Simon-Wiesenthal-Center: Mitbegründer Abraham Cooper im Interview

Das „Museum of Tolerance“ in Los Angeles

Rabbi Abraham Cooper ist Mitbegründer des Global Forum on Anti-Semitism und des Simon-Wiesenthal-Centers Los Angeles. Das SWC ist weltweit als Hüter gegen Antisemitismus bekannt und hat auch die Aktivitäten von Dr. Michael Blume auf die Liste der „Top 10 Antisemitischen Vorfälle 2021“ gesetzt. Blume ist bezeichnenderweise ausgerechnet Antisemitismusbeauftragter des Landes Baden-Württemberg. Für seine hervorragenden Verdienste erhielt Abraham Cooper einen Ehrendoktor von der Yeshiva University Jerusalem. Er ist sogar Vizevorsitzender von Joe Bidens Ausschuss für internationale Religiöse Freiheit und wird selbst von den Democrats als jüdische Autorität geachtet. Die Jüdische Rundschau sprach in Los Angeles mit dem Rabbiner. (JR)

Von Collin McMahon

JR: Sie haben den baden-württembergischen Antisemitismusbeauftragten Michael Blume, den u.a. der Journalist Benjamin Weinthal seit 2018 massiv kritisiert, auf die Liste der „Top 10 Antisemitischen Vorfälle 2021“ gesetzt. Blume hat Ben Weinthal „rechtsextrem“ genannt und mutmaßlich für seine Sperrung auf Twitter gesorgt. Blume hat außerdem das „sogenannte“ Simon-Wiesenthal-Center Los Angeles als „rechtsgerichtet“ und „Trump-nah“ bezeichnet, das „den Namen des großen Österreichers missbrauche“.

Cooper: Das ist eine seltsame Situation. Ich war vor drei Monaten auf einer Konferenz in Israel und sprach dort mit Vertretern der jüdischen Gemeinde in Deutschland, die nicht genannt werden wollen. Sie sagten mir, „Wir hätten Blume schon längst abgesägt, wenn es nicht diesen Weinthal gäbe.“ Das hat mich sehr gewundert. Was hat Ben Weinthal damit zu tun? Er ist Journalist für die Jerusalem Post und hat soeben auf Fox News einen langen, wichtigen Artikel über den Iran veröffentlicht. Er ist ein ernstzunehmender Journalist, wie es sie nur noch selten gibt.

JR: Blume wirft Fox News ebenfalls vor, „rechtsextrem“ zu sein.

Cooper: Fox News ist eine der meistgelesenen Nachrichtenseiten in Amerika. Ich habe früher auch für sie geschrieben, was ich aus verschiedenen Gründen nicht mehr tue. Es gibt genug Medien, die meine Kommentare abdrucken. Aber Fox News ist nicht „rechtsextrem“, sondern klassisch konservativ. Das ist ihr Publikum.

Die Presse in den USA hat ein ernsthaftes Problem. Gerade eben hat der Sonderermittler John Durham - ein ernstzunehmender Mann - nach 4 Jahren seinen Bericht veröffentlicht, nach dem das FBI ohne Grund einen Lauschangriff gegen Donald Trump geführt hat, und die Medien haben das mitgetragen. Das ist ein echtes Problem. Simon Wiesenthal hat immer gesagt, „Wo die Demokratie gedeiht, ist es gut für die Juden, und wo sie schwach ist, ist es gefährlich für Juden.“ Die demokratischen Institutionen stecken in diesem Land in einer Krise. Die USA sind extrem gespalten.

JR: In Europa erleben wir das Gleiche.

Cooper: Das kann gut sein. Das Wiesenthal-Center muss dabei seinen Fokus behalten. Es geht hier nicht um die verletzen Gefühle eines einzelnen Bürokraten. Das ist kein Schönheitswettbewerb. Wenn wir (bei den „Antisemiten des Jahres“ – Anm. JR) Fehler machen, geben wir es zu. Das ist schon vorgekommen. Aber bei Michael Blume und seinen Verhaltensmustern liegen wir meiner Meinung nach richtig. Es gibt da nichts zu berichtigen.

JR: Wie werden diese Listen erstellt?

Cooper: Es ist ein Gremium aus einem halben dutzend unserer Vorstände. Mein Studienkollege an der Yeshiva University, Aaron Breitbart (kein Verwandter des konservativen Medienunternehmers Andrew Breitbart – Anm. JR), ist seit 38 Jahren unser Chefrechercheur. Wir haben Büros in Buenos Aires, Paris und Jerusalem und 400.000 Mitglieder, die uns Vorschläge schicken. Etwa drei Monate vor Jahresende beginnen wir mit der Auswertung. Jedes Jahr beginnen wir mit etwa 50 bis 75 Vorschlägen.

Aktuell steht die UNO-Rede von Mahmut Abbas, bei der er Israel mit den Nazis verglichen hat, ganz oben, sowie der tunesische Präsident Kais Saied, der nach dem Mord an zwei jüdischen Touristen und drei Polizisten auf Djerba keine Solidarität mit der 2000 Jahre alten jüdischen Gemeinde auf Djerba ausdrückte, sondern Israel die Schuld gab. Der Präsident Tunesiens gibt also den jüdischen Bürgern seines Landes die Schuld an Ereignissen im Heiligen Land.

