Trumps Gegner hassen ihn auch dann, wenn er Frieden bringt
Jahrzehntelang wurde Amerika wegen seiner weltweiten Interventionspolitik getadelt. Nun versucht der amerikanische Präsident seine Soldaten aus Krisenherden heimzuholen – das aber passt den Amerika-Hassern genauso wenig.
US-Präsident Trump und der chinesische Diktator Xi Jinping mit ihren Ehefrauen© Jim WATSON , AFP
Flächendeckend überlagert durch die Aufregung um das Corona-Virus findet ein Stück amerikanischer Politik statt, das man als Friedenspolitik bezeichnen kann. Oder zumindest als einen Versuch, den ewig langen Afghanistan-Krieg zu beenden. Ob es wirklich ein Frieden wird oder nur ein Kriegsende um fast jeden Preis, ist schwer zu sagen: Die Details bleiben vorerst unter Verschluss. Der Mann, der so oder so das Kriegsende in Afghanistan sucht, heißt Donald Trump.
Seit Jahrzehnten hat man sich daran gewöhnt, die Amerikaner dafür zu tadeln, dass sie sich an allen möglichen Ecken der Welt militärisch einmischen. Washington als der notorische, selbsternannte Weltpolizist. Und was macht dieser Donald Trump? Er versucht, seine Soldaten aus allen möglichen Ecken der Welt zurückzuziehen.
Es ist keine Überraschung, dass etliche Deutsche in ihrer Trump-Phobie den Mann im Weißen Haus nun wegen seiner „verantwortungslosen Rückzugsbereitschaft“ geißeln. Jedenfalls ist eine solche Kehrtwende vom Krieg zum Frieden für die vielen Deutschen, deren latente Amerika-Abneigung als Trump-Phobie virulent geworden ist, eine Zumutung.
Aber was sind Donald Trumps Motive? Zu lesen war, dass er es nur macht, um die nächste Wahl zu gewinnen, als wäre das der Gipfel an boshafter Friedenspolitik. Dass Trump schon in seiner Regierungserklärung angekündigt hat, er wolle „endlose Kriege“ beenden, wird seltener erwähnt.
Schlimmstenfalls gibt es ein Déja-vu-Erlebnis
Dem klassischen Amerika-Skeptiker und Trump-Hasser widerfuhr schon vor einiger Zeit ein Schock, als Trump versuchte, seine Soldaten aus Syrien zurückzuholen. Das hat nicht ganz so geklappt, wie er es erhofft hat; auch seine eigenen Republikaner haben ihm einen Strich durch die Rechnung gemacht. Aber immerhin: Der Versuch ist nicht wegzudiskutieren.
So, und jetzt zum eigentlichen Thema dieses Textes: Afghanistan. Trump will schrittweise seine Soldaten nach Hause holen und ist bereit, für dieses Ziel mit den Taliban einen „Deal“ zu machen. Ob er es schafft, hängt – nicht nur, aber auch – wieder von seinen eigenen Republikanern ab, bei denen es skeptische Stimmen gibt. Und mehr noch davon, wie weit die Taliban mitspielen. Wie gut oder wie schlecht der „Deal“ ist, bleibt also umstritten. Schlimmstenfalls gibt es ein Déja-vu-Erlebnis: Aus Vietnam verabschiedete sich Amerika hastig und sieglos nach rund zehn Kriegsjahren. Der Krieg in Afghanistan ist nicht so verheerend, dauert aber schon 18 Jahre.
Wie es scheint, hat Donald Trump eingesehen, dass nach fast zwei Jahrzehnten des Kampfes die Hoffnung auf eine Kapitulation der Taliban zur Fata Morgana geworden ist. Er will den Afghanistan-Krieg nicht auch noch als Begleiter einer zweiten Amtsperiode am Hals haben, was ihm und den Amerikanern zu gönnen wäre. Denn wenn er das nicht schafft, könnte es sein Nachfolger in Afghanistan auf einen zweiten Dreißigjährigen Krieg bringen. Kein sehr verlockender Gedanke.
Deutsche Soldaten vom Hindukusch zurück
Trumps Nordkorea-Vorstöße lassen wir mal beiseite. Auch ohne sie kann man sagen: Wenn Trump so weitermacht, könnte er trotz (oder wegen?) seiner Schreihals-Rhetorik zu dem Friedenspräsidenten werden, der Obama als Nobelpreisträger gerne geworden wäre. Zu einem Nobelpreis wird es in seinem Fall sicher nicht kommen. Und sei es nur, weil Trump als Nobel-Redner seinem Vorgänger nicht das Wasser reichen könnte. Ein Nobelpreis-Twitter ist bisher nicht vorgesehen. Aber das nur am Rande.
Eine Nebenwirkung eines Afghanistan-Deals dürfte sein, dass auch deutsche Soldaten vom Hindukusch zurück an Rhein und Elbe kommen dürfen. Und die haben das dann ausgerechnet diesem Donald Trump zu verdanken. Was für eine bitter-süße Pille.
Hier noch ein Nachgedanke: Es war der bei uns fast wie Trump verhasste und belächelte Ronald Reagan, der seinerzeit mit Michail Gorbatschow das Ende des Eisernen Vorhangs möglich machte. So ist das Leben. Man kann sich die Amerikaner, die Gutes für uns tun, nicht aussuchen. Und die, in die sich Deutschland verliebt, bringen nicht immer das, was ihre wohlgesetzten Worte versprechen.
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