80 Jahre danach: Nicht gezogene Lehren aus dem Zweiten Weltkrieg
© AFP
Am ersten Tag im September diesen Jahres jährt sich zum 80. Mal der formelle Ausbruch des Zweiten Weltkriegs, der die Weltordnung erheblich veränderte und für viele Länder und Völker, insbesondere für die Juden, zu einer großen Tragödie wurde. Bei dieser Gelegenheit, wie auch in den Jahren der vergangenen Jubiläen, wird es viele offizielle Veranstaltungen und unzählige politisch korrekte Reden über die gezogenen Schlussfolgerungen und die Unzulässigkeit der Wiederholung der blutigen Geschichte geben.
Natürlich wurden einige Lehren aus der Geschichte des 20. Jahrhunderts gezogen, aber sie können kaum als zufriedenstellend bezeichnet werden. Wenn über die Schuld Hitlers und seines Regimes, die mit dem stillschweigenden Einverständnis und sogar der Unterstützung des deutschen Volkes die Welt in ein blutiges Massaker gestürzt hat, viel gesagt und geschrieben wurde, so ist die Rolle der anderen Akteure des Zweiten Weltkriegs weniger analysiert. Darüber hinaus unternehmen deren Nachkommen und in einigen Fällen auch die ideologischen Erben große Anstrengungen, um sicherzustellen, dass dieses Problem nicht zur Sprache kommt.
NKWD und Gestapo arbeiteten zusammen
Wenn der Ex-KGB-General Sergej Iwanow, der jetzt der Sonderbeauftragte des Präsidenten der Russischen Föderation für Umweltschutz ist (und gleichzeitig die russisch-militärhistorische Gesellschaft leitet, welche heute als die höchste Instanz der historischen Wahrheit in Russland gilt), vor dem 75. Jahrestag des Sieges lange Ausführungen voller Rechtfertigungen, ja Unvermeidlichkeit der Unterzeichnung des Molotow-Ribbentrop-Pakts vorbringt, dann ist es klar, dass das Ziel darin besteht, die Behauptungen derjenigen Historiker zu entkräften, welche es wagen, Stalins Bündnis mit Hitler als Prolog zur Teilung Europas und zum Ausbruch des Zweiten Weltkriegs zu bezeichnen; Historiker, die erwähnen, dass die Wehrmacht in vielerlei Hinsicht mit Unterstützung der UdSSR gefördert wurde, dass der NKWD vor Ausbruch des Krieges eng mit der Gestapo zusammenarbeitete und der „Führer“ zum Teil deshalb an die Macht kam, weil Stalin den deutschen Kommunisten verbot, bei den Reichstagswahlen mit den Sozialdemokraten zu koalieren. Ganz zu schweigen davon, wessen Idee es war, Konzentrationslager einzurichten. Natürlich liegt die entscheidende Rolle bei der Zerschlagung des Nationalsozialismus beim sowjetischen Volk und der sowjetischen Armee; man soll aber nicht vergessen, dass die sowjetische Führung maßgeblich zum Erstarken des Hitlerreiches beigetragen hat.
Es ist sehr bedauerlich, dass Russland nicht nur nicht bereit ist, dies zuzugeben, sondern erneut versucht, internationale Politik mit stalinistischen Methoden zu betreiben und sein aggressives Handeln als „Schutz der brüderlichen slawischen Bevölkerung“ verklärt.
Noch bedauerlicher ist jedoch, dass auch der Westen keine Lehren hieraus gezogen hat. Und heutige Merkels und Macrons, die vor Kriegstreibern von heute gerne kuschen (und die Putins Aggression erst in Georgien, dann in der Ukraine nur am Rande, mit ein paar Worthülsen „verurteilt“ haben), werden so in menschlicher Erinnerung bleiben: Wie die feigen Chamberlain und Daladier, die ihre Verbündeten verraten haben, um Hitler zu besänftigen und die deutsche Aggression in den Osten zu lenken.
Und nur Churchill, der an keine heute bei westlichen Politikern so beliebte „diplomatische Lösung“ glaubte, hatte den Mut, seinen Landsleuten die Wahrheit zu sagen und ihnen „Blut und Tränen“ zu versprechen statt die Lüge „Ich brachte ihnen den Frieden!“ zu verbreiten. Und genau deswegen blieb Großbritannien der einzige Staat in Europa, der einen nationalsozialistischen Invasionsversuch überstanden hat, während die Bevölkerung vieler europäischer Länder, die heute mit ihrer „glorreichen“ Geschichte aufwarten wollen (wie z. B. die Franzosen), aktiv mit den Besatzern zusammenarbeiteten – auch bei der Vernichtung der Juden.
Es scheint, dass die Juden – zumindest jene, die in Israel leben –, die wenigen sind, die wirklich die wichtigste Lehre aus dem Zweiten Weltkrieg gezogen haben. Im Gegensatz zum Westen ist Israel nicht bereit Aggressoren zu besänftigen, auch wenn es von der gesamten „progressiven Weltgemeinschaft“ dazu aufgefordert wird. Daher zögert der israelische Minister Gilad Erdan nicht, das Europäische Parlament als „Plattform für die Propaganda des Terrorismus“ zu bezeichnen, wo ein Vertreter der terroristischen Organisation PFLP (Volksfront für die Befreiung Palästinas), der Schriftsteller Khaled Barakat, zu Wort kommt (Barakat wird vorgeworfen, „dass er Terroristen rekrutiere, Terrorgelder aus dem Libanon nach Belgien transferiere und PFLP-Mitgliedern dabei geholfen habe, von der Terroristengruppe Hisbollah ausgebildet zu werden“ so „Fokus Jerusalem“ am 22. Juli 2019, - Anm. d. Übers.) Und der Chef der israelischen Regierung Benjamin Netanjahu reagiert auf die Erklärungen der EU-Außenministerin Federica Mogherini über die Notwendigkeit der Umsetzung der mit Teheran getroffenen Vereinbarungen über den „Atomvertrag“ mit dem Verweis auf die Geschichte:
„Die Reaktion der Europäischen Union auf den Verstoß Irans gegen die Bedingungen des Abkommens erinnert an die Demut der Europäer in den 1930er Jahren. Es scheint, dass die Europäer nicht aufwachen werden, bis iranische Atomraketen auf ihre Länder fallen. Aber dann wird es zu spät sein.“
Aus dem Russischen von Irina Korotkina
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