Warum Linke oft mit Islamisten und sogar Terroristen kuscheln

Weite Teile der Linken betrachten islamische Fundamentalisten und Terrororganisationen im Kampf gegen den vermeintlichen westlichen Kapitalismus und Imperialismus als Verbündete.

Es mutet seltsam an, dass Evrin Sommer überhaupt begründen muss, warum sie gegen eine antisemitische Terrororganisation stimmt.

Von Birgit Gärtner

In der vergangenen Woche wurde im Bundestag ein gemeinsamer Antrag der Regierungsparteien CDU, CSU und SPD sowie der FDP-Fraktion mit dem Titel „Wirksames Vorgehen gegen die Hisbollah“ gestellt, in dem unter anderem ein Betätigungsverbot für die schiitische Terrororganisation gefordert wird. Der Antrag wurde mit den Stimmen der genannten Parteien beschlossen, die Abgeordneten der AfD, Grünen und LINKEN enthielten sich größtenteils. Als einzige LINKE-Politikerin stimmte die kurdisch-stämmige Abgeordnete Helin Evrin Sommer für den Antrag. Dazu gab sie eine Erklärung heraus, in der sie u.a. die Teilnahme der Hisbollah-Anhänger am israelfeindlichen Al-Quds-Tag in Berlin als Grund für ihre Zustimmung nannte. Die Hisbollah-Anhänger verbreiteten dort „in aggressiver Weise in aller Öffentlichkeit antijüdische Hasspropaganda sowie pauschale Hetze gegen den Staat Israel, dessen Existenzrecht in Frage gestellt wird.“ Auch wenn Antisemitismus in all seinen Erscheinungsformen „in erster Linie der deutschen Gesellschaft zuzuordnen sei“, historisch wie aktuell, so sei es „dennoch notwendig, jedwede Form von Antisemitismus konsequent zu ächten, auch wenn er von Anhängerinnen und Anhängern einer ausländischen Organisation verbreitet“ werde.

 

„Linke“-Politikerin rechtfertigt sich für ihre Zustimmung

Nun mutet es gelinde gesprochen seltsam an, dass eine LINKE-Politikerin begründen muss, warum sie für ein Verbot einer antisemitischen Terrororganisation stimmt, erklärungsbedürftig scheint doch vielmehr das Abstimmungsverhalten der übrigen Fraktionsmitglieder und der Grünen. Der LINKE-Abgeordnete Andrej Hunko stellte fest, die Hisbollah sei im Libanon Teil der Regierungskoalition und vertrete viele Schiiten, ein Verbot verunmögliche künftige Verhandlungen mit dem Libanon.

Die Grünen sahen in dem Antrag gar einen „Blanko-Scheck für eine militärische Intervention im Nahen Osten“ und legten einen eigenen Antrag vor, der aber keine Mehrheit fand.

Da stellt sich die Frage: Warum?

Dieses Verhalten wirft Fragen auf, die Antwort darauf gibt ein Blick in die linke Geschichte, die in beiden deutschen Staaten mehrheitlich Allianzen mit den Feinden Israels einging. Die DDR unterstützte die arabischen Staaten, schon die RAF probte den Aufstand im Jordanien in von der „palästinensischen“ Fatah betriebenen Ausbildungscamps und es war ein der LINKEN eng verbundener Jurist, der „Menschenrechtsanwalt“ Hans-Eberhard Schultz, der 2017 den Organisator des Al-Quds-Tags gegen ein drohendes Verbot der Demonstration vertrat. Dazwischen liegen 50 Jahre, in denen Linke den islamischen Fundamentalismus, bzw. dessen Akteure und Protagonisten, als verlässlichen Partner im Kampf gegen den US-Imperialismus und dessen Bollwerk im Nahen Osten nachgerade lieben lernten.

Was 1968 als hoffnungsvoller Aufbruch begann, fiel schon bald über die eigenen Füße. Maxim Biller erläuterte 2014 in der Wochenzeitschrift „Zeit“ in dem Artikel „Antisemiten sind mir egal“, nicht nur das von den 68ern bekämpfte Establishment sei ein Relikt aus dem Hitler-Faschismus, sondern die Akteurinnen und Akteure selbst ebenso:

„Und wie kam der Antisemitismus nach Deutschland zurück, in das Land, das wie kein anderes seine Pogrom-Geschichte durchleuchtet hatte, um für immer aus ihr zu lernen? Er ist, in seiner neuesten, antizionistischen Verpackung, natürlich ein Geschenk der 68er. Die Erklärung dafür ist ganz leicht, wird aber logischerweise verschwiegen. Viele, sehr viele von ihnen hatten als junge Wehrmachtssoldaten, Waffen-SS-Novizen und Hitlerjungen, als Journalisten, Künstler und Akademiker die schönsten, schrecklichsten, prägendsten Jahre ihres Lebens gehabt. Wie sollten sie auf einmal keine Halb- oder Ganznazis mehr sein?

