Simchat Tora – Der unendliche Torazyklus

An Simchat Tora feiern gläubige Juden den Empfang der Tora.© WIKIPEDIA

Das große Finale des Sukkot-Festes ist Simchat Tora, mit ihm endet das alte und beginnt ein neues Tora-Jahr. Im Laufe eines Jahres lesen gläubige Juden die Tora einmal komplett von Anfang bis Ende durch. An Simchat Tora werden das Ende und auch gleich wieder der Anfang der Tora vorgelesen. Auf diese Weise hat die Toralesung niemals ein Ende. Die Tora-Rollen werden in feierlichen Umzügen, den sogenannten Hakkafot, durch die Synagogen getragen. Als Zeichen des Glücks und der Freude daran, dass dem jüdischen Volk entsprechend seinem Glauben die Tora geschenkt worden ist. In Jerusalem und in vielen anderen israelischen Städten wird auf den Straßen und Plätzen getanzt, gefeiert und gebetet. (JR)

Der fröhlichste Tag von allen

Zum Schluss des 7-tägigen Sukkotfestes kommt der fröhlichste Tag von allen: Simchat Tora. An diesem Tag jauchzen wir mit der Tora. Dem Abendgebet und dem Kiddusch in der Synagoge folgt Hakafot. Dabei wird ato horeiso gebetet. Die Tora-Rollen werden aus dem Schrein genommen und sieben Mal um die Bima getragen.

Allen wird die Ehre zuteil, die Tora tragen zu dürfen. Zwischen den Hakafot sind Singen und Tanzen das Gebot des Tages. Auch kleine Jungen und Mädchen feiern mit. Sie begleiten die Prozession um die Bima und tragen dabei ihre Simchat-Tora-Wimpel mit einer brennenden Kerze in den Händen. Manche Wimpel sind sehr kunstvoll. Sie haben kleine Schreine, die sich öffnen und schließen lassen, und sind mit Bildern verziert, auf denen Mosche und Aaron und David zu sehen sind, wie sie mit der Tora feiern.

Während des G-ttesdienstes am Morgen werden die Hakafot wiederholt, und dabei wird wieder gefeiert. Danach holt man drei Tora-Rollen aus dem Schrein, um sie zu lesen. Die erste Rolle enthält den letzten Teil der Tora, Wesot Habracha. Er wird immer wieder gelesen, bis jeder einmal zur Tora gerufen worden ist. Dann werden Jungen vor der Bar-Mizwa zur Tora gerufen, gemeinsam mit einem angesehenen Mitglied der Schul (im kol hanearim heißt „mit allen Jungen“). Die Jungen sprechen den Segen Hamalach hagoel („der rettende Engel“), mit dem Jakob die Kinder Josefs gesegnet hat.

Danach wird ein angesehenes Gemeindeglied zur Tora gerufen. Diesen Mann nennt man „Bräutigam der Tora“. Anschließend wird ein zweites angesehenes Gemeindeglied gerufen und liest den ersten Teil von Bereschit aus der zweiten Tora-Rolle. Er heißt „Bräutigam von Bereschit“. Zum Schluss wird der Maftir gerufen und der Abschnitt wird aus der dritten Rolle gelesen. Das ist die Haftora aus dem ersten Kapitel von Joschua, dem Nachfolger Mosches.

So geht das Lesen der Tora Abschnitt für Abschnitt weiter, das ganze Jahr hindurch. Das tun die Juden seit vielen Jahrhunderten. Die Toralesung ist an Simchat Tora zu Ende, aber wir beginnen sofort wieder von vorne. Damit wollen wir zeigen, dass die Tora kein Ende hat und dass wir sie immer wieder lesen und studieren müssen. Denn die Tora ist ewig wie G-tt, der sie uns gegeben hat. Wenn wir der Tora gehorchen, ist unser Volk Israel das dritte Glied in der ewigen Einheit zwischen G-tt, der Tora und Israel.

