Eklat beim Selenski-Besuch in Kanada: Parlament ehrt SS-Veteranen

© SEAN KILPATRICK /POOL/AFP

Nahezu zeitgleich zum Jahrestag der entsetzlichen Massenerschießung in der Kiewer Schlucht Babyn Jar im Jahr 1941, an denen die SS am über 30.000-fachem Judenmord beteiligt war, ehrte der kanadische Parlamentspräsident Anthony Rota einen ukrainisch stämmigen Veteranen aus dem Zweiten Weltkrieg nach der Rede des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyi. Der „Ehrengast“ war damals aber ein Mitglied der mörderischen SS. Dieser skandalöse Zwischenfall ist ein Beispiel für den kritiklosen Umgang mit der belasteten Geschichte der Ukraine. Die Tatsache, dass noch immer auch Straßen und Plätze nach dem NS-Verbrecher und Judenmörder Stepan Bandera benannt sind, dieser in der Ukraine glorifiziert wird und ihm zu Ehren Denkmäler errichtet werden, ist eine Verhöhnung der Opfer des Nationalsozialismus und gleichzeitig eine inakzeptable Holocaustverharmlosung, die in der Ukraine unübersehbar staatlich legitimiert und sogar gefördert wird. (JR)

Von Collin McMahon

Als der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenski am 22. September zusammen mit Premierminister Justin Trudeau im kanadischen Parlament in Ottawa zu Besuch war, lud der Sprecher des Parlamentes Anthony Rota (Liberale) den ehemaligen Angehörigen der Waffen-SS Jaroslaw Hunka (98) ein. Es geriet zum weltweiten Skandal, der Russlands Propaganda über „Nazis in der Ukraine“ zu bestätigen schien und Einiges über die Instrumentalisierung des Rechtsextremismus durch die Linke verrät.

Rota stellte Hunka als „ukrainisch-kanadischen Weltkriegsveteran“ vor, der „für die Unabhängigkeit der Ukraine gegen die Russen kämpfte und auch heute noch die Streitkräfte unterstützt, selbst im Alter von 98 Jahren“. Hunka sei „ein ukrainischer Held, ein kanadischer Held, dem wir für seinen Dienst danken.“

Das gesamte Parlament applaudierte, während Hunka von der Galerie winkte. Selenski reckte neben Präsidentengattin Olena und Premier Trudeau die geballte Faust. Hinter ihnen stand die stellvertretende Premierministerin Chrystia Freeland, deren Großvater in der Ukraine mit den Nazis kollaborierte. Die deutsche Botschafterin in Kanada Sabine Sparwasser applaudierte ebenfalls.

 

Wer kämpfte damals gegen die Rote Armee?

Der Sprecher des Auswärtigen Amts Sebastian Fischer nannte es auf Nachfrage des Journalisten Florian Warweg von den NachDenkSeiten am 27. September einen „inakzeptablen Vorgang“, der „jetzt auf kanadischer Seite auch vollumfänglich aufgeklärt wird und auch mit dem Rücktritt des Parlamentspräsidenten geendet hat.“ Botschafterin Sparwasser sei „nicht bekannt“ gewesen, „was der Betreffende im Zweiten Weltkrieg getan hat.“

Spätestens bei der Bemerkung, dass Hunka im 2. Weltkrieg „gegen die Russen kämpfte“ hätte jedoch jeder aufmerksame Kenner der Geschichte stutzig werden sollen. Denn die Rote Armee kämpfte in der Ukraine bekanntlich gegen die Wehrmacht und das Dritte Reich. Am 23. September wies der Poliologe Ivan Katchanovski auf Twitter darauf hin, dass Hunka Mitglied der 14. Waffen-SS-Division Galizien war, die sich aus ukrainischen Freiwilligen rekrutierte. Hunka habe selber geschrieben, dass er 1943 in der Region Ternopil in der Westukraine der SS-Division freiwillig beigetreten war.

„Die Division Galizien wurde 1943 unter deutscher Führung aus ukrainischen Freiwilligen in Galizien in der Westukraine gebildet,“ so Katchanovski zum Toronto Star. „Sie waren am Massenmord an Juden, Polen und Ukrainern beteiligt. Sie waren im Dorf Huta Peniatska am Massaker an beinahe 1000 polnischen Zivilisten und anderen Massakern an Polen beteiligt, und halfen mit, 1944 den Aufstand von Warschau niederzuschlagen, so wie weitere Aufstände gegen die Nazis in der Slowakei und dem ehemaligen Jugoslawien.“

Die kanadischen „Freunde des Simon Wiesenthal Zentrums“ waren „entsetzt“ und forderten Rotas Rücktritt sowie eine Entschuldigung und Erklärung. Das Simon Wiesenthal Zentrum Los Angeles beklagte sich über „schändliche Ignoranz und Arroganz, die der Ukraine schadet“, bei diesem „Zusammenprall der pro-Nazi-Vergangenheit mit dem Widerstand gegen die Sowjets. Die Abgeordneten haben das scheinbar vergessen – die unschuldigen ermordeten Juden vergessen nie.“

 

Bandera-Verehrung in der Ukraine

Es war eine Steilvorlage für Russland, die die Invasion der Ukraine gerne als Kampagne zur „Denazifizierung“ darstellt. Seit dem Maidan-Putsch 2014 sind neofaschistische Gruppen wie der Rechte Sektor und die Asow-Brigade offen in der Ukraine aktiv. Im ganzen Land wurden seit 2014 Denkmäler für den Anführer der Organisation ukrainischer Nationalisten OUN Stepan Bandera errichtet. Der ehemalige ukrainische Botschafter Andrij Melnyk legte am 27. April 2015 einen Kranz an Banderas Grab im Münchener Waldfriedhof nieder, einer Pilgerstätte für ukrainische Nationalisten. Am 23. September feierte die Asow-Brigade mit Fackelzug und Fahneneid an mehreren Orten wie jedes Jahr martialisch den „Totentag“. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen benutzte am 14.9.2022 den Gruß der OUN „Slava Ukraini!“ zu großem Applaus vor dem EU-Parlament.Der kanadische Parlamentssprecher Anthony Rota entschuldigte sich am Sonntag, 25.9. „bei der Jüdischen Gemeinde Kanadas und der Welt“ und betonte, dass „niemand außer mir, weder unter den Abgeordneten noch der ukrainischen Delegation, bei meinem Vorhaben involviert war.“

Rota nahm damit seinen Premier Justin Trudeau aus der Schusslinie, der den Vorfall „außerordentlich peinlich für das kanadische Parlament und damit alle Kanadier“ nannte. Es sei „zutiefst verstörend“, dass dieser Fauxpas passieren konnte, so Trudeau. Als der Skandal nicht abebben wollte, reichte Rota am Dienstag, 27.9. seinen Rücktritt als Parlamentssprecher ein.

 

Hartes Vorgehen gegen Trucker-Demos

Viele Kritiker erinnerten daran, wie Trudeau die kanadischen Trucker, die im Januar 2022 eine landesweite Sternfahrt zum selben Parlament in Ottawa organisierten, um für Bürgerrechte und Freiheit und gegen die Impfpflicht zu demonstrieren, mit „Nazisymbolik und rassistischen Zeichen“ in Zusammenhang brachte und von der Polizei niederschlagen ließ. Die Anführer der Trucker wie Tamara Lich wurden aus nichtigen Gründen wochenlang inhaftiert und ihre Bankkonten anlasslos gepfändet, ein Novum in westlichen Demokratien.

Unter den friedlichen kanadischen Truckern, die breite Unterstützung in der ganzen kanadischen Gesellschaft genossen und im arktischen kanadischen Winter von Autobahnbrücken im ganzen Land zugejubelt wurde, mischten sich bei der Ankunft in Ottawa Ende Januar 2022 plötzlich Menschen mit US-Südstaatenfahnen und sogar einer Hakenkreuzfahne, die von allen Medien der Welt aufgegriffen wurde. Die Täter wurden nie ausfindig gemacht. Trudeau sprach von einer „Randgruppe“, die „Hass, Hetze und Rassismus“ verbreiten.

Justin Trudeau gilt als so etwas wie der Wortführer der „woken“ Linksblase und lässt keine Gelegenheit aus, seine politischen Gegner als vermeintliche „Nazis“ und „Rechtsextreme“ zu brandmarken. Im März nannte er Eltern, die gegen Transgender-Indoktrinierung in Schulen protestieren, „Rechtsextreme politische Akteure“ die „sich darin übertreffen, bereits vulnerable Gruppen mit Grausamkeit und Ausgrenzung anzugreifen.“

 

Obsession der Linken

In Trudeaus Welt seien „Elternrechte jetzt rechtsextrem“, so Michael Higgins in der National Post. Der Premierminister „spalte die Nation mit „hetzerischer Rhetorik“ und beleidige „Millionen von Eltern, indem er sie mit Extremisten, weißen Rassisten und Faschisten in einen Topf wirft“, so Higgins.

Es sei durchaus möglich, dass Trudeau und Rota keine Ahnung von Hunkas SS-Vergangenheit hatten, schrieb Spiked-Chefredakteur Brendan O’Neill im Spectator „auch wenn man nicht in Europäischer Geschichte promoviert haben muss, um zu vermuten, dass ein ukrainischer Soldat, der in den 1940er Jahren gegen die Russen kämpfte, wahrscheinlich etwas mit den Nazis zu tun hatte.“

Und doch sei der Hunka-Skandal „eine perfekte Momentaufnahme der merkwürdigen und fieberhaften Obsession der Linken mit dem Rechtsextremismus“, so O’Neill. „Sie instrumentalisieren die Schrecken der 1940er Jahre, um ihre heutigen Kritiker zu diffamieren, als ob jeder Trucker-Konvoi und jeder Eltern-Protest ein Vorbote eines neuen Viertes Reichs wäre. Aber wenn sie jemandem vor sich haben, der tatsächlich an den Schrecken der 1940er Jahre beteiligt war, lächeln und applaudieren sie.“

Der polnische Bildungsminister Przemyslaw Czarnek und der russische Regierungssprecher Dmitry Peskow haben nun die Auslieferung Hunkas gefordert.

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