Die Oscarverleihung im Schatten des Gaza-Krieges: Wieder eine beispiellose Täter-Opfer-Umkehr

Oscar-Gewinner Jonathan Glazer.© ROBYN BECK/AFP

Als der jüdisch-britische Regisseur Jonathan Glazer für seinen Film „The Zone of Interest“ über Auschwitz mit dem Oscar ausgezeichnet wurde, erklärte er in seiner Dankesrede, er würde sich weigern, dass seine „jüdische Identität und der Holocaust von einer Besatzung gekapert werden“. Nicht nur, dass Glazer die Shoah-Opfer in seinem Film unsichtbar gemacht hat, er entschied sich auch dazu, ihrer während seiner Oscar-Rede nicht ein einziges Mal zu gedenken und stattdessen den Selbstverteidigungskrieg Israels gegen eine sadistische islamische Mörder-Bande mit einem schändlichen Nazi-Vergleich als ungerechtfertigt und überzogen zu delegitimieren. (JR)

Von Miriam Sofin

Schon vor Beginn der diesjährigen Oscar-Verleihung fanden drei unterschiedliche Demonstrationen in den Straßen rund um das Dolby Theater statt, die auf den Krieg im Gazastreifen aufmerksam machen sollten. Autos hupten in den Straßen, Hubschrauber überflogen den Veranstaltungsort, Polizisten in Schutzausrüstung marschierten auf und gerieten immer wieder mit Demonstranten aneinander. Die Hauptforderung: Der sofortige Waffenstillstand im Israel-Gaza-Krieg.

Am Oscar-Abend selbst sorgte dann die Rede des britischen Filmregisseurs aschkenasisch-jüdischer Abstammung, Jonathan Glazer, für große Aufregung. Ausgezeichnet wurde er am Abend des 11. März mit der legendären goldenen Statue für den besten internationalen Film. Das auf wahren Begebenheiten basierende Historiendrama “The Zone of Interest” behandelt das gutbürgerliche Leben des Lagerkommandanten Rudolf Höss, welcher während der Nazidiktatur mit seiner Familie direkt neben dem Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz residierte. Porträtiert wird ein Idyll, das vollkommen unberührt bleibt von der real gewordenen Hölle des industriell organisierten Massenmordes an den Juden gleich nebenan.

 

Beschämende Relativierung

Im Interview mit der „Berliner Zeitung“ erklärte die Schauspielerin Sandra Hüller, die im Film Höss’ Ehefrau verkörpert: “Wir wollten erforschen, wie dieses Phänomen der Ignoranz funktioniert und was es mit uns macht.“ Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass ausgerechnet Glazer, der genau jenes Phänomen der Ignoranz so authentisch verfilmt hat, die jüdischen Opfer öffentlichkeitswirksam selbst ignoriert. Schon in seinem Film bleiben diese stets unsichtbar und tauchen lediglich in Form von Geräuschen in Erscheinung. Während seiner Danksagung machte Glazer sie dann wenig subtil von Opfern zu Tätern: „Wir stehen hier als Männer, die sich dagegen wehren, dass ihr Jüdischsein und der Holocaust von einer Besetzung gekapert werden, die so viele Konflikte und unschuldige Menschenleben zu verantworten hat. Ob es die Opfer des 7. Oktober sind oder die Angriffe auf Gaza“, tönte er vor einem Millionenpublikum.

Glazer gab somit den israelischen Juden, die am 07. Oktober 2023 von hunderten „palästinensischen“ Terroristen brutal massakriert, vergewaltigt und ermordet wurden, die Schuld an ihrem eigenen Schicksal und rechnet auch die Todesopfer auf „palästinensischer“ Seite nicht etwa der Hamas an, sondern Israel – also der Seite des Konflikts, die sich gegen den tödlichen Terrorismus einer radikal-islamischen Terrororganisation verteidigt – ja, verteidigen MUSS, um nicht gänzlich ausgelöscht zu werden.

Glazer füttert damit ein Narrativ, das wir schon seit Jahrzehnten an Westlichen Universitäten und anderen Institutionen beobachten können: Das Bestreben von Intellektuellen und Medienschaffern, Juden zu privilegierten Besatzern und Unterdrückern umzudeuten, die dem „palästinensischen Volk“ sein angestammtes Land gestohlen hätten. Eine Behauptung, die jeder historischen Grundlage entbehrt. Glazer macht die Shoah-Opfer nicht nur in seinem hoch gelobten Film unsichtbar, er entschied sich auch dazu, ihnen während seiner Oscar-Rede nicht ein einziges Mal zu gedenken. Einen Film über den historisch einzigartigen Massenmord an den Juden zu drehen, ohne diesen darin auch nur zu erwähnen, ist wohl Glazers Versuch, dem Zuschauer eine vermeintlich abstrakte und allgemeingültige Lehre zu vermitteln, die jederzeit und auf jeden beliebigen Konflikt übertragen werden kann.

 

Solidarisierung mit den Tätern

Da fällt der Gedankensprung zum heutigen Nahostkonflikt natürlich nicht schwer. Historische Fakten zur Entstehungsgeschichte Israels spielen für ihn hierbei offensichtlich genauso wenig eine Rolle, wie die grausamen Verbrechen, die dem israelischen Volk am 7. Oktober angetan wurden. In die gleiche Kerbe schlug auch die Botschaft des roten Ansteckers der Initiative „Artists 4 Ceasefire“, den während der Oscar-Verleihung einige Hollywoodstars demonstrativ auf dem roten Teppich zur Schau trugen. Er zeigt eine rote Handfläche mit einem schwarzen Herz in der Mitte. Vorsätzlich oder nicht: Vielen Juden weltweit stößt der Anblick dieses Symbols deshalb sauer auf, weil es klar an den Lynchmord an zwei israelischen Reservisten durch einen „palästinensischen“ Mob erinnert, welcher sich im Jahr 2000 in der Stadt Ramallah im Westjordanland zugetragen hat. Damals war einer der Mörder mit emporgehobenen blutverschmierten Händen an das Fenster des Tatortes, eine Polizeistation, getreten und hatte diese der jubelnden Menge sichtlich stolz präsentiert.

Glazer hätte mit seiner Rede so viel Gutes bewirken und darin so viel Wichtiges sagen können. Er hätte den Opfern der Shoah, ihren Nachkommen sowie den Überlebenden öffentlich gedenken können. Doch stattdessen entschied er sich, eine unter Linken weit verbreitete Legende wiederzukäuen, laut der Israelis nichts als Landräuber und Aggressoren sind, welche die alleinige Schuld am jahrzehntelangen Konflikt mit den „Palästinensern“ tragen.

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