„Ich habe der Jagd nach Nazi-Verbrechern mein Leben gewidmet“

Verleihung der Ehrenbürgerschaft Novi Sad, Serbien für Dr. Efraim Zuroff - 19. Januar, 2009.


Der israelische Historiker Efraim Zuroff wird in der Presse oft als „Der letzte Nazijäger“ bezeichnet. 1978 gründete er das Simon-Wiesenthal-Center in Los Angeles mit und leitet seit 1986 das Jerusalemer Büro des SWC, wo er hunderte Nazi-Verbrecher aufspürte. Die Jüdische Rundschau sprach mit dem 75-Jährigen per Zoom in Jerusalem. (JR)

Von Collin McMahon

Jüdische Rundschau: Wie wird man ein Nazijäger?

Efraim Zuroff: Ich habe mich immer für jüdische Geschichte interessiert, aber ich wollte lieber Geschichte machen, anstatt sie zu studieren. Ich habe in Holocaustgeschichte an der Hebräischen Universität in Jerusalem promoviert. Meine ganze Familie hat an der Yeshiva-Universität in New York gearbeitet.

JR: Sie sind also der Indiana Jones in einer akademischen Familie.

EZ: So ähnlich. Als ich aufwuchs, haben wir uns für sowjetische Juden eingesetzt. Wir waren mit die Ersten, die vor der sowjetischen Gesandtschaft in New York demonstriert haben. Ich wurde dann vom Staat Israel in die Sowjetunion geschickt, um Juden zu helfen, die auswandern wollten („Refuzniks“).

Der Exodus der sowjetischen Juden ist nach der Gründung des Staates Israel eines der größten Wunder der modernen jüdischen Geschichte. Jeder Jude, den wir damals getroffen haben, lebt heute in Israel. Über eine Million russische Juden leben heute in Israel.

Ich lebte damals in Efrat und war im Gemeinderat. In dieser Funktion reiste ich nach Moskau, Leningrad, Riga und Vilnius. Bei diesen Besuchen bestand ich darauf, die Stätten des Massenmords zu besuchen. Der KGB folgte uns überall hin. Als ein junger Mann in der Synagoge anbot, uns herumzuführen, wurde er von zwei KGB-Leuten verprügelt. Trotzdem machten wir weiter. So begann meine Beschäftigung mit dem Holocaust in Litauen, wo meine Familie herkommt.

JR: Nach der Wende begannen Sie, die Litauer mit ihrer Geschichte zu konfrontieren.

EZ: Wir dachten, dass die Länder, die sich der Demokratie zuwandten, auch ihre Holocaustgeschichte aufarbeiten würden. Aber das ist nicht passiert. Sie haben stattdessen ihre eigene Nationalerzählung erfunden. Und ihre Helden waren oft Menschen, die Juden ermordet haben.

1991 erhielt ich eine Einladung zur Einweihung eines neuen Holocaustdenkmals in Ponar bei Vilnius, wo 70.000 Juden ermordet wurden, darunter mein Großonkel. Das war der Moment, als mir klar wurde, dass wir ein Problem hatten. Der Premierminister Litauens war der Hauptredner. Er sagte, das Massaker sei von den Nazis und einigen wenigen Litauern ausgeübt worden: „Der Holocaust in Litauen dauerte drei Monate.“ In Wahrheit waren es drei Jahre.

„Litauen hat so viel getan, um den Juden zu helfen“, sagte er. 212.000 der 220.000 Juden in Litauen wurden ermordet. Wer hat ihnen denn bitte geholfen? Geholfen, ihre Kleider auszuziehen und in die Grube zu springen? Da wurde mir klar, dass wir ein Problem hatten. Viele Täter kämpften nach dem Krieg gegen die Sowjets und wurden jetzt als Freiheitskämpfer verehrt. Aber sie waren Massenmörder.

JR: In seinem Interview mit Tucker Carlson sagte Wladimir Putin, dass Länder wie die Ukraine und Litauen keine andere Tradition zu feiern hatten, als sie unabhängig wurden. Ihre Freiheitskämpfer waren Nazi-Kollaborateure.

