst König Ahas, einer der alten Herrscher von Judäa, der von Assyrien militärische Unterstützung erhalten hatte, eilte als getreuer Untertan zum assyrischen König und kopierte gleichzeitig die Skizze des assyrischen Altars, um im Jerusalemer Tempel einen gleichen errichten zu lassen. Es endete schlecht: Wie die Propheten für Ahas vorausgesagt hatten, wurde Assyrien in der nächsten Generation der schlimmste Feind Judäas.

Zurück zu den „schwarzen Protesten“: Es ist anzumerken, dass fast alle Publizisten, davon überzeugt sind, dass dies Teil des demokratischen Wahlkampfs ist und dass die Demokraten nach diesen Protesten damit rechnen, Trump endlich zu stürzen und an die Macht zu kommen. Die sofortige Folge dieser Machtübernahme würde eine harte Politik dem jüdischen Staat gegenüber sein. Rechte Publizisten hingegen sind optimistisch: Sie glauben, dass die mit einem gesunden Verstand gesegneten Bürger beider Lager rechtzeitig erkennen werden, was zu erwarten ist, wenn die Linken an die Macht kommen. Sie werden die Situation in den Städten miteinander vergleichen, die von den Demokraten regiert (Abschaffung der Polizei usw.) werden, und jenen, die von den Republikanern kontrolliert werden, und das wird helfen, eine Entscheidung zugunsten der letzteren zu treffen. Aber Publizisten sind nicht immer Propheten. Das linke und das rechte Lager in den Vereinigten Staaten ist ungefähr gleich stark, und das „Stockholm-Syndrom“ (die Entwicklung von Sympathie für den Angreifer) hat niemand abgeschafft. Auf jeden Fall ist das von einem russischen Journalisten vorhergesagte Szenario möglich: Eine der Seiten, die unterliegt, wird diese Niederlage nicht akzeptieren und beschließen, die „Erfahrung“ der sommerlichen Proteste anzuwenden und versuchen, die Wahlergebnisse auf den Straßen umzukehren, womöglich mit Waffen in der Hand. Dann werden amerikanische Juden möglicherweise ins Kreuzfeuer geraten.

 

Erhöhte Nachfrage nach israelischen Immobilien

So übertrieben diese düsteren Vorhersagen uns heute auch vorkommen mögen, so scheinen sie doch viele Menschen zu beschäftigen. Das zeigt sich in dem starken Anstieg der Immobilienverkäufe und Wohnungspreise, der in den letzten Monaten von den statistischen Ämtern Israels verzeichnet wurde. Es ist kaum anzunehmen, dass die israelischen Einwohner inmitten von Coronavirus-Einschränkungen plötzlich zum Kauf von Wohnungen eilten. Der Grund ist höchstwahrscheinlich ein starker Anstieg der Nachfrage nach israelischem Wohnraum unter Vertretern der Diaspora. Massen-Aliya aus den USA? Ja, sie könnte in naher Zukunft Realität werden.

In der Zwischenzeit planen wir eine neue Siedlung auf den Golanhöhen und nennen sie „Ramat Trump“. Ein Glück, dass wir Jerusalem nicht in Trump-City umbenennen! Man hat bereits vergessen, dass ein anderer US-Präsident, Harry Truman, der als erster den Staat Israel anerkannte und dem zu Ehren eine Siedlung Kfar-Truman benannt wurde, genau ein Jahr nach seiner „Leistung“ ein internationales Embargo für die Lieferung von Waffen an den neugeborenen jüdischen Staat unterstützte, was Israel unter dem Ansturm der arabischen Angreifer beinah seine Existenz kostete.

Dankbarkeit ist eine gute und korrekte Sache, aber wenn sie zu einer Lobhudelei verkommt, ist es hilfreich, sich daran zu erinnern: Jeder Sponsor verfolgt zuallererst seine eigenen Interessen, und der Starke hat lieber einen Gleichgestellten zum Freund als den Schutzbefohlenen.

 

Übersetzung aus dem Russischen von Irina Korotkina

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