Türkei bestraft Fußballspieler wegen Solidarität mit Hamas-Geiseln

Der israelische Fußballspieler Sagiv Jehezkel.© MUSTAFA UNAL UYSAL ANADOLU Anadolu via AFP

Zwei israelische Fußballspieler, die für türkische Vereine spielen, haben in der Öffentlichkeit ihre Betroffenheit und ihre Solidarität mit den von der Terror-Hamas entführten Geiseln gezeigt. Die Türkei reagierte darauf mit Verhaftung, Verhör und Entlassung der Sportler. In Übereinstimmung mit der Israel-feindlichen Politik der Türkei, die irrsinnigerweise trotz mangelnder Verlässlichkeit immer noch Mitglied der Nato sein darf, ist es kein Zufall, dass sich türkische Vereine unverblümt als Verbündete der Hamas positionieren und das Abschlachten von Juden keinesfalls einer Kritik unterziehen. Schließlich ist die Terror-Bande ein Ableger der Muslimbrüder in Gaza und steht dem Pan-Islamisten Erdoğan politisch und ideologisch sehr nah. Der türkische Staatspräsident glorifiziert die Juden-Mörder sogar als „Freiheitskämpfer". (JR)

Von Julian M. Plutz

Sagiv Jehezkel kann es nicht fassen: „Ich bin nicht für den Krieg“, sagte der Israeli gegenüber der Nachrichtenagentur DHA. „Ich möchte, dass dieser 100-Tage-Prozess zu Ende geht. Ich will, dass der Krieg zu Ende ist.“ Dennoch reichte eine einzige Geste aus, dass der Stürmer von Antalyaspor von der türkischen Polizei zunächst verhaftet und verhört wurde, und er seinen Job beim Süper Lig Club verlor.

Was ist passiert? Bei einem Torjubel trug er eine weiße Bandage am Handgelenk und hielt diese in die Kameras. Darauf stand per Hand geschrieben „100 Tage, 7.10.“, ergänzt um einen Davidstern. Der 28-Jährige bezog sich offensichtlich auf die Terrorattacke der Hamas am 7. Oktober. Als der Präsident von Antalyaspor, Sinan Boztepe, davon erfuhr, verkündete er gegenüber der türkischen Presse, dass Jehezkels Vertrag aufgelöst werde und er aus der Mannschaft entlassen werde.

 

Auch Erdogans Lieblingsverein suspendiert israelischen Profi

Jehezkel hat sich seit seinem Wechsel im vergangenen Jahr in die Türkei nie mit Politik befasst und niemanden respektlos behandelt. Laut ORF wollte er jedoch auf die Notwendigkeit eines Endes des Krieges aufmerksam machen. Zuvor spielte er unter anderem bei Hapoel und Maccabi Tel Aviv. Auch die Absicht, die Zuschauer provozieren zu wollen, wies der Fußballer von sich.

Ähnlich verhielt es sich mit Eden Karzev. Sein bisheriger Club Başakşehir Istanbul trennte sich von dem 23-Jährigen und leitete ein Disziplinarverfahren ein, weil der Israeli gegen die Werte "unseres Landes" verstoßen haben soll. Karzev hatte auf seinem Instagram-Kanal ein Bild mit der Zahl 100 gezeigt und die Forderung, die israelischen Geiseln der Hamas nach Hause zu bringen. Laut türkischen Medien soll auch er, ähnlich wie Jehezkel, von der Polizei verhört worden sein.

Basaksehir, der Lieblingsklub des türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan, trennte sich von Karzev. Im Zuge seines ihm nahe gelegten Abschieds wechselte Karzev auf Leihbasis zu Maccabi Tel Aviv, die ihn daraufhin bereits via X, vormals Twitter, begrüßten. Karzevs Vertrag bei Başakşehir läuft am Saisonende aus.

 

Das größte Ziel der Hamas ist, Juden zu töten

Es scheint kein Zufall zu sein, dass sich türkische Vereine als Verbündete der Hamas positionieren. Gerade Erdogan unterstützte finanziell immer wieder die Muslimbrüder. Und die Hamas gilt wiederum als „palästinensischer“ Ableger der Muslimbrüder. Sie entstand im Zuge der "Ersten Intifada" im Jahr 1987. Im Gegensatz zur ägyptischen Mutterorganisation bedient sich die Hamas auch moderner Antisemitismen, wie beispielsweise die "Protokolle der Weisen von Zion". Diese frei erfundenen "Protokolle" erschienen erstmals 1903 in Russland und sollten ein Treffen jüdischer Eliten dokumentieren, die vorhatten, die Weltherrschaft an sich zu reißen. Die Hamas nutzt diese Lüge, um zu behaupten, dass die Juden planten, das gesamte Gebiet zwischen Nil und Euphrat zu erobern: "Heute ist es Palästina, und morgen ein anderes Land oder andere Länder. Der zionistische Plan kennt keine Grenzen. Nach Palästina wollen sie ihr Territorium vom Nil bis an den Euphrat erweitern."