EZ: Das ist genau das, wogegen ich in den letzten 30 Jahren gekämpft habe. Der Rehabilitationsprozess begann im Mai 1990, als ein Gesetz verabschiedet wurde, wonach jeder, der von den Sowjets verfolgt wurde, seine Akte bereinigen lassen konnte, und sogar eine Entschädigung erhielt. Also bekamen Menschen, die Häuser von ermordeten Juden gestohlen hatten, diese Häuser von der litauischen Regierung zurück. Das hat das Simon-Wiesenthal-Center aufgedeckt. Darauf bin ich sehr stolz. Ein litauischer Jude hat mir heimlich die Akten von 12 rehabilitierten Litauern gegeben. Jeder war ein Nazi-Mörder. Das stand am 17.9.1991 auf der Titelseite der New York Times, am Tag nach der Aufnahme Litauens in die UNO.

Ich habe mit der litauischen Autorin Rūta Vanagaitė 2015 eine Reise zu den Stätten des Holocausts in Litauen unternommen und ein Buch darüber geschrieben, „Mūsiškiai“ (Unsere Leute), das etwa 20.000 Exemplare in Litauen verkaufte. Rūta musste mittlerweile das Land verlassen und lebt jetzt in Spanien. Ihr Verlag hat sie fallengelassen, ihr neues Buch musste sie im Selbstverlag herausbringen.

JR: Konservative Politiker wie Viktor Orbán in Ungarn werden von der EU wegen angeblicher Verharmlosung des Holocausts kritisiert, aber in den baltischen Staaten scheint das völlig in Ordnung zu sein.

EZ: Fehlgeleitetes Mitgefühl, nenne ich das.

JR: 2015 hat Barack Obama persönlich in Ungarn wegen einer Statue für den Nazikollaborateur Balint Homan interveniert. Bei litauischen Statuen hört man sowas nie.

EZ: Und Litauen hat jede Menge solcher Statuen. In Ukmerge steht an der Hauptstraße ein Denkmal für Juozas Krikštaponis, Offizier eines Mordkommandos, das in Weißrussland zehntausende Juden ermordet hat. Yehuda Bauer, der aktuell bedeutendste Holocaust-Historiker, sagte: Länder wollen eine Geschichte, auf die sie Stolz sein können. Aber worauf können Litauer stolz sein? Sie waren Massenmörder. Deshalb bin ich der meistgehasste Jude in Litauen.

JR: In ihrem Buch beschreiben Sie, wie völlig normale Menschen plötzlich begannen, ihre Nachbarn zu ermorden, nur weil sie Juden waren.

EZ: Es war Gier. 50.000 jüdische Häuser wurden enteignet. Als im Juni 1940 die Russen kamen, flohen die Politiker nach Berlin und schworen Hitler die Treue. Sie gaben den Juden die Schuld am Bolschewismus und versprachen den Litauern den Tag der Abrechnung. Dieses Märchen des Judäo-Bolschewismus ist in Osteuropa sehr verbreitet.

JR: Sie hatten sogar Ärger mit dem israelischen Botschafter in Litauen.

EZ: Das war der schlimmste Tag meines Lebens als Israeli. Der Botschafter traf sich vor seinem Amtsantritt in Litauen mit mir und sagte: „Ich handele nur nach meinem Gewissen.“

Ein paar Monate später besuchte ich ihn in der Botschaft, und das Erste, was er zu mir sagte, war: „Warum lassen Sie es nicht gut sein?“ Ich war echt vor den Kopf gestoßen. Ich kam nach Israel, weil ich in einem jüdischen Land leben wollte. Und dann kommt der neue Botschafter daher und sagt mir, dass ich nur Ärger mache.

In den Baltischen Staaten halten sie Israel für genauso wichtig wie die USA. Sie haben ihn wahrscheinlich hofiert und fürstlich behandelt. Da hat er sich gesagt: „Was kann ich tun, um mich zu revanchieren? Zuroff stoppen! Das ist das größte Geschenk, das ich ihnen machen kann.“ Soll ich mich für deine Karriere opfern, du Mistkerl?

JR: Glauben Sie, dass das Außenministerium in Israel eine eigene Agenda hat?

EZ: Nein, das war Netanjahu. Er wollte einen Keil zwischen den ost- und westeuropäischen EU-Ländern treiben. Die Westeuropäer sind besessen von den „Palästinensern“, die Osteuropäer scheren sich nicht um sie. So konnte man pro-„palästinensische“ EU-Resolutionen verhindern. Das hat aber nur halb funktioniert.