Die Fröhlichkeit von Simchat Tora

Von Dr. William Stern

Mit Simchat Tora feiern wir den Abschluss des Jahreszyklus der wöchentlichen Toravorlesungen. An diesem Tage rezitieren wir den letzten Absatz der Tora und beginnen gleich darauf wieder mit Bereschit, dem Anfang der Tora. Demgegenüber feiern wir am Schawuotfeste die Entgegennahme der Tora am Berge Sinai. Die Frage stellt sich: Weshalb freuen wir uns mit der Tora mehr zu Simchat Tora als am Schawuot?

Zu dem Zeitpunkt, als die Tora am Sinai verkündet wurde, war das jüdische Volk auf dem Höhepunkt spiritueller Vervollkommnung angelangt. Sie waren Zaddikim, absolut gerechte Menschen, bevor sie die ersten steinernen Tafeln entgegennahmen, und jede Spur von Sünde war ausgetilgt. Einige Zeit später, nachdem sie sich durch das Anbeten des Goldenen Kalbes schwer versündigt hatten, wurden sie zu Baale Tschuwa, von ehrlicher Reue erfüllt. Dadurch wurden sie für würdig befunden, die zweiten Tafeln entgegenzunehmen, und zwar am Jom Kippur.

Die ersten Tafeln erhielten die Zaddikim bei Donner und Blitz, Himmel und Erde erbebten; diese jedoch waren nicht von Dauer, sondern sie wurden bald zerbrochen, als es zur Anbetung des Goldenen Kalbes gekommen war. Als die zweiten Tafeln am Jom Kippur dem Volke übergeben wurden, ging dies sehr ruhig vonstatten - Symbol der stillen Aufrichtigkeit des Baal Tschuwa, einer Ehrlichkeit, die wahrhaft, anhaltend und unauslöschlich ist, die Gedanken und Herz des Juden erfüllt und seine ganze Lebensweise bestimmt. Und diese zweiten Tafeln waren von Dauer.

 

Reuige Umkehr

Aus diesem Grunde ist unsere Freude so sehr lebhaft am Simchat Tora, welches doch bald auf den Jom Kippur folgt, auf den höchsten Tag reuiger Umkehr.

"Die Segnungen und die Verzeihungen, um die man an den ehrfurchtgebietenden Tagen so innig fleht, wenn man sich an G-tt in feierlichem Gebet und in ehrlicher Zerknirschung wendet, können am Simchat Tora in Freude und Fröhlichkeit erlangt werden, beim Tanz mit der Tora," ist ein Wort von Rabbi Josef Jizchak Schneersohn s. A., dem früheren Lubawitscher Rebbe.

An diesem Tage sind alle Juden, zu welch verschiedenen Schichten sie auch gehören, von den Ältesten und den Führern bis zum "gewöhnlichen Manne", gleichwertig. Dies ist kein Tag, der schwierigem Torastudium gewidmet ist; es ist vielmehr ein Tag, an dem alle, unbeachtet ihrer Intelligenz und ihres Wissens, mit der Tora tanzen und sich ihrer freuen können. Dabei wird die Torarolle nicht an irgendeiner Stelle geöffnet, sondern sie bleibt zusammengerollt und mit ihrem Mantel bedeckt; und der Jude tanzt mit ihr, so wie sie ist, in ihrer Vollständigkeit. Der Jude vereinigt sich dabei so sehr mit der Tora, dass er "eins" mit ihr ist, und seine tanzenden Füße sind sozusagen die Füße der tanzenden Torarolle selbst - einer "menschlich gewordenen" Tora.

Es ist die Zeit "unserer Freude" (im Plural), denn die Tora freut sich mit dem Juden zusammen, und der Jude mit der Tora; und alle Juden, ungeachtet ihres Standes oder ihrer Verhältnisse, können an der Simcha teilnehmen.

 

Zusammenfassende Übersicht:

Zu Simchat Tora ist die Freude mit der Tora größer als am Schawuotfeste, an dem ihre Entgegennahme gefeiert wird. Dies lässt sich aus den Vorfällen während der Wüstenwanderung gut erklären. Zudem sind am Simchat Tora alle Juden, gleich welchen Standes, gleichwertig.

 

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