Sie kämpften dennoch aufrichtig gegen ihre nationalsozialistische Erziehung, sie wurden Pazifisten, sie forderten von der autoritären Adenauer-CDU mehr Demokratie, sie lasen Eugen Kogon, Hannah Arendt und Primo Levi, und sie wollten, dass nicht nur in ihrem Land, sondern auf der ganzen Welt ab sofort das totale Paradies ausbricht. Doch die Metaphysik von den blut- und geldgierigen jüdischen Intelligenzbestien, die ihnen tausend Jahre lang eingetrichtert wurde und an die ihre Eltern und Verwandten auch ohne Hitlers Einflüsterungen geglaubt hatten, saß zu tief in ihren Herzen und Köpfen.“

 

„Linker“ Anschlag auf jüdisches Gemeindehaus?

Am 9. November 1969 wurde im Jüdischen Gemeindehaus in der Fasanenstraße in Berlin eine Bombe deponiert, die nicht explodierte. Die Drahtzieher des glücklicherweise misslungenen Anschlags werden im Dunstkreis des Kommune-1-Gründers Dieter Kunzelmann und der „antizionistischen Linken“ vermutet. Dieser Szene gehörte auch Hans-Eberhard Schultz an.

Im Irak gelang es islamischen Terrorgruppen, das durch den Sturz Saddam Husseins entstandene Machtvakuum zu füllen. Sie meldeten aggressiv und extrem gewaltsam ihren Herrschaftsanspruch an. In dieser Gemengelage entstand u.a. die „Iraqi Patriot Alliance“, ein Zusammenschluss linker und fundamental-islamischer Gruppierungen.

Im Herbst 2003 erfolgte dann der Paradigmenwechsel in der Friedensbewegung und in weiten Teilen der Linken. Aktivisten aus der Friedensbewegung starteten die Kampagne „10 Euro für den irakischen Widerstand“. Dabei ging es gar nicht so sehr um das Geld an sich, als vielmehr darum, „ein Zeichen zu setzen, dass der Widerstand gegen die militärische Besatzung legitim“ sei. Damals gab es im Irak noch zivilgesellschaftliche Organisationen, z. B. Gewerkschaften, Öko- und Frauengruppen, aber die Solidarität galt der „Iraqi Patriot Alliance“. Damit wurde Widerstand von emanzipatorischen Inhalten entkoppelt, und durch Aktionen gegen die Besatzer, letztlich Terror, ersetzt. So wurden ganz entscheidend die Weichen für die weitere Entwicklung der Friedensbewegung gelegt.

Später wurde fleißig am Opfer-Mythos des Regimes in Teheran gestrickt. Als der damalige Präsident Machmud Achmadinedschad mit dem Satz zitiert wurde, er wolle Israel von der Landkarte tilgen, beeilten sich Linke, eine Übersetzung zu liefern, die ein anderes Licht auf seine Aussage warfen und ihm zum Opfer eines internationalen Medienkomplotts stilisierten. Urheber dieser Übersetzung war die Gruppe „Arbeiterfotographie Köln“. Mitglieder dieser Gruppe reisten schließlich auch in den Iran und schüttelten dem damaligen Präsidenten Machmud Achmadinedschad gerührt die Hand.

Diese pro-iranische Haltung wurde bis heute beibehalten: Die aktuellen Proteste im Iran sowie deren blutige Niederschlagung durch das Regime in Teheran werden von der Friedensbewegung nicht nur beschwiegen, sondern verschiedene Gruppierungen rufen zu Aktionen gegen einen vermeintlich bevorstehenden militärischen Angriff der USA auf den Gottesstaat auf.

Keine Tagung, keine Demonstration, kein Flugblatt kam seinerzeit ohne die – meistens mehrfache – Erwähnung des Nahost-Konflikts aus, im Gegensatz zu vielen militärischen Auseinandersetzungen war es eine regelrechte Obsession, sich dem Thema zu widmen und dabei immer und ausschließlich Israel als Aggressor und „die Palästinenser“, aus denen mit der Zeit „die Muslime“ wurden, als Opfer auszumachen.

 

„Warum nicht Israel“?

Am 25. Oktober 2009 hatte diese besorgniserregende Entwicklung mit der Verhinderung der Vorführung des Films „Warum Israel?“ des französisch-jüdischen Filmemachers Claude Lanzmann in Hamburg ihren vorläufigen Höhepunkt. Zum ersten Mal seit 1945 wurde in Deutschland die Vorführung eines jüdischen Films verhindert – und zwar von Linken. Die potentiellen Besucherinnen und Besucher des Kinos wurden bepöbelt, bespuckt, gewalttätig angegangen, ein „Antizionist“ zog den Gürtel aus seiner Hose, um die Cineasten damit zu traktieren – und diese wurden gefilmt. Die Reaktion in der Restlinken auf die „antizionistische Aktion“ war sehr verhalten, mit kritischen Stimmen wurde härter umgegangen als mit den wackeren „Antizionisten“, deren Aktion vielen zwar als über das Ziel hinausgeschossen erschien, die ihnen aber irgendwie auch aus dem Herzen sprach.

Die „Mavi Marmara“, auf der Annette Groth mit anderen 2010 vergeblich versuchte, den Gazastreifen zu erreichen© MUSTAFA OZER , AFPr

Zu der Aktion wurde ein Flugblatt mit der Überschrift „Warum nicht Israel“ verteilt, mit dem genau das ausgesagt werden sollte, was der Titel suggeriert: Weg mit Israel. In dem 4-seitigen Flugblatt, das sofort nach der Aktion aus dem Verkehr gezogen wurde, hieß es, der Film verschweige „die Tatsache, dass der Staat Israel auf den Trümmern von 500 arabischen Städten und Dörfern entstanden ist und ca. 700.000 PalästinenserInnen aus ihrer Heimat vertrieb“. Im Westjordanland werde „vom israelischen Staat und Rechtsradikalen mit Schusserlaubnis weiter Siedlungen aufgebaut.“ Claude Lanzmann wurde als Kriegshetzer verunglimpft, der Film als „Kriegspropaganda“ diffamiert.

Anfang 2009, während des Gaza-Kriegs, kam es dann zu einer gemeinsamen Demo der Friedensbewegung mit der SCHURA, dem Rat der islamischen Gemeinschaften. Die SCHURA wird dominiert von der „islamischen Gemeinschaft Millî Görüş“, ideologisch das türkische Pendant zur Muslimbruderschaft, dem „Islamischen Zentrum Hamburg“, der Zentrale der iranischen Ayatollahs in Europa, sowie anderen unappetitlichen Vereinigungen. Am Jungfernstieg wehten entsprechend neben PACE-Fahnen solche der Hamas, der Hisbollah und der Grauen Wölfe.

 

„Linke“-Bundestagsabgeordnete an Bord der Gaza-Flottille

Im Mai 2010 brachen die LINKE-Bundestagsabgeordneten Annette Groth, Inge Höger und Norman Paech mit der Gaza-Flottille auf. Die wurde bekanntermaßen von der israelischen Marine aufgebracht, neun Menschen kamen ums Leben. Die drei Abgeordneten konnten sich wunderbar als Opfer inszenieren – und Israel war wieder einmal als Aggressor ausgemacht.

Der bereits erwähnte Jurist Hans-Eberhard Schultz, der als „Menschenrechtsanwalt“ firmiert, vertrat einen der führenden Salafisten in Deutschland, den „Palästinenser“ Ibrahim Abou-Nagie, um das Verbot der Koranverteil-Aktion „Lies“, bzw. die dahinter stehende Organisation „Die Wahre Religion“ zu verhindern. Kürzlich trat er als Redner bei der „13. Konferenz der Palästinenser in Europa“ auf – und redete dort offenbar so lange, dass es selbst den Veranstaltern zu viel wurde. Die B.Z. schrieb: „Er redete lange und wurde von der Bühne geführt.“ Laut B.Z. rühmte er sich in seiner Rede damit, erreicht zu haben, „dass ein Palästinenser, der einen Davidstern mit einem Hakenkreuz verbunden habe, freigesprochen wurde, da dies durch die Meinungsfreiheit gedeckt sei. Er sagte, solange noch ein Palästinenser unterdrückt würde, könne kein Deutscher frei leben.“ Es wäre nicht verwunderlich, wenn der „Menschenrechtsanwalt“ auch die Hisbollah in dem nun anstehenden Verbotsverfahren vertreten würde.

Offensichtlich erscheint einem nicht unbeträchtlichen Teil der Linken in Deutschland Terror als Menschenrecht – zumindest sofern sich dieser Terror gegen Israel, Juden und Jüdinnen oder jüdische Einrichtungen richtet, oder aber den „gemeinsamen“ Feind, den US-Imperialismus, zur Zielscheibe hat. So werden Staaten wie der Iran, eines der repressivsten Regimes der Welt, Terrororganisationen und auch reaktionäre Islamverbände, zu Bündnispartnern. Das wird als selbstverständlich erachtet, so selbstverständlich, dass jene sich erklären müssen, die von dieser Linie abweichen.

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