Ich kann Netanjahu nicht verstehen. Seine Familie stammt aus Litauen. 2018 kam er nach Litauen und lobte, wie sie dem Holocaust gedenken. Wie bitte? Ich habe gesagt, das sei, wie den Ku-Klux-Klan für seinen Beitrag zu Rassenbeziehungen in den USA zu loben. Ich war so wütend.

JR: Israel hatte die Hoffnung, dass die Visegrád-Staaten sie unterstützen würden: Polen, Ungarn, Tschechien und die Slowakei.

EZ: Aber Polen wurde verrückt, als die PiS-Partei an die Macht kam. Sie begannen, Historiker zu verfolgen, die sagten, dass Polen Juden getötet haben. 200.000 Juden wurden entweder direkt von Polen ermordet oder an die SS ausgeliefert, das ist belegt.

Das ging von Privatleuten aus, nicht vom Staat. Miroslaw Tryczyk hat die Hetze der polnischen Geistlichen 1938-1939 beschrieben. 1939-1941 wurde Ostpolen von den Sowjets besetzt. Daran waren angeblich die Juden schuld, also konnte man sie umbringen und ihr Eigentum wegnehmen.

JR: Die Ungarn sind scheinbar die letzten Verbündeten, die Israel in der EU hat, aber sie werden immer beschuldigt, Nazis zu sein.

EZ: Die Ungarn werden eine Statue für Orbán errichten, weil er keine muslimischen Einwanderer hereingelassen hat. Sehen Sie sich bloß an, was in Westeuropa passiert! Absolut verrückt. Als ich im November 2023 Amsterdam war, um die niederländische Ausgabe meines Buches zu bewerben, wollte ich Geert Wilders treffen. Ich habe ihn vor 10 Jahren getroffen, als er ein einzelner Abgeordneter im Parlament war, jetzt hat er die größte Partei in Holland! G‘tt segne ihn. Aber er war zu beschäftigt mit den Koalitionsverhandlungen. „Hut ab vor Geert Wilders!“ sagte ich in einem TV-Interview. Er weiß, was das Problem ist, und er möchte etwas dagegen tun. Er ist die größte Hoffnung für Europa.

JR: Die Ungarn scheinen in vielem Recht behalten zu haben. In ihrem Buch kritisieren sie die Gleichsetzung des Holocaust mit dem Terror Stalins. In Budapest gibt es das Terrormuseum, das genau das zum Thema hat.

EZ: Ich war dort, ja. Es ist absurd. Es geht eigentlich nur um den Kommunismus, nicht um die Schoah. In der Páva Utca 39 in Budapest gibt es ein gutes Holocaustmuseum. Aber die kriegen jetzt Ärger, weil sie der akzeptierten Geschichtsschreibung folgen: Die ungarische Polizei hat 437.000 Juden nach Auschwitz geschickt. Aber sie begingen auch Morde. Im Januar 1942 gab es Morde an Juden, Serben und Roma in Novi Sad. In Serbien bin ich ein Nationalheld, weil ich Täter ausfindig gemacht habe, die auch Serben ermordet haben. Serbien ist das einzige osteuropäische Land, wo ich gern gesehen bin. Sie haben mir einen Orden verliehen und mich zum Ehrenbürger von Novi Sad ernannt.

JR: Sie haben 1998 den Kommandanten des kroatischen KZs Jasenovac Dinko Šakić aufgespürt.

EZ: Der kroatische Präsident Stjepan Mesić, der ein Antifaschist war, hat mir den Fürst-Trpimir-Orden verliehen, weil ich Dinko Šakić vor Gericht gebracht habe. Šakić war der einzige osteuropäische Nazi-Kollaborateur, der nach 1989 vor Gericht gestellt, verurteilt und bestraft wurde. Es war ein Wunder. Ich muss den Kroaten Anerkennung zollen. Der Richter war fantastisch, Dražen Tripalo. Er ist jetzt am Obersten Gericht.

Die Ustascha waren die grausamsten Mörder. Sie schnitten schwangeren Frauen den Bauch auf, holten das ungeborene Kind heraus und ermordeten beide. Sie banden Menschen Rücken an Rücken zusammen, setzten sie auf einen Turm und stießen sie in die Sava. Sie hatten spezielle Dolche, die schmerzvoller sein sollten. Sie nannten sie Srbosjek, Serbentöter.

