Könnte das jüdische Leben in Europa nach nunmehr fast 2000 Jahren zu Ende gehen?

Der verstorbene Historiker Robert Wistrich, der damalige Leiter des Vidal Sassoon International Center für Antisemitismusstudien an der Hebräischen Universität von Jerusalem, erklärte schon im Jahr 2013, dass dem Judentum im Klima der gegenwärtigen Islam-Anbiederung nur noch „10-20 Jahre“ nennenswerte Präsenz in Europa verbleiben würde.

Der jüdische Dichter Süßkind von Trimberg (rechts) trifft einen deutschen Bischof. 
(Darstellung aus dem 14. Jahrhundert)© WIKIMEDIA

Von Giulio Meotti (Redaktion Audiatur)

Moshe Kantor, der Gründer des Welt-Holocaust-Forums, sagte es erneut in Jerusalem: „Antisemitismus könnte ein rutschiger Abhang zu einer globalen Katastrophe sein. Es ist möglich, dass es in 30 Jahren keine Juden in Europa mehr geben wird.“ Trotz der berühmten und wunderbaren jüdischen Widerstandskraft, scheint es bereits an die Wände geschrieben zu sein: Das jüdische Leben in Europa könnte im Jahr 2050 bereits nur noch als eine Erinnerung existieren.

Deswegen habe ich gerade – auf Italienisch – ein Buch mit dem Titel „Europa ohne Juden. Antisemitismus und der Verrat des Westens.“ verfasst.

Im Jahr 1977 lebten in Frankreich etwa 700.000 Juden. Heute sind es bereits weniger als 500.000. Laut Berechnung werden in den nächsten 20 Jahren, 60.000 von ihnen das Land verlassen (60.000 haben dies bereits in den letzten 10 Jahren getan).

Toulouse hatte eine 20.000 Mitglieder starke Gemeinde. Heute sind es nur noch 10.000. Nizza hatte ebenfalls eine jüdische Gemeinde von 20.000 zu verzeichnen. Jetzt sind es nur noch ungefähr 5.000 Mitglieder. Mindestens 80 Prozent der Juden verließen das Département Seine-Saint-Denis, um anderswo in Frankreich ein sichereres Zuhause zu finden. Jüdische Symbole sind im ganzen Land verschwunden und jüdisches Leben kann heute nur noch hinter Stacheldrähten, Kameras, Sicherheitstüren und Polizeipatrouillen existieren.

In den letzten zwei Jahren erlebte Deutschland eine dramatische Welle antijüdischer Angriffe, und man muss schon masochistisch oder verrückt sein, um jüdisches Leben einfach so fortzusetzen, als wäre nichts geschehen.

 

Schwund auch in Italien

Die meisten jüdischen Gemeinden in Italien verschwinden, mit Ausnahme derjenigen in Rom und Mailand, wo die Zahl der Juden von 6.505 im Jahr 1996 auf 5.244 zurückging. Niederländische Juden, mit Ausnahme der Orthodoxen, sind nahezu alle assimiliert. Schweden ist ein Albtraum für Juden und die bloße Erwähnung von Malmö kann zu einem Schaudern führen. Das jüdische Leben in Dänemark und Norwegen ist schon jetzt nicht mehr lebensfähig. Belgische Juden werden ebenfalls bedrängt und viele Synagogen wurden verkauft und geschlossen. Britische Juden können nur überleben, wenn das orthodoxe Judentum die Führung übernimmt und den Prozess der Assimilierung stoppt.

Es gibt keinen einzigen jüdischen Verantwortlichen – vom Oberhaupt der jüdischen Gemeinde in Marseille bis hin zum Oberrabbiner von Brüssel –, der seinen Gemeinden nicht geraten hätte, in der Öffentlichkeit keine jüdischen Symbole mehr zu tragen.

Jüdische Studenten verstecken ihre Identität überall, von Amsterdam bis Oslo, von Berlin bis Paris.

Das jüdische Leben könnte in Zukunft weiter bestehen, aber nur im Verborgenen. Juden werden ein passives, stilles und demütiges Profil annehmen müssen, gerade so, als ob sie in der Öffentlichkeit nicht mehr existieren würden. So könnte zum ersten Mal seit 1.500 Jahren ein echtes jüdisches Leben in Europa beendet werden. Aber wahrscheinlich hat der Holocaust dies bereits erreicht. Was würde das französische Judentum heute ausmachen, wenn es keine Juden gäbe, die in den 1960er Jahren aus Algerien kamen? Was würde das deutsche Judentum heute ausmachen, wenn es nicht Juden gäbe, die nach den 1990er Jahren aus Russland kamen, oder ohne die israelischen Expats?

Kantor hat recht. In 30 Jahren könnte alles vorbei sein. Aber auch Europa könnte vorbei sein.

 

Giulio Meotti, Kulturredakteur bei Il Foglio, ist ein italienischer Journalist und Autor. Auf Englisch zuerst erschienen bei „Arutz Sheva“. Übersetzung Audiatur-Online.

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