Das Ziel der Hamas ist denkbar simpel und aus der eigenen Charta zu entnehmen. Sie möchten möglichst viele Juden töten. Unter Berufung auf eine überlieferte Aussage des Propheten Muhammad heißt es: "Die Hamas zielt darauf ab … das Versprechen Gottes wahr zu machen. Der Prophet sagte: Das Jüngste Gericht wird nicht eher kommen, bis die Muslime gegen die Juden kämpfen und die Muslime diese töten, bis dass der Jude sich hinter Baum und Stein versteckt und jeder Baum und Stein sagen wird: 'Oh Muslim, oh Diener Gottes, da befindet sich ein Jude hinter mir. Komm und töte ihn.'

 

Israel sei “Kriegsverbrecher”

Erdogan und seine Türkei, immerhin NATO-Partner, scheint das nicht zu stören. Im Gegenteil: Seine Solidarität gilt den Muslimbrüdern. Als der Präsident am 16. Juli 2016 nach dem gescheiterten Putsch in Istanbul vor seinen jubelnden Anhängern trat, hob er gut sichtbar den rechten Arm über den Kopf und reckte vier Finger in die Höhe, was spätestens seit 2013 die Erkennungsgeste der Muslimbrüder ist.

Das Zeichen geht auf die Proteste vor mehr als zehn Jahren in Ägypten zurück, als die Armee ein Protestcamp des gestürzten Präsidenten Mohammed Mursi angriff und mehr als 600 Menschen auf dem Rabaa-Platz in Kairo tötete. "Rabaa" klingt ähnlich wie das arabische Wort für die Zahl vier, daher etablierte sich dieser Gruß. Erdogan gehörte zu den ersten Politikern, die diese Geste, nur drei Tage nach dem Massaker, nutzten.

Die Nähe zur Muslimbruderschaft bzw. der Hamas war auch nach dem 7. Oktober zu spüren. So bezeichnete Erdogan die Terrororganisation als "Freiheitskämpfer". Doch nicht nur das: Bei einer Rede vor Zehntausenden Anhängern in Istanbul bezeichnete er Israel als "Kriegsverbrecher". Den westlichen Ländern warf er vor, sie seien unfähig, Israel zu stoppen. Seine geplante Reise nach Israel wurde kurz darauf abgesagt.

 

Die Türken stehen hinter Erdogan

Es zeigt sich immer mehr, dass Erdogans zurückhaltende Rolle im Nahostkonflikt und sein Angebot als Vermittler geheuchelt war. "Es wurde schnell klar, dass Israel nicht mit Erdogan verhandeln will", betonte Berk Esen, Professor für Politikwissenschaften an der Sabanci Universität Istanbul, gegenüber der Tagesschau. "Mit einem gemäßigten Kurs konnte Erdogan international also nichts erreichen, deshalb ändert er nun seine Taktik", so Esen. Das bedeutet: Pro Hamas.

Erdogans Ziel bleibt der Machterhalt. Als am 7. Oktober 1200 Menschen in Israel ermordet wurden, konnte er die Hamas nicht unterstützen. "Aber als sich die Umstände veränderten, als Tausende an der palästinensischen Front starben, hat sich Erdogans Position und die der türkischen Öffentlichkeit verändert. Man darf ja nicht vergessen, Erdogan lässt ständig Meinungsumfragen durchführen. Der weiß ganz genau, woher der Wind weht", ist sich Ömer Taspinar vom Brookings Institute in der türkischen Politiksendung Medyascope sicher.

Die türkische Bevölkerung steht jedenfalls hinter Erdogan. Demnach wünschen sich zwar 34,5 Prozent der Befragten, dass sich die türkische Regierung neutral verhält. Gleichzeitig sprechen sich 18,1 Prozent für eine Unterstützung der „palästinensischen“ Seite aus, solange man sich von der Hamas distanziert. 11,3 Prozent fordern sogar eine Unterstützung der Hamas. Nur drei Prozent der Befragten wollen, dass sich die türkische Regierung hinter Israel stellt.

 

Auswirkungen auch auf Deutschland

Klar ist, dass Erdogan verbal immer weiter aufrüstet. "Ist das, was dieser Netanjahu tut, weniger als das, was Hitler tat? Das ist es nicht", betonte er Anfang des Jahres. Seine Bevölkerung scheint das zu honorieren, was sich auch, wie im Falle der Fußballspieler, auf die Süper Lig auswirkt. Doch Erdogans Einfluss schwappt auch immer wieder nach Deutschland. Einerseits durch die DITIB-Moscheen, andererseits aber auch durch eine neu gegründete Partei.

Im Vorfeld der Europawahl im Juni hat sich in Deutschland eine neue Partei formiert, die enge Verbindungen zu Erdogan hat. Der deutsche Ableger dieser Bewegung trägt den Namen Dava, was „Demokratische Allianz für Vielfalt und Aufbruch“ bedeutet. Dava bedeutet Aufruf oder Einladung, kann aber auch mit Propaganda übersetzt werden. CDU-Politiker Jens Spahn kritisiert die Neugründung aufs Schärfste: "Ein Erdogan-AKP-Ableger in Deutschland wäre eine weitere extreme Partei im Land. Die ideologische Ignoranz der Ampel macht es ihm leider leicht: Die doppelte Staatsbürgerschaft für in Deutschland lebende Türken wird faktisch die Regel. Auch die Auslandsfinanzierung von Moscheen müsste endlich unterbunden werden."

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