Jasenovac war schrecklich, das Auschwitz des Balkans. Es waren alles kroatische Nationalisten, Ustascha. Kein einziger Deutscher oder Österreicher war in den Lagern in Kroatien, in Jadovno, Jasenovac oder Sisak.

Šakić war ein arroganter Bastard. Niemand hat ihn gesucht. Er floh nach Argentinien, aber änderte seinen Namen nicht. Er gab Interviews für die kroatischen Medien. So haben wir ihn gefunden. Es war nicht schwer. Er hatte überhaupt keine Reue. Er sagte: „Wenn ich die Wahl hätte, würde ich es wieder machen. Wissen Sie, was das Problem mit Jasenovac war? Sie haben uns nicht alle töten lassen. Alle Serben, alle Juden, alle Roma und alle antifaschistischen Kroaten."

Im Sommer ‘98 war Fußball-WM. Am Samstagabend, dem 4.7.1998, wurde Šakić nach Kroatien ausgeliefert und wartete auf seinen Prozess. Kroatien spielte im Viertelfinale gegen Deutschland. Natürlich war Deutschland der Favorit. Dann gewann Kroatien 3-0! Die größte Sensation der WM-Geschichte. Also gingen wir raus und sahen eine Gruppe von jungen Männern mit einer riesigen kroatischen Flagge „Dinko Šakić! Dinko Šakić!“ skandieren. Warum riefen sie seinen Namen? Er hat das Tor nicht geschossen. Es lag daran, dass er ein Held war, der wusste, wie man mit Kroatiens Feinden umgeht.

Dinko Šakić wollte in seiner Ustascha-Uniform beerdigt werden. Der Priester Vjekoslav Lasić hat Gedenkmessen für Ustascha-Staatsoberhaupt Ante Pavelić organisiert. Bei der Beerdigung sagte er: „Dinko Šakić hat vielleicht nicht alle zehn Gebote befolgt“ (unter anderem „Du sollst nicht morden“), „aber er ist ein Vorbild für Kroatien.“

JR: Ein Wunder, dass Kroatien ihm den Prozess gemacht hat.

EZ: Kroatien wollte Beziehungen zu Israel, die das zuerst ablehnten, weil Präsident Franjo Tudjman in seinem Buch gesagt hat, die Juden hätten die Zahl der Holocaustopfer von 1 Million auf 6 Million aufgebauscht und die Juden hätten Jasenovac geleitet. Völlig absurd. Also haben die Kroaten die englische Übersetzung geändert, nicht aber die kroatische Originalausgabe. Halten die uns für Idioten? Natürlich gibt es in Israel Leute, die Kroatisch sprechen.

Am Tag der Urteilsverkündung war der Saal voll, aber die Hälfte der Zuschauer war für Šakić. Als sie das Urteil verkündeten, 20 Jahre Haft, brach die Hölle los: Prügeleien, unsere Freunde wurden angespuckt. Auf dem Weg nach draußen hielt mich ein gut gekleideter Herr auf: „Ich möchte Ihnen ein Wort sagen: Hvala (Danke). Ohne Sie wäre dieser Prozess nie zustande gekommen." Also fragte ich jemanden, wer das war.

Efraim Zuroff mit Simon Wiesenthal


Als Šakić Kommandant von Jasenovac war, gab es einen Sicherheitsvorfall. Alle mussten antreten. Šakić ging die Reihen entlang und wählte Leute aus, die gehängt werden sollen. Er kam zu einem Arzt aus Montenegro, Mile Bošković. Er war wohl anti-Ustascha. Bošković sagte: „Ich komme aus Montenegro, meine Tradition erlaubt es mir nicht, gehängt zu werden.“ Da hat Šakić ihm in den Kopf geschossen.

Der Mann, der sich bei mir bedankt hat, war der Bruder von Mile Bošković. Nie im Leben hätte er sich vorstellen können, dass eines Tages ein demokratisches Kroatien den Mörder seines Bruders verurteilen würde.

Das war Simon Wiesenthal immer sehr wichtig: den Angehörigen Gerechtigkeit zu geben. Man kann sie nicht wieder lebendig machen, aber zumindest kann man den Angehörigen Gerechtigkeit geben.

JR: Was halten Sie davon, wie Deutschland mit dem Holocaust umgeht?

EZ: Die Deutschen haben viel getan, um ihre jungen Menschen über den Holocaust und den Nationalsozialismus aufzuklären. Was die Justiz angeht: Totalausfall. Von 1949 bis 1985 gab es 200.000 Ermittlungen, 120.000 Anklagen, aber weniger als 7000 Verurteilungen. Sie haben alles unternommen, um niemanden zu verurteilen. Bis 2008 musste man in der BRD beweisen, dass eine Person ein bestimmtes Verbrechen gegen ein bestimmtes Opfer begangen hatte, und dass das Motiv Rassenhass war. Beweisen Sie das mal!

Zwei Staatsanwälte der „Zentralstelle zur Aufdeckung von NS-Gewaltverbrechen“ in Ludwigsburg gingen zu ihrem Chef, Kurt Schrimm, und sagten: Verfolgen wir sie doch wegen Beihilfe, nicht wegen Mord. Dann ist die Beweislast nicht so hoch.

Die Probe aufs Exempel war niemand anders als Iwan Demjanjuk, der 2009 von den USA nach Deutschland ausgeliefert wurde. Es gab Auslieferungsanträge nach Polen, in die Ukraine oder nach Deutschland. In der Ukraine ist er ein Held, sie lieben ihn dort. „Die Juden haben ihn diffamiert,“ sagen sie. In Polen hätten sie ihn gerne verfolgt, aber es gab keine überlebenden Zeugen aus Sobibor. Ursprünglich wurde er ja als „Iwan der Schreckliche von Treblinka“ verurteilt, aber er war das nicht. Er war „ein anderer Iwan, der auch schrecklich war“, sagte ich der New York Times. Es gab jedoch Beweise, dass er in Sobibor war. Wenn Deutschland ihn nicht genommen hätte, wäre er in seinem Bett in Seven Hills, Ohio, gestorben.

JR: Deutschland hat viel gute Arbeit geleistet…

EZ: Was die Justiz betrifft, war es aber ein schlechter Witz. Wenn es nicht Leute wie Fritz Bauer gegeben hätte, der für den Auschwitz-Prozess in Frankfurt gekämpft hat, wäre nichts passiert. Aber was Entschädigung und Aufklärung betrifft, hat sich Deutschland gut geschlagen.

JR: Jetzt haben wir sogenannte „Antisemitismusbeauftragte“, oft Nicht-Juden, die ihr Amt nutzen, um politische Gegner zu verfolgen. Es gibt den Fall von Michael Blume in Baden-Württemberg, den Sie jüngst kritisiert haben.

EZ: Wenn Blume wirklich dazu aufgerufen hat, die Sicherheitsbarriere zwischen dem Westjordanland und Jerusalem abzubauen, spinnt er. Sein Job ist es, Antisemitismus zu bekämpfen, nicht Terrorismus gegen Juden zu fördern.

Man muss aber kein Jude sein, um Antisemitismusbeauftragter zu sein. Ich kenne Felix Klein, er scheint ein aufrichtiger Mann zu sein. Wenn er gegen Antisemitismus kämpft, Halleluja. Wenn er jedoch nicht erfolgreich ist, ist das was anderes.

JR: Werden Sie jemals nach Deutschland kommen?

EZ: Es gibt noch einen letzten Fall, den Fall von Gregor Formanek (99), der Wächter in Sachsenhausen war. Sie haben den Arzt dazu gebracht, ihm Verhandlungsunfähigkeit zu attestieren, aber das Gutachten ist wohl mangelhaft. Die Opferanwälte kämpfen darum, diesen Prozess zu führen, sonst ist es vorbei. Deutschland ist das einzige Land, das jetzt noch Anklagen erhebt. Wenn dieser Prozess stattfindet, werde ich kommen und ein paar Tränen vergießen. Am letzten Tag des letzten Prozesses werde ich sehr traurig sein.

Ich habe der Jagd nach Nazi-Verbrechern mein Leben gewidmet. Wir haben unser Bestes gegeben. Wir haben vielleicht nicht viel erreicht, aber zumindest haben wir es versucht. Im Namen der Opfer, die keine Stimme mehr haben.

 

Efraim Zuroff: Operation Last Chance. Im Fadenkreuz des „Nazi-Jägers“. Prospero Verlag, Münster 2011

 

Efraim Zuroff, Ruta Vanagaite: Our People: Discovering Lithuania's Hidden Holocaust. Rowman & Littlefield, USA, 2020 (noch nicht auf Deutsch erschienen)

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