Das sind die Art Vorfälle, die wir uns ansehen. Wir haben es mit der BBC aufgenommen, wir haben da keine Scheu. Wenn wir einen Fehler machen, entschuldigen wir uns, aber im Falle Deutschlands sehe ich keinen Anlass. Als wir 2012 den Verleger Jakob Augstein auf die Liste gesetzt haben, hat mich der damalige Spiegel-Chefredakteur (Chefredakteur des „Spiegel“ war 2008 bis 2013 Georg Mascolo –Anm. JR) angerufen und hat mir exklusiv vier Seiten im Spiegel angeboten. Er bot mir einen Flug nach Hamburg an, wenn ich mich mit Augstein treffen würde. Ich sagte, „Toll, das nehme ich gerne an, sobald Herr Augstein sich entschuldigt hat.“ Das war’s dann.

Alle wissen von den Neonazis. Aber wehe, es wagt jemand, Antisemitismus von Links oder aus der Mitte zu thematisieren, vor allem nicht unter dem Namen Wiesenthal. 2014 war ich auf Einladung meiner Freunde bei Stop the Bomb in Berlin. Der Vortrag war im Hotel de Rome, nur 100 m von der Humboldt-Universität und dem Denkmal der Bücherverbrennung. Dort wurde ich wieder gefragt, ob Augstein nächstes Jahr wieder auf der Liste stehen würde. Ich sagte, „Sie verstehen das nicht. Wir wollen doch nicht, dass jemand auf der Liste steht.“

Ich war soeben in Israel für die 75-Jahresfeier. Meine Mutter ist kürzlich verstorben, daher konnte ich nicht an allen Feierlichkeiten teilnehmen. Wir waren in einer Wohnung im 9. Stock an der Diskin Street. Auf der anderen Seite liegt die Knesset. Dort gab es einen Überflug von Düsenjägern, darunter auch Maschinen der deutschen Luftwaffe. Das wurde nicht groß berichtet, aber es ist ein Zeichen der engen Kooperation zwischen Deutschland und Israel, gerade im Bereich der Geheimdienste.

JR: Die deutsche Luftwaffe durfte aber nicht über Judäa und Samaria fliegen.

Cooper: Dann müssen das verdammt gute Piloten sein, denn das Land ist wirklich klein. Wenn man von Tel Aviv nach Jordanien fliegt, starten die Maschinen über das Mittelmeer, steigen auf 4000 Meter, wenden und beginnen über Tel Aviv schon mit dem Landeanflug auf Amman. Das Land besitzt einfach keine strategische Tiefe. Der Küstenstreifen ist teilweise nur 11 km breit. Das ist ein Grund, warum kein Israeli jemals Judäa und Samaria aufgeben wird. Wer das glaubt, hat nichts von der Region verstanden.

JR: Haben Sie die Demonstration der Regierungsunterstützer am Tag nach der Unabhängigkeitsfeier gesehen, die von Matan Peleg und Im Tirtzu organisiert wurde?

Cooper: Ja, es waren über 200.000 Menschen vor der Knesset. Ich war sehr beeindruckt, wie beide politische Lager sich benahmen. Es gibt ja leidenschaftliche Auseinandersetzungen und viele Frustrationen, die überkochen. Ich bin zwar kein israelischer Steuerzahler, aber habe zwei Töchter und acht Enkelkinder in Israel. Als ich 1968/69 in Jerusalem studiert habe, hatte die Stadt 177.000 Einwohner, Juden und Araber. Jerusalem ist das spirituelle Zentrum unserer Familie und Millionen Juden weltweit. Laut einer Studie soll Israel bis 2045 24 Mio. Einwohner haben, darunter 20 Mio. Juden.

JR: Es ist ein Wunder.

Cooper: Das Heilige Land hat seine eigenen Gesetze, sage ich immer. Man kann es nur begrenzt von außen verstehen. Ich fahre seit 2010 in die Vereinigten Arabischen Emirate und seit 2017 sehr oft nach Bahrain.

JR: Waren Sie an der Vorbereitung der Abraham-Friedensabkommen beteiligt?

Cooper: Das kann man so sagen. Ich gehe damit aber nicht hausieren. Wenn Sie mich fragen, wer am meisten für die Abraham-Abkommen verantwortlich war, waren es Barack Obama und der Ayatollah Khomeini. Sie haben die Juden und die Sunniten zusammengetrieben. Es wäre irgendwann von selbst passiert, weil es das Sinnvolle ist. Aber diese beiden haben es beschleunigt.

JR: Jared Kushner und Donald Trump haben auch ihren Teil dazu beigetragen.

Cooper: Sie haben den Flieger gelandet, der schon in der Luft war. Die Dynamik war schon vorhanden. (Außenminister) Mike Pompeo war einer der Wenigen in der Trump-Regierung, dem es gelungen ist, seinen Job zu machen und gleichzeitig seinen Boss zufriedenzustellen.

JR: Sehen sie die Abraham-Abkommen durch die Annäherung zwischen Saudi-Arabien und dem Iran bedroht?

Cooper: Das liegt leider an dem Rückzug der USA aus dem Nahen Osten. Werden Saudi-Arabien und die Mullahkratie des Irans jemals Busenfreunde werden? Nein. Aber die Saudis geben den USA zu verstehen: Wenn euch von uns abwendet, dann sehen wir uns nach Alternativen um – auch im Iran und